Schwarz-Grün „handelt“: Koalitionstaktik und ideologisches Vorgehen statt sachliche Politik

25.09.2015

Die erste Sitzung des Hessischen Landtags nach den Sommerferien – für gewöhnlich ist der Start des neuen Schuljahres das dominierende Thema im Plenarsaal. Doch dieses Mal wollte die Landesregierung den Schuljahresstart wohl ausblenden und machte die Flüchtlingskrise zum wichtigsten Thema. Aus ihrer Sicht auch irgendwie nachvollziehbar, schließlich hat Schwarz-Grün den schlechtesten Schuljahresstart seit mindestens sechs Jahren zu verantworten. Die Flüchtlingskrise ist hingegen „eine gesamteuropäische Aufgabe“, die dringende Lösungen erfordert. Die Bildungsdebatte wurde kurzerhand von der Opposition angezettelt, ebenso wie die Debatten um die geplanten Änderungen des hessischen Jagdrechts und um das Fehlen des Wirtschafts- und Verkehrsministers beim Spatenstich zum Ausbau des Frankfurter Flughafens.

Abstimmung über Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten

Mit seiner Regierungserklärung setzte Ministerpräsident Volker Bouffier die derzeitige Flüchtlingssituation in Hessen ganz nach oben auf die Tagesordnung. Das Hessen und Deutschland dieser Tage zeichnet sich durch eine große Anteilnahme und Hilfsbereitschaft eines weit überwiegenden Teiles der Bürgerinnen und Bürger aus. Diesbezüglich stimmen wir mit der Analyse des Ministerpräsidenten ohne Zweifel überein: „Hessen handelt!“. Auch die politischen Entscheidungsträger handeln – aus unserer Sicht bemüht, aber zu zögerlich die hessische Landesregierung, viel zu spät und kopflos die Bundesregierung.

In seiner Rede unterzog Florian Rentsch das Handeln beider Regierungen einer ehrlichen Analyse und machte auf die erheblichen Fehler, die derzeit im Land, vor allem aber im Bund, gemacht werden, aufmerksam: So hat auf Bundesebene vor allem das BAMF, das dem Bundesinnenminister untersteht, in den vergangenen Monaten vollständig versagt: Obwohl die steigenden Flüchtlingszahlen lange absehbar waren, entsprechende Prognosen im Bundesamt vorlagen, wurden keinerlei personelle und organisatorische Vorkehrungen getroffen. Diese fahrlässige Untätigkeit müssen nun die Bundesländer, die Städte und Gemeinden ausbaden.

  • Dank der Großen Koalition in Berlin gibt es auch weiterhin kein echtes Einwanderungsgesetz, welches den Druck derer, die sich aussichtslos in ein Asylverfahren begeben, weil sie – nachvollziehbarer Weise – wirtschaftlicher Armut bspw. auf dem Balkan entkommen wollen, aus dem System nehmen könnte.
  • Die Kanzlerin höchst persönlich hat den Bruch europäischen Rechts zu verantworten, der zur aktuellen Situation erheblich beigetragen hat. Dabei ist es durchaus nachvollziehbar, die gescheiterte Dublin-Verordnung in Zweifel zu ziehen. Auch wir haben die Untauglichkeit bereits vor über anderthalb Jahren festgestellt und einen europäischen Verteilungsschlüssel gefordert – aber ein Aussetzen von geltenden Regeln ohne eine neue, europäische Lösung verhandelt zu haben, konnte nicht funktionieren und ist ein hegemoniales Gebaren, was Deutschland in seiner jüngeren europäischen Historie eigentlich stets fremd war.
  • In Hessen springt die Landesregierung bei der Integration und Sprachförderung von Asylbewerbern zu kurz – anders als beispielsweise in Bayern wird das so genannte IntEA-Programm nicht auch für junge Flüchtlinge über 18 Jahren angeboten. Eine unwahrscheinlich große Gruppe wird damit faktisch von der Nachholung der Schulbildung, die sie wegen ihrer Flucht verloren haben, ausgeschlossen.
  • Die Grünen blockieren aus ideologischen Gründen die dringend notwendige Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten im Bundesrat. Dabei ist es sowohl hinsichtlich unserer Aufnahmekapazitäten als auch für die Betroffenen selbst unerlässlich, diejenigen, die ohne Chancen auf Anerkennung auf Asyl zu uns kommen, schnellstmöglich wieder in ihre Heimatländer zurückzuführen und keine falschen Hoffnungen zu schüren.

Mit einem Antrag haben wir bereits Anfang September auf diese Missstände hingewiesen und Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt. Wir haben den Landtag dazu aufgefordert, sich für eine Beschleunigung der Asylverfahren, eine gesteuerte Einwanderung und Integration der Flüchtlinge sowie auf Bundesebene über eine Initiative im Bundesrat für eine Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten auf Albanien, Montenegro und das Kosovo einzusetzen.

Obwohl CDU und SPD in Berlin im Rahmen des Maßnahmenpakets zur Asylpolitik mittlerweile bereits eine Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten vereinbart haben, haben die hessischen Unions-Abgeordneten in einer namentlichen Abstimmung bei diesem Punkt gekniffen und gegen unseren Antrag gestimmt – und das nur, um den Grünen innerparteilich den Rücken für ihre Landesmitgliederversammlung am Wochenende nach der Plenarsitzung freizuhalten. Es ist bedauerlich, dass die Union in dieser weiteren „Sternstunde“ ihre Parteiinteressen wieder einmal klar über die Sachfrage stellte. Wir sind gespannt, wie sich Schwarz-Grün diesbezüglich in nächster Zukunft verhalten wird.

Hände weg von der Jagdverordnung!

Pünktlich zum Start der Sommerferien haben Hessens Jagdverbände Post von Umweltministerin Prika Hinz bekommen. Darin enthalten: Ein Entwurf zur Änderung der hessischen Jagdverordnung. Für Hessens Jäger ein Schlag ins Gesicht, denn im Rahmen des schwarz-grünen Koalitionsvertrages wurde ihnen einst das Versprechen gegeben, die Rechtslage bleibe in der bestehenden Form unangetastet. Schließlich haben wir erst in der vergangenen Legislaturperiode gemeinsam mit der CDU das hessische Jagdrecht in enger Absprache mit den beteiligten Parteien, Verbänden und Institutionen umfangreich angepasst.

Dennoch: Schwarz-Grün plant Änderungen an der Rechtslage. Diese folgen aus unserer Sicht jedoch rein koalitionstaktischen und ideologischen Erwägungen und orientieren sich nicht länger an sachlichen Argumenten. So sollen auf dem Wege der Verordnung die Zeiten der Bejagung immer weiter verändert und auch massive Einschränkungen vorgenommen werden, die die Jägerschaft immens belasten werden. Gleichzeitig unterstellen die geplanten Änderungen den Jägern, dass sie den Tierschutz nicht beachten. Ein Misstrauensvotum gegenüber der Jägerschaft in Hessen, das nicht zu rechtfertigen ist.

Es sind die Jägerinnen und Jäger, die bei Wildunfällen auch nachts zum Unfallort kommen und für Schäden an landwirtschaftlichen Flächen aufkommen. Sie sind es auch, die die Hege und Pflege in ihrem Revier übernehmen. Das Recht auf Privatjagd steht dem Eigentümer von Grund und Boden zu und es ist mit dem Eigentum an Grund und Boden untrennbar verbunden.

Wir glauben nicht, dass es ein Zufall ist, dass das Hessische Umweltministerium den Entwurf für die geplante Jagdverordnung pünktlich zum Start der Sommerferien an die Verbände gesendet hat. Offenbar wollte Ministerin Hinz mit diesem Trick den Protest seitens der hessischen Jäger möglichst klein halten. Wie die Jäger wollen auch wir verhindern, dass in Hessen bald eine der – laut des LJV – ‚schlechtesten Jagdverordnungen Deutschlands‘ gilt und haben die Landesregierung aufgefordert, die Hessische Jagdverordnung unangetastet zu lassen. Gemeinsam mit der SPD-Fraktion haben wir im Anschluss an die Plenar-Debatte eine Anhörung zur Novelle der Jagdverordnung im Umweltausschuss beantragt.

Spatenstich Terminal 3: Peinliche „Terminkollision“ bei Al-Wazir

Am 5. Oktober ist Spatenstich für das neue Terminal 3 des Frankfurter Flughafens. Und wer hat vor, nicht dabei zu sein? Tarek Al-Wazir.

Wegen einer „Terminkollision“ ist es dem Hessischen Wirtschafts- und Verkehrsminister angeblich nicht möglich, beim Startschuss für eines der größten Investitionsvorhaben in der jüngeren hessischen Geschichte in Frankfurt dabei sein. Dass er in der Vergangenheit stets Zeit gefunden hat, an Anti-Lärm-Demos teilzunehmen, jetzt jedoch den Hessischen Ministerpräsidenten und seinen Staatssekretär vorschickt, ist für die Tausenden Arbeitnehmer am Flughafen ein Schlag ins Gesicht und sagt viel über die Geisteshaltung des grünen Politikers aus: Die Absage der Veranstaltung ist somit nur ein weiterer Ausdruck seines ideologischen Kampfes gegen den Frankfurter Flughafen. Weil wir über dieses Verhalten des Hessischen Wirtschafts- und Verkehrsministers nicht einfach hinwegsehen wollen, haben wir seine geplante Abwesenheit beim Spatenstich zum Thema unserer Aktuellen Stunde gemacht.

Schlechtester Schuljahresstart seit mindestens sechs Jahren

Keine drei Wochen ist das Schuljahr erst alt, ist eins ganz offensichtlich: Der Steinbruch „Gymnasiale Bildung“ ist eröffnet. Der viel gelobte Pakt für den Nachmittag entpuppt ist eine reine Mogelpackung.

Nach 5 Jahren stetigen Zuwachses begann das Schuljahr 2015/2016 – das erste unter voller Verantwortung von Schwarz-Grün – mit deutlichen Stellenkürzungen. Und diese gehen vor allem zulasten der gymnasialen Bildung und der Grundschulen. Zur Organisation des sogenannten Pakts für den Nachmittag an einigen ausgewählten Schulen hat die Landesregierung allein 150 Lehrerstellen aus dem Unterricht an Grundschulen abgezogen. Weitere 160 Stellen hat sie den Oberstufen an den Gymnasien genommen. Und das ist erst der Anfang. Doch in der für nach den Sommerferien obligatorischen, diesmal jedoch von der Opposition angezettelten Bildungsdebatte, versuchten Lorz und seine Koalitionskollegen die Realität zu vertuschen und schönzureden. Doch das hilft Hessens Schulen definitiv nicht!

In seiner Rede rechnete Wolfgang Greilich mit Schwarz-Grün ab: Wenn durch die Maßnahmen der Landesregierung beispielsweise ein Oberstufengymnasium sechs Prozent seiner Lehrer verliert, dann bricht die Koalition nicht nur ihr Versprechen, die von den FDP-Kultusministerinnen geschaffene Lehrerversorgung von durchschnittlich 104 Prozent aufrechtzuerhalten, sondern drückt die Versorgung in diesen Schulen auf unter 100 Prozent. Entsprechend forderte er die Landesregierung auf, die Stellenkürzungen im Sinne der hessischen Schülerinnen und Schüler sofort zurückzunehmen und die geplanten weiteren Kürzungen für die nächsten beiden Schuljahre zu unterlassen.

Kein Haushalt auf Kosten der kommenden Generation

Ein weiterer wichtiger Tagesordnungspunkt dieser Plenarwoche war der Haushalt für 2016. Obwohl Finanzminister Thomas Schäfer Mehreinnahmen von 1,4 Milliarden zur Verfügung stehen, will er das Land mit weiteren 588 Millionen Euro Schulden belasten. Aus unserer Sicht ist dieses Vorgehen nicht nachvollziehbar und zeigt, dass Schwarz-Grün den Konsolidierungspfad der schwarz-gelben Vorgängerregierung längst aufgegeben hat und die inhaltlichen Differenzen mit Geld zuschüttet. In dieser goldenen Zeit, in der die Steuereinnahmen unerwartet hoch sprudeln, fehlt eindeutig der Druck, den Landeshaushalt zu konsolidieren. Stattdessen setzt Schäfer weiter auf das Prinzip Hoffnung und davon aus, dass diese Rekordeinnahmen unverändert auch in den Jahren 2017, 2018 und 2019 weiter sprudeln.

In seiner Rede warnte Jörg-Uwe Hahn eindringlich davor, mit einem Bruch der Schuldenbremse zu kokettieren und plädierte und machte dabei auf eine Ungereimtheit aufmerksam: Offensichtlich versickern im Landeshaushalt rund 600 Millionen Euro, mit denen man einen großen Schritt hin zur Schwarzen Null machen könnte. Selbst wenn man die Mehrausgaben für den Länderfinanzausgleich, den Kommunalen Finanzausgleich, die Flüchtlinge und die höhere Besoldung mit einberechnet, bleiben rund 735 Millionen Euro an Haushaltsverbesserungen, von denen nur 142 Millionen in die Senkung der Neuverschuldung fließen.