Von Hessen nach Europa

24.05.2019

Die vergangene Sitzungswoche war von zahlreichen Ereignissen, auch über Hessens Grenzen hinweg, geprägt: So feierte der Hessische Landtag am Donnerstag den 70. Jahrestag des Inkrafttretens des Grundgesetzes und debattierte anlässlich der in dieser Woche stattfindenden Europawahlen gleich mehrmals über die Zukunft der Staatengemeinschaft und ihre Bedeutung für Hessen. Schließlich wurde Bad Hersfeld eine wertvolle Rolle in Wiesbaden zugeschrieben. Anlässlich des bevorstehenden Hessentags waren der Bürgermeister der Stadt und das Hessenstagspaar zu Gast, um die Abgeordneten auf die Feierlichkeiten einzustimmen. Doch die gute Stimmung war spätestens mit der Einbringung des Nachtragshaushalts dahin.

Hessen braucht ein starkes Europa

Die Wahlen zum EU-Parlament sind auch eine Abstimmung über die Zukunft der Staatengemeinschaft. Vor diesem Hintergrund hob Europaministerin Lucia Puttrich im Rahmen ihrer Regierungserklärung am Dienstag die Bedeutung der in Brüssel und Straßburg getroffenen Entscheidungen für Hessen hervor und rief die hessischen Bürgerinnen und Bürger zur Teilnahme an der Wahl auf.

„Um seine wirtschaftliche Stärke zu halten und den gesellschaftlichen Zusammenhalt weiter zu verbessern, braucht Hessen ein starkes Europa“, betonte auch FDP-Europapolitiker Oliver Stirböck in der sich anschließenden Debatte. Mehr als andere Regionen in Europa profitiere Hessen vom gemeinsamen Binnenmarkt und der gemeinsamen Währung – und das nicht nur wegen des Flughafens und des Finanzplatzes Frankfurt. Die Freien Demokraten formulieren deshalb erneut die Forderung nach einer Vollendung des Binnenmarktes einschließlich des digitalen Binnenmarktes. Es sei eine Grundvoraussetzung, um die Chancen der Bürger auf Wohlstand, Teilhabe und Selbstverwirklichung zu erhalten und weiter zu verbessern. Darüber hinaus sprach sich die Fraktion für die Ablehnung sämtlicher Maßnahmen, die geeignet seien, die Europäische Union in eine Transferunion zu verwandeln, aus.

 

Bouffier muss CO2-Steuer verhindern

Ein den Europawahlkampf prägendes Thema ist der Klimaschutz. Dabei wird immer wieder die Einführung einer CO2-Steuer diskutiert. Ziel einer solchen Steuer ist es, die CO2-Emissionen zu verteuern und dadurch zu reduzieren. Die Freien Demokraten sehen darin reine Symbolpolitik statt ein geeignetes Instrument, um den Klimaschutz voranzubringen. In der von seiner Fraktion beantragten Debatte forderte René Rock die schwarz-grüne Landesregierung, die sich in dieser Frage uneins ist, dazu auf, die Einführung einer CO2-Steuer zu verhindern: „Eine CO2-Steuer schützt das Klima nicht. Sie ist nichts anderes als eine Steuererhöhung. Obwohl wir in Deutschland europaweit die höchsten Energiepreise zahlen, gehen die CO2-Emissionen nicht zurück.“ Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall: In Hessen steigen die CO2- Emissionen sogar an, seit 2014 kontinuierlich um drei Millionen Tonnen.

Um eine Reduktion der CO2-Emissionen zu erreichen, wollen die Freien Demokraten den EU-Emissionshandel stärken und auf die Sektoren Verkehr, Wohnen und Landwirtschaft ausweiten. Das System erfasst derzeit 45 Prozent der Emissionen in 31 europäischen Ländern. Auch in Asien und Nordamerika fassen Emissionshandelssysteme Fuß. Das System beruht auf dem Handel mit CO2-Zertifikaten und schreibt eine Obergrenze für Emissionen fest, die schrittweise abgesenkt wird. Energieexperte Rock ist vom Emissionshandel vor allem deshalb überzeugt, weil Emissionen einen Preis erhalten und auf diese Weise der Anreiz geschaffen werde, Emissionen zu senken. „Der Ausstoß der in diesem System erfassten Branchen und Sektoren geht planmäßig zurück. Es doch nur klug, dass wir diesen Ansatz ausbauen, wenn wir das Klima effektiv schützen wollen“, betonte Rock und forderte Ministerpräsident Bouffier auf, der sich gegen eine CO2-Steuer ausgesprochen hatte, seine Haltung auch gegenüber dem Koalitionspartner durchzusetzen. Schließlich forderten die Freien Demokraten die Landesregierung auf, sich im Bundesrat klar gegen eine solche Steuer zu positionieren.

 

Schwarz-Grün ist auf dem Holzweg

In ihrem Koalitionsvertrag hat die schwarz-grüne Landesregierung festgelegt, weitere Flächen des hessischen Staatswaldes aus der wirtschaftlichen Nutzung zu nehmen und sie dauerhaft ihrer natürlichen Entwicklung überlassen zu wollen. Dabei sind sich Experten einig, dass eine Flächenstilllegung ökologische Nachteile mit sich bringt. So haben wissenschaftliche Studien, die im Auftrag des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft und Verbraucherschutz durchgeführt wurden, gezeigt, dass eine Nichtbewirtschaftung negative Auswirkungen auf die Artenvielfalt hat.

Ohnehin sind Hessens Wälder zuletzt heftig in Mitleidenschaft gezogen worden: Orkan Friederike hat im vorvergangenen Jahr vielerorts für schwere Schäden gesorgt, die Hitzeperiode im vergangenen Sommer mit geringen Niederschlägen hat zu extremer Trockenheit geführt und nun greift der Borkenkäfer die geplagten Bäume an. „Es besteht die Gefahr, dass nicht mehr bewirtschaftete Standorte zu Brutstätten von Baumschädlingen werden. Diese ideologisch motivierte Politik muss ein Ende haben. Sie sorgt für eine verminderte Verfügbarkeit des wichtigen heimischen Rohstoffes Holz“, so FDP-Forstpolitikerin Wiebke Knell. Ihre Fraktion legte dem Landtag in dieser Woche einen Antrag für einen ‚Pakt für den Wald‘ vor. Dieser Pakt hat einen arten- und strukturreichen Mischwald mit hoher Biodiversität zum Ziel und soll unter wissenschaftlicher Begleitung durch Fachinstitute des Forstwesens und unter Einbeziehung der betroffenen Fachgruppen ökologische, ökonomische und soziale Aspekte berücksichtigen. Auf diese Weise könne der Forst- und Holzsektor, der insbesondere für die Wirtschaftskraft des ländlichen Raumes eine enorme Bedeutung hat, gestärkt und der Wald nachhaltig geschützt werden.

 

Landesregierung verpasst Chancen für Hessens Zukunft

Nachdem im Januar dieses Jahres eine neue Wahlperiode begonnen und die neue alte schwarz-grüne Landesregierung ihre Arbeit aufgenommen hat, sollte der Hessische Landtag in dieser Woche über den von ihr vorgelegten Nachtragshaushalt beraten. Darin enthalten sind die Ausgaben des Landes, die beispielsweise durch Umstrukturierungen oder die Einrichtung des neuen Digitalministeriums bei den Beratungen im vergangenen Jahr nicht absehbar gewesen waren.

„Dieser Nachtragshaushalt ist ein Dokument des Stillstands und der Einfallslosigkeit“, bilanzierte Marion Schardt-Sauer anlässlich der ersten Lesung. „Statt Investitionen in die Zukunft zu tätigen, wird der ministeriale Apparat weiter aufgebläht. Der seit Jahren unverantwortliche Kurs der Landesregierung, Mehrausgaben zu schaffen, wird ungehemmt fortgesetzt“, kritisierte die haushaltspolitische Sprecherin der Freien Demokraten. Mehr Lehramtsreferendare, mehr Anwärter für die Finanzverwaltung, mehr Wachpolizisten – mit mehreren Millionen Euro aus dem Nachtragshaushalt will die Landesregierung knapp 1.000 zusätzliche Stellen im öffentlichen Dienst schaffen. Auch für Schardt-Sauer besteht kein Zweifel daran, dass zusätzliche Stellen im Bereich der Polizei, bei Hessen Mobil wie auch weitere Ausbildungsplätze richtig sind, es sei jedoch fraglich, ob beispielsweise die von Schwarz-Grün vorgesehenen Stellen zur Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes notwendig seien. Dies will sie in den weiteren Haushaltsberatungen kritisch hinterfragen. Schließlich mahnte Schardt-Sauer auch an, dass die Schuldentilgung nicht vorangebracht werde: „Der Finanzminister hat die Chance verpasst, mehr als nur die bisher vorgesehenen 100 Millionen Euro zur Tilgung der Altschulden zu verankern.“ Wie in früheren Haushaltsberatungen auch, verwiesen die Freien Demokraten darauf, dass Hessen endlich einen ambitionierten Tilgungsplan brauche, um langfristig Gestaltungsspielräume zu schaffen und zu erhalten.

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