Von Generation zu Generation

02.06.2017

Die vergangene Sitzungswoche des Hessischen Landtags startete sehr viel munterer als sonst: traditionsgemäß waren das Hessentagspaar und der Bürgermeister der Hessentagsstadt – in diesem Jahr Rüsselsheim – zu Gast. Weniger munter ging es jedoch bei den Debatten danach zu, denn die Abgeordneten diskutierten über alle Generationen: über frühkindliche Bildung, über die Belastungssituation der hessischen Lehrkräfte und über die Herausforderungen in der Seniorenpolitik.

Landesregierung muss „maaslosen Maulkorb“ stoppen

Freiheit geht oft schleichend verloren – so begeht Bundesjustizminister Heiko Maas aktuell wider besseren Wissens Verfassungsbruch. Mit seinem Entwurf eines Netzdurchsetzungsgesetzes will er Hasskommentare und strafbare Falschnachrichten in sozialen Netzwerken bekämpfen, indem er die Betreiber zu privaten Schiedsinstanzen mit weitreichenden Entscheidungsbefugnissen macht. Das Gesetz würde nicht nur dazu führen, dass das übermäßige Löschen von beanstandeten Inhalten befördert und die Meinungsfreiheit verletzt würde – vor allem würde es gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoßen. „Die Feststellung  der Rechtswidrigkeit von Hasskommentaren und Falschnachrichten ist eine originär staatliche Aufgabe und kann nicht auf private Anbieter abgewälzt werden“, hob Nicola Beer in ihrer Rede im Rahmen der von der FDP-Fraktion beantragten Aktuellen Stunde zu diesem Thema hervor. Vor diesem Hintergrund forderte sie die hessische Landesregierung auf, „dem Verfassungsbruch“ konsequent entgegenzutreten und den Gesetzentwurf im Bundesrat abzulehnen: „Dieser unsägliche Entwurf muss gestoppt werden. Die aktuell vollkommen überhastete Beratung ist der Bedeutung des Themas keineswegs angemessen“, verlangte Beer. Um Hasskommentare und strafbare Falschnachrichten in sozialen Netzwerken effektiv zu bekämpfen, forderte sie eine bessere Ausstattung für Polizei und Justiz, so dass diese schnell und wirksam auf Strafrechtsverstöße reagieren könnten. Zusammen mit den Jugendschutzstellen seien die Landesmedienanstalten hervorragend geeignet, auf eine zügige Löschung strafbarer Inhalte hinzuwirken.

 

Beste Startchancen für die Kleinen durch ein hochwertiges Betreuungs- und Bildungsangebot schaffen

Auf Antrag der SPD-Fraktion diskutierte der Landtag am Mittwochmorgen über den Ausbau der frühkindlichen Bildung und Betreuung in Hessen. Während die Sozialdemokraten einen Rechtanspruch auf einen Kita-Platz sowie die Abschaffung der Elternbeiträge und die Aufstockung der Landesmittel  für die Betriebskosten der Kitas forderten, warnte der sozialpolitische Sprecher und Vorsitzende der FDP-Fraktion René Rock davor, mehrere Schritte auf einmal tun zu wollen. „Wir möchten erreichen, dass alle Kinder die besten Startchancen bekommen – deshalb ist es unsere gesamtgesellschaftliche Aufgabe, ein bedarfsgerechtes, qualitativ hochwertiges und am Kindeswohl orientiertes Betreuungs- und Bildungsangebot bereitzustellen. Es steht für uns außer Frage, dass dieses für Eltern auf Dauer kostenfrei sein sollte“, verdeutlichte er. „Das Zusammenspiel der passgenauen Angebote der frühkindlichen Bildung und einer grundlegenden beziehungsvollen Pflege und Betreuung, die das Kind in den Mittelpunkt stellt, muss gewährleistet sein“, so Rock. Derzeit mangelt es den hessischen Kitas als Einrichtungen der frühkindlichen Bildung jedoch an den richtigen Rahmenbedingungen und notwendigen Ressourcen. Nach wie vor herrscht ein Mangel an qualifizierten pädagogischen Fachkräften. „Hier müssen wir alles daran setzen, um die bestmöglichen Fachkräfte für unsere Kinder zu gewinnen“, forderte Rock und appellierte an die Landesregierung, endlich die Grundvoraussetzungen für eine schrittweise finanzielle Entlastung von Eltern und Kommunen zu schaffen.

 

Belastung der Schulen und Lehrkräfte

Vor einigen Wochen bereits hatte die FDP-Landtagsfraktion auf die stetig steigenden Belastungen der Lehrer an Hessens Schulen aufmerksam gemacht.  So wachsen die Herausforderungen nicht nur durch die zunehmende Heterogenität sondern auch durch die Erwartungen, Ansprüche und Anforderungen, etwa durch die Übertragung von weiteren Erziehungsaufgaben an die Schulen, durch Eltern, durch potentielle Arbeitgeber und weiterführende Bildungseinrichtungen, und auch durch Politik und Gesellschaft. Dieses Bild wurde zu Beginn der vergangenen Woche durch die Veröffentlichung einer Forsa-Umfrage im Auftrag des Verbands Erziehung und Wissenschaft zur Inklusion untermauert. Sie zeigte ein eindeutiges Bild:  97 Prozent der befragten Lehrer sprechen sich dafür aus, auch bei Einrichtung eines inklusiven Schulsystems die bisherigen Förder- und Sonderschulen alle (59 Prozent) oder mindestens teilweise (38 Prozent) zu erhalten. Nur 2 Prozent halten Förder- und Sonderschulen hingegen perspektivisch für entbehrlich.

„Die schwarz-grüne Landesregierung wäre gut beraten, würde sie den Weckruf aus den Schulen und von immer mehr Lehrern und Lehrerinnen endlich ernst nehmen“, mahnte der bildungspolitische Sprecher der Freien Demokraten Wolfgang Greilich zu Beginn der von seiner Fraktion beantragten Debatte an. „Es geht hierbei um nicht weniger als um die permanente Überlastung der Lehrkräfte, die kaum noch Raum für die notwendige individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler lässt. Damit ist auch klar: Unser gemeinsames Ziel der bestmöglichen Förderung jedes einzelnen Kindes erreichen wir nur, wenn wir die ausreichende Hinterlegung mit Ressourcen schaffen“, forderte Greilich mit Blick auf mehrere Anfragen der Opposition. Diese hatten ergeben, dass die notwendigen Ressourcen momentan nicht vorhanden seien, was die Landesregierung mit ihrem Konzept zur Gewinnung von Lehrkräften unübersehlich bestätigt hatte. Solange die entsprechenden Ressourcen nicht ausreichen, könne Inklusion nicht vollständig umgesetzt werden, verlangte Greilich: „Wir müssen eingestehen, dass die zur Umsetzung der Inklusion notwendigen Ressourcen derzeit weder vorhanden sind noch kurzfristig geschaffen werden können. Die schwarz-grüne Landesregierung darf in diesem wichtigen und sensiblen Bereich nicht weiter auf bloße Luftschlösser setzen, sondern muss die Realitäten klar benennen. Werden die notwendigen Ressourcen nicht zur Verfügung gestellt, werden alle Schüler die Verlierer sein.“ Schließlich forderte er den Erhalt von Förderschulen, um eine bestmögliche Förderung eines jeden Kindes gewährleisten zu können.

 

Herausforderungen durch alternde Gesellschaft meistern

Einen „neuen Blick auf das Alter“ wollte Hessens Sozialminister – selbst 60 Jahre alt und nach eigener Aussage noch längst kein Senior – werfen und gleich die „passenden Antworten“ auf die aktuellen Herausforderungen in der Seniorenpolitik liefern. Zumindest versprach das der Titel seiner Regierungserklärung, die er am vergangenen Dienstag im Hessischen Landtag zu Protokoll gab. Schnell war klar, dass Grüttner (in diesem Fall ganz folgerichtig) von sich auf andere schließt und die heutige Generation der Rentner als sehr aktive und gesunde Bevölkerungsgruppe betrachtet. Leider hat er dabei jedoch den Blick auf die gesamte Gesellschaft verloren, wie der sozialpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, René Rock, in der anschließenden Debatte kritisierte: „Der gesellschaftliche Wandel ist derzeit noch nicht in allen Bereichen angekommen, doch die harte Realität der demografischen Veränderungen wird diesen Wandel beschleunigen und die veralteten Strukturen aufbrechen. Dies wird absehbar zu erheblichen Veränderungen führen: So werden ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer künftig wertvoll und gefragt sein wie nie zuvor.“ Um den Anteil der Seniorinnen und Senioren, die noch über die Regelaltersgrenze hinaus dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, zu erhöhen, forderte Rock die Schaffung entsprechend flexiblerer Rahmenbedingungen im Arbeitsmarkt.

Mit Blick auf die wachsende Zahl der alten und kranken Menschen in Hessen erinnerte Rock an die Herausforderungen in der Versorgung von Pflegebedürftigen und verlangte mehr Einsatz vom Land für den Ausbau und zur Förderung ambulanter Dienste: „Die Statistik zeigt uns, dass aktuell Dreiviertel der pflegebedürftigen Menschen zu Hause von ihren Angehörigen gepflegt werden. Für die Pflegenden bedeutet das häufig eine immense Belastung – erst recht, wenn sie dazu noch berufstätig sind. Ein vielfältiges, nachfrageorientiertes Angebot können wir jedoch nur erreichen, wenn wir die privaten Anbieter mit ins Boot holen und den Wust an Bürokratie, den sie aktuell zu bewältigen haben, eindämmen und den Papier- und Formularkrieg endlich auf ein absolutes Minimum beschränken.“