ROCK/FAESER: Schwarz-grüner Schattenhaushalt ist verfassungswidrig

  • Klage vor dem Hessischen Staatsgerichtshof
  • Schuldenbremse de facto ausgehebelt
  • Corona-Bezug muss gegeben sein

WIESBADEN – Die Fraktionen von SPD und Freien Demokraten im Hessischen Landtag haben beschlossen, vor dem Hessischen Staatsgerichtshof gegen den von der schwarz-grünen Landesregierung eingerichteten Schattenhaushalt sowie gegen die Ermächtigung zur Aufnahme von zwölf Milliarden Euro neuen Schulden bis 2023 zu klagen. Das haben die Fraktionsvorsitzenden Nancy Faeser (SPD) und René Rock (Freie Demokraten) heute in Wiesbaden mitgeteilt. Die Fraktionen sehen sich in ihrer politischen Einschätzung, dass das Vorgehen der Landesregierung zur finanziellen Bewältigung der Folgen der Corona-Krise unrechtmäßig war, nun auch juristisch bestätigt: Ihnen liegt ein Gutachten vor, mit dessen Erstellung sie Professor Dr. Christoph Gröpl von der Universität des Saarlandes in Saarbrücken beauftragt hatten.

Professor Gröpl kommt in diesem Gutachten zu dem Schluss, dass die Errichtung und die Ausgestaltung des „Sondervermögens“ in der vorliegenden Form verfassungswidrig sind. Er erklärt: „Indem das ‚Sondervermögen‘ über einen Zeitraum von dreieinhalb Jahren am hessischen Kernhaushalt vorbei Ausgaben leisten darf, wird das Plenum des Hessischen Landtags unzulässigerweise von der jährlichen Bewilligung und Kontrolle dieser Finanzmittel ausgeschlossen.“ Eine Beteiligung des Haushaltsausschusses reiche nicht aus. „Die Corona-Krise kann schwerwiegende Beeinträchtigungen zentraler Haushaltsgrundsätze zum Schutz des parlamentarischen Budgetrechts und der demokratischen Selbstbestimmung des Volkes nicht rechtfertigen“, sagt Professor Gröpl und weist zudem darauf hin, dass der 2. Nachtrag in Zusammenhang mit dem Gute-Zukunft-Sicherungsgesetz nicht den Anforderungen einer Notlagenverschuldung gerecht wird. „Denn diese muss auch unmittelbar durch eine Notlage oder deren unmittelbaren Folgen veranlasst sein“, macht Professor Gröpl klar. Insoweit seien diese Gesetze jedenfalls zum Teil verfassungswidrig.

Die Fraktionsvorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Nancy Faeser, sieht sich in ihrer Haltung, dass das Vorgehen von Schwarz-Grün verfassungswidrig ist, bestätigt. „Um einen milliardenschweren Schattenhaushalt mit der Brechstange durchzudrücken, haben CDU und Grüne die Verfassung gebrochen. Diese Arroganz der Macht hat schwerwiegende Folgen. Denn mit diesem Manöver hat die schwarz-grüne Landesregierung dem Parlamentarismus in Hessen schweren Schaden zugefügt“, erklärt Faeser. Sie bedaure nach wie vor, dass CDU und Grüne zu keinem Kompromiss mit SPD und Freien Demokraten bereit waren und das Angebot, gemeinsam einen verfassungsrechtlich sauberen Weg zu gehen, mit politischer Brutalität ausgeschlagen hatten. „Die Alternativen lagen auf dem Tisch. Es hätte auch andere Wege gegeben, in der Krise zu helfen. Den 1. Nachtragshaushalt haben wir gemeinsam verabschiedet, und das wäre uns auch ein weiteres Mal gelungen. Meine Fraktion und die der Freien Demokraten hatten einen weiteren umfangreichen Nachtragshaushalt vorgelegt, um zielgenau helfen zu können. Aber Schwarz-Grün hat sich bewusst dazu entschieden, die Rechte des Parlaments zu missachten und die Finanzierung der Corona-Hilfen nicht mit einem parteiübergreifenden Konsens zu lösen“, so die SPD-Fraktionsvorsitzende.

René Rock zeigt sich erleichtert, dass das sogenannte Sondervermögen laut dem Gutachter auch aufgrund seines Zustandekommens unwirksam ist, weil die Aufhebung der Zwei-Drittel-Mehrheit für Ausnahmen von der Schuldenbremse mit Zwei-Drittel-Mehrheit hätten erfolgen müssen. „Die Landesregierung hat die Schuldenbremse im Jahr 2020, in dem sie erst in Kraft treten sollte, nicht nur bis 2024 außer Kraft gesetzt, sondern de facto abgeschafft und so ausgehöhlt, dass sie nicht mehr zu erkennen ist. Das ist die unambitionierteste Schuldenbremse in ganz Deutschland“, betont Rock. „Dabei ignoriert die Landesregierung, dass Schulden die verbrauchten Chancen der jungen Generation sind und daher besonders gut begründet werden müssen.“ Er ergänzt: „Wir Freie Demokraten sehen uns durch das Gutachten auch darin bestätigt, dass – vereinfacht ausgedrückt – ein Corona-Bezug gegeben sein muss. Ökolandbau, energetische Sanierung von Forsthäusern und Fahrradabstellanlagen haben mit Corona absolut nichts zu tun und fallen im Corona-Check durch“, sagt Rock und führt aus: „Wir bleiben dabei, dass auch wir den von der Krise betroffenen Menschen helfen und Geld zur Bewältigung der Krisen-Folgen bereitstellen wollen. Dafür sind Nachtragshaushalte das richtige Instrument.“

Hinweise:

Die Untersuchung Gröpls trägt den Titel „Rechtsgutachten zur Vereinbarkeit des Zweiten Nachtragshaushaltsgesetzes 2020 des Landes Hessen in Verbindung mit dem Zweiten Artikel-141-Änderungsgesetz und dem Gesetz über das Sondervermögen ‚Hessens gute Zukunft sichern‘ mit haushaltsverfassungsrechtlichen Vorgaben“. Professor Christoph Gröpl ist ein ausgewiesener Kenner des Haushalts- und des Verfassungsrechts und hatte in der Vergangenheit vor allem bei Prozessen rund um die Verfassungsmäßigkeit von öffentlichen Haushalten Erfolge erzielt. Er hat unter anderem für den Hessischen Landesrechnungshof sowie für den Bund der Steuerzahler zum aktuellen Bundeshaushalt Gutachten erstellt. Ebenso war er als Prozessbevollmächtigter in Fragen des Landeshaushaltsrechts in Nordrhein-Westfalen erfolgreich.