Schwarz-Grün muss endlich Schritt halten

01.09.2017

Dass in der ersten Regierungserklärung nach den Sommerferien ein Ausblick auf das anstehende Schuljahr gegeben wird, war im Hessischen Landtag seit Jahrzehnten eine feste Tradition. Offensichtlich wollten CDU und Grüne das Thema Bildung jedoch aufgrund der schwierigen Situation an Hessens Schulen rund vier Wochen vor der Bundestagswahl aber lieber unter den Tisch fallen lassen. Denn die inhaltlich dünne und wenig ambitionierte Regierungserklärung von Verkehrsminister Al-Wazir zum Ausbau der E-Mobilität und Radwegen konnte sicherlich nicht rechtfertigen, dass die Zukunft der hessischen Schülerinnen und Schüler von der Agenda verbannt werde sollte.

Schwarz-grüne Bildungspolitik: Keinen Schritt voran gekommen

Mit ihrem Setzpunkt zur Bildungspolitik haben die Freien Demokraten im Hessischen Landtag dafür gesorgt, dass es CDU und Grünen nicht gelingt, sich der Debatte über die aktuellen Probleme an Hessens Schulen zu entziehen. Denn zum Schuljahresstart ist die Situation an Hessens Schulen alles andere als gut: Es mangelt an Lehrern und gleichzeitig belastet der Kultusminister die Schulen mit immer neuen Aufgaben. Und die Situation wird sich im neuen Schuljahr sogar weiter verschärfen, wenn die Landesregierung nicht endlich die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellt. „Da die vorhandenen Stellen und Mittel absehbar bei weitem nicht ausreichen werden, um Inklusion und Integration sinnvoll und vor allem im Sinne aller Schüler umzusetzen, läuft die Landesregierung in der Schulpolitik sehenden Auges vor die Wand“, verdeutlichte Wolfgang Greilich zu Beginn der Debatte. Er forderte CDU und Grüne auf, die drastischen Schilderungen aus der Schulpraxis endlich ernst zu nehmen und die selbst verursachten Strukturprobleme aufzuheben. So dürfe nicht das Ziel der Schulpolitik eine möglichst hohe Inklusionsquote sein – vielmehr müsse es ausschließlich um die Frage gehen, was der beste Förderort für jedes Kind ist. „Wir stehen für eine Bildungspolitik ein, die sich klar am Kindeswohl orientiert. Deshalb fordern wir, dass ein flächendeckendes Angebot an Förderschulen erhalten bleibt, um eine bestmögliche Förderung eines jeden Kindes gewährleisten zu können“, so Greilich. Nach mehr als dreieinhalb Jahren schwarz-grüner Bildungspolitik konnte der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion nur ein mangelhaftes Zeugnis ausstellen: „Vom gescheiterten Bildungsgipfel über die ideologische Umsteuerung von Lehrerstellen bis hin zur größtenteils selbst verschuldeten Überlastungssituation an hessischen Schulen: Hessen als Bildungsland konnte keinen Schritt nach vorne machen.“

 

Gebührenfreie Kitas: Besser einen Schritt vor dem anderen machen

Mehr als deutlich zeigte sich in dieser Woche auch, dass die Freien Demokraten die einzige Fraktion im Hessischen Landtag sind, die auch die Rahmenbedingungen in Hessens Kindertagesstätten als bildungs- und nicht allein als familien- oder sozialpolitisches Thema begreifen. Überraschend hatte die schwarz-grüne Landesregierung in der vergangenen Woche angekündigt, ab August 2018 die Kita-Gebühren weitgehend abschaffen zu wollen. Dabei legte sie ein Konzept vor, dass an den aktuellen Herausforderungen gänzlich vorbeigeht. Denn wie eine erst kürzlich veröffentlichte Studie der Bertelsmann-Stiftung deutlich zeigte, fehlen allein in Hessen 23.000 Krippenplätze. Dabei ist nicht der Mangel an Räumlichkeiten das Hauptproblem, sondern der an pädagogischen Fachkräften. Um die Betreuung der Kinder sichern, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern und eine qualitativ gute Betreuung der Kinder gewährleisten zu können, werden knapp 7.500 pädagogische Fachkräfte in Vollzeit benötigt. „Auch für uns steht außer Frage, dass ein hochwertiges Betreuungs- und Bildungsangebot in den Kindertagesstätten für Eltern mittelfristig kostenfrei sein sollte. Jedoch ist für uns auch klar, dass diese Maßnahme nur dann zielführend sein kann, wenn zunächst überhaupt ausreichend Plätze vorhanden sind und vor allem eine qualitativ hochwertige Betreuung gewährleistet werden kann. Statt von sozialpolitischen Wahlgeschenken hätten die Eltern in Hessen stärker von einer echten bildungspolitischen Qualitätsoffensive für den Kita-Bereich profitiert“, stellte René Rock in der Debatte fest.

Die Freien Demokraten wollen die Qualität der Kinderbetreuung in den Mittelpunkt stellen und die Kitas zu wichtigen Einrichtungen der frühkindlichen Bildung ausbauen. Dabei sollen eine beziehungsvolle Betreuung und die individuelle Förderung und Begleitung der Kinder im Mittelpunkt stehen. „Wer wirklich Chancengerechtigkeit schaffen will, der muss unserer Meinung nach genau an diesem Punkt ansetzen – und eben nicht an der Beitragsfreiheit“, so Rock. „Wie wir wissen, fehlen aktuell Mittel in Höhe von mindestens 300 Millionen, um in den Einrichtungen Voraussetzungen zu schaffen, die den Kindern tatsächlich zugutekommen und den Familien wirklich helfen. All diese drängenden Probleme werden von der Landesregierung nicht mit der notwendigen Priorität angegangenen“, kritisierte Rock abschließend.

 

Zukunft der Mobilität: Zufußgehen allein bringt Hessen nicht voran

Statt wirklich wichtige Schritte in der Bildungspolitik zu gehen, nahm die schwarz-grüne Koalition diesmal ihre Regierungserklärung also zum Anlass, einen Ausblick auf die von ihr geplanten Maßnahmen für die Zukunft der Mobilität zu geben. Doch alles, was Verkehrsminister Al-Wazir ankündigte, waren weitere Millionen, die er in den Ausbau von E-Mobilität und Radwegen stecken möchte. Ein wirkliches Konzept hat er offenbar nicht vor Augen, was Jürgen Lenders in der sich anschließenden Debatte kritisierte. „Nicht der Staat soll entscheiden, wann und wie wir uns in Zukunft fortbewegen – was wir brauchen sind Innovationen und Technologieoffenheit. Wir müssen Mobilität in Hessen neu denken“, forderte Lenders. Der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Fraktion gab zu bedenken, dass man auch die Chancen der Digitalisierung in die Mobilitätsfragen einbeziehen müsse. „Wir sollten uns fragen, wie Hessen im Jahr 2030 aussehen wird: Wo werden die Menschen arbeiten und leben? Denn daraus leitet sich auch der Mobilitätsbedarf ab. Vielleicht pendeln dann nicht mehr jeden Tag 350.000 Menschen nach Frankfurt zur Arbeit, weil Home-Office, Video-Calling und dezentrale Workspaces das alte Konzept der Präsenzarbeit in zentral gelegenen Bürotürmen ergänzen.“ Lenders und seine Fraktion wollen Hessen zum Innovationsführer für die Mobilität der Zukunft machen. Um diese Ziele zu erreichen, fordern die Freien Demokraten die gezielte Förderung von Start-Ups und Gründern in diesem Bereich, mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung, eine Stärkung des House of Logistics and Mobility (HOLM) und eine Fokussierung der LOEWE-Forschungsförderung auf anwendungsbezogene Mobilitätsthemen.

 

Debatte um Diesel: Fahrverbote verhindern

Während sich Verkehrsminister Al-Wazir und Ministerpräsident Bouffier im Rahmen der Debatte über die Zukunft der Mobilität klar gegen ein Fahrverbot für Diesel in Hessen ausgesprochen haben, plant Umweltministerin Hinz im Hintergrund offenbar anderes. Schon seit Längerem forciert sie die Einführung der Blauen Plakette in Hessens Großstädten. Alle Fahrzeuge, die nicht der Euro-6-Norm entsprechen, würden aus den Innenstädten verbannt – das entspricht etwa 88 Prozent aller Dieselfahrzeuge in Hessen. „Die Blaue Plakette ist damit nichts anderes als ein Fahrverbot für die übergroße Mehrheit der Dieselfahrzeuge“, warf Nicola Beer der Landesregierung in der von den Freien Demokraten beantragten Debatte zu möglichen Diesel-Fahrverboten in Hessen vor. „Für uns ist klar: Wir lehnen die Blaue Plakette und jede andere Form von Fahrverboten strikt ab. Schon die aktuelle Diskussion hat zu einer massiven Verunsicherung der Autofahrer und hunderttausender Pendler geführt. Der schon jetzt eingetretene Preisverfall ist eine massive Enteignung etlicher Autobesitzer.“

Medienberichten zufolge lässt das Umweltministerium derzeit untersuchen, welche Auswirkungen, die Einführung der Blauen Plakette auf die Luftreinhaltung in Frankfurt, Wiesbaden und Darmstadt haben würde. Dabei zeigt sich, dass diese insbesondere für Frankfurt kein geeignetes Instrument sei, um die Grenzwerte einzuhalten. Die Experten des Fraunhofer-Instituts für Verkehrssysteme bewerten hingegen die Erhöhung der Fließgeschwindigkeit als bestes Mittel, um Stickoxide zu reduzieren. Die Frankfurter Landtagsabgeordnete Beer forderte die schwarz-grüne Landesregierung und allen voran die grüne Ministerin Hinz auf, ihre Verkehrspolitik zu überdenken: „Statt Stau, Stop-and-Go und rote Ampeln brauchen wir intelligente Mobilitätskonzepte. Wir müssen die Forschung und Entwicklung bei der Nachrüstung alter Diesel, bei sauberen Motoren, aber gerade auch bei alternativen Kraftstoffen für Verbrennungsmotoren wie Wasserstoff und Methanol, die bereits erfolgreich im Dauereinsatz getestet wurden und zudem auf die bestehende Tankstelleninfrastruktur aufsetzen könnten, fördern. In Verbindung mit digitaler Verkehrssteuerung bis hin zum vernetzten Fahren wird daraus eine zukunftsfähige Verkehrspolitik.“