Neustart nach Corona

21.05.2021

Die Inzidenzzahlen sinken, Impfungen nehmen zu, erste Landkreise können große Lockerungsschritte vornehmen: Eine sich allmählich entspannende Pandemie-Lage war auch in der vergangenen Sitzungswoche des Hessischen Landtags zu spüren. Während die Bekämpfung des Corona-Virus nur am Rande eine Rolle spielte, drängten sich zahlreiche andere Fragen um die Zukunft Hessens auf: So ging es unter anderem um Hessens Hochschulstrategie, den Glasfaser-Ausbau und den Flughafen Frankfurt. Während die Opposition zahlreiche Ideen darlegte, waren die Debatten von Uneinigkeit geprägt – teilweise sogar zwischen den die Regierung tragenden Fraktionen. Große Einigkeit gab es hingegen beim Wunsch nach Stärkung des Petitionsrechts.

Belohnung für besondere Lehre

Am ersten Sitzungstag standen die hessischen Hochschulen im Fokus. In ihrer Regierungserklärung legte Wissenschaftsministerin Angela Dorn die hessische Hochschulstrategie dar. In der sich anschließenden Debatte verlangte Dr. Matthias Büger ehrgeizigere Ziele und größere Anstrengungen für Hessens Lehre und Forschung: „Die Landesregierung will kleinteilig optimieren, sieht aber das große Ganze nicht.“ Er wies darauf hin, dass sich in den vergangenen Jahren die Situation an Hessens Hochschulen verschlechtert habe – zum einen durch einen Anstieg der Studierendenzahlen, dem kein entsprechender Stellenzuwachs gegenüberstand, zum anderen durch Aufstiegsmöglichkeiten insbesondere für jene Hochschullehrer, die Forschungsleistungen in den Vordergrund rücken. Die Prozesse innerhalb der Hochschulen führte bislang nicht dazu, dass jeder Lehrende ausreichende pädagogische Fähigkeiten habe. „Wir wollen, dass Lehrende ihre Lehrveranstaltungen mit ebenso großer Motivation gestalten wie ihre Forschung“, erklärte der hochschulpolitische Sprecher der Freien Demokraten. Seine Fraktion möchte erreichen, dass Lehrleistungen künftig einen größeren Einfluss bei der Berufung auf eine Professur haben und das Belohnungssystem grundsätzlich überarbeitet wird. 

Für die Forschung forderte Büger eine gezielte Verbesserung der Rahmenbedingungen: „Wir müssen Hessen wieder zum Exzellenzstandort machen. Wir müssen dafür sorgen, dass nach Emil von Behring, Paul Ehrlich und Wilhelm Conrad Röntgen die hessische Wissenschaftslandschaft wieder Nobelpreisträger hervorbringt.“ Leider denke die grüne Wissenschaftsministerin klein und zu politisch. Der Hochschulpolitiker warnte davor, dass Wissenschaft eine andere Rolle habe. „Wissenschaft muss sich selbst ihre Themen suchen und Fragen aufwerfen und darf auch zu unbequemen oder mutmaßlich unnützen Ergebnissen kommen. Die eine wissenschaftliche Wahrheit gibt es nicht!“

Gutscheine für Glasfaser

Ob wegen Home-Office, Home-Schooling oder der privaten Nutzung zum Beispiel von Streaming-Diensten – der weltweit größte Internetknoten mit Sitz in Frankfurt verzeichnet in der Corona-Krise neue Rekorde. Mit 10 Terabit pro Sekunde wurde am 3. November 2020, kurz nach 20 Uhr, eine neue Schallmauer durchbrochen. Während der Internetknoten mit diesen Rekord-Datenmengen gut klargekommen ist, bekommen die Menschen zu Hause an ihren Rechnern und Smartphones die Grenzen der digitalen Infrastruktur in Hessen zu spüren. Gerade einmal 13,6 Prozent der Haushalte im ländlichen Raum verfügen über einen Gigabit-Anschluss. 

In ihrem Setzpunkt forderten die Freien Demokraten deshalb, den Ausbau der digitalen Infrastruktur in Hessen voranzubringen und legten hierzu einen konkreten Vorschlag vor: „Schaffen wir Gutscheine für Bürger und Unternehmen zur Teilfinanzierung von Glasfaseranschlüssen.“ Das derzeitige Fördersystem sei viel zu bürokratisch und würde daher nicht nachgefragt, bemängelte der digitalpolitische Sprecher Oliver Stirböck. Ein Gutschein-System hingegen würde die hessischen Bürger und Unternehmen in den Mittelpunkt stellen und Vorteile für alle Beteiligten bieten: Bürger und Unternehmen könnten aktiv werden und würden eine greifbare Unterstützung erhalten, wenn sie sich für einen Glasfaseranschluss entschieden. Für die ausbauenden Telekommunikationsunternehmen würde die Planungssicherheit erhöht, wodurch auch Ausbaugebiete an Attraktivität gewinnen und unwirtschaftliche Gebiete erschließbar würden. Und den Kommunen würde es die Last der Bedarfsermittlung und der komplizierten Antragstellung nehmen. Stirböck betonte, dass auf diese Weise die Gigabit-Förderung dahin fließen würde, wo eine konkrete Nachfrage bestehe. Mit dem von ihm vorgeschlagenen Gutschein-System will Stirböck Hessen zum Vorreiter des Glasfaserausbaus machen. 

Fliegen ist Freiheit 

Mit ihrem Vorschlag, im Rahmen weiterer Klimaschutzmaßnahmen auch Kurzstreckenflüge verbieten zu wollen, hatte die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock zuletzt heftige Debatten ausgelöst. Armin Laschet, Kanzlerkandidat der CDU, hatte dies als populistische Forderung abgetan. Während in Hessen etwa 81.000 Arbeitsplätze vom Luftverkehrsstandort Frankfurt abhängig sind, hüllt sich die schwarz-grüne Landesregierung zu den Ideen der Grünen-Bundesvorsitzenden bislang in Schweigen. Bis zum Donnerstag dieser Woche, an dem die Fraktion der Freien Demokraten in ihrer Aktuellen Stunde ein Bekenntnis des hessischen Wirtschafts- und Verkehrsministers zum Flughafen Frankfurt einforderte. Tarek Al-Wazir solle sich von solchen Vorschlägen abgrenzen und den Flughafen stärker als bisher unterstützen, forderte Dr. Stefan Naas. „Mit einer Abschaffung von Kurzstreckenflügen in Deutschland würden wir Tausende gut bezahlte Jobs verlieren, aber kein Gramm CO2 einsparen“, erklärte der wirtschaftspolitische Sprecher der Freien Demokraten.

Es werde nicht möglich sein, sämtliche kurzen Strecken oder Inlandsflüge auf die Schiene zu verlagern, auch wenn eine Verlagerung grundsätzlich richtig sei. „Dafür muss die Schienen-Infrastruktur verbessert werden, und Zugfahren muss schneller, pünktlicher und günstiger werden“, erklärte Naas und warb eindringlich für die Erforschung von alternativen Kraftstoffen für den Flugverkehr. „Das wäre dann wirklich ein echter Gewinn für das Klima!“ Schließlich erinnerte Naas daran, dass Strecken bis 1500 Kilometer als Kurzstrecke gelten, so dass auch Urlaubsreisen, zum Beispiel nach Mallorca, unter das Verbot fallen würden. Dann müssten die Hessinnen und Hessen weiter entfernt liegende Abflughäfen wählen oder die Fähre nehmen, um das beliebte Urlaubsziel zu erreichen. „Fliegen bedeutet Freiheit. Wir wollen den Menschen nicht ihren Urlaub nehmen und ihnen Europa und die Welt nicht vorenthalten“ konstatierte Naas zum Schluss. 

Dem Handel helfen

Während am Freitag dieser Woche in der Wetterau die Geschäfte wieder ihre Türen öffnen dürfen, ist Shoppen in den meisten hessischen Landkreisen noch immer erst nach Terminvergabe möglich. Die Lage des Einzelhandels in Hessens Innenstädten hat sich durch die anhaltenden Schließungen in der Corona-Krise dramatisch verschlechtert. „Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um den hessischen Innenstädten im Allgemeinen und dem Einzelhandel im Besonderen zu helfen“, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der Freien Demokraten am Donnerstag im Hessischen Landtag, Dr. Stefan Naas. Die Fraktion hatte im März einen Gesetzentwurf zur Flexibilisierung der Sonntagsöffnungen eingebracht, der in dieser Woche in zweiter Lesung beraten wurde. Mit ihrer Gesetzesinitiative wollen die Freien Demokraten erreichen, dass Geschäfte in Hessen bis Juni 2022 an vier Sonntagen öffnen dürfen. Um dies zu ermöglichen, streichen sie den Anlassbezug, der sonst als Bedingung für Sonntagsöffnungen vorgeschrieben ist, aus dem befristeten Gesetz. „Akzeptierte Anlässe sind in der Regel publikumsstarke Veranstaltungen, die es zurzeit aufgrund der Pandemie nicht gibt. Die Einzelhändler sind mehr denn je auf besondere Chancen angewiesen, um auf sich aufmerksam zu machen und sich gegen die Konkurrenz der Online-Giganten zu behaupten“, erklärte Naas seinen Vorstoß. Am Ende des Tages wurde das Gesetz mit schwarz-grüner Mehrheit abgelehnt. Die Freien Demokraten werden sich weiterhin für den hessischen Einzelhandel und eine Wiederbelebung der Innenstädte einsetzen.

Online-Portal für Petitionen

Seit 50 Jahren können sich Hessens Bürgerinnen und Bürger mit Anliegen direkt an den Petitionsausschusses des Landtags wenden. Petitionen haben wachsende Bedeutung, was auch an der gestiegenen Inanspruchnahme durch Bürgerinnen und Bürger deutlich wird. Allein in der Pandemie ist die Zahl der Petitionen um etwa 50 Prozent auf mehr als 1400 im Jahr 2020 gestiegen. Viele Petitionen sind von öffentlichem Interesse und werden von vielen Menschen unterstützt. „All diese Unterstützer haben ein nachvollziehbares Interesse daran, über die Behandlung und das Ergebnis der Petition unterrichtet zu werden“, sagt Yanki Pürsün, Mitglied im Petitionsausschuss für die Freien Demokraten. Dies ist einer der Gründe, warum die Fraktionen von CDU, Grünen, SPD und FDP gemeinsam ein Petitionsgesetz ausgearbeitet haben, das in dieser Woche vom Parlament beraten wurde. Mit dem Petitionsgesetz sollen die Arbeit des Petitionsausschusses rechtlich gestärkt sowie die Rolle der Petenten und Aufgaben der Abgeordneten klar definiert werden, was bislang in der Geschäftsordnung des Landtags geregelt war. „Das Petitionsrecht ist ein starkes Recht und ein Jedermannsrecht. Es ist ein gutes Zeichen, dass wir vier Fraktionen das Recht von Einzelnen oder Gruppen, sich kostenfrei und niedrigschwellig in einer Angelegenheit direkt an die eigenen Volksvertreter zu wenden, nun auf eine rechtssichere Grundlage gestellt haben“, betonte Yanki Pürsün bei der Gesetzeslesung. Den Freien Demokraten war auch wichtig, dass die Rolle des Berichterstatters gestärkt wird. Der Berichterstatter nimmt im Petitionsausschuss eine Schlüsselrolle ein, indem er sich mit der jeweiligen Petition befasst und die Beschlussfassung vorbereitet. „Um mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit in die Arbeit des Petitionsausschusses zu bringen, haben wir im Gesetz außerdem die Veröffentlichung von Petitionen in anonymisierter Form geregelt“, erklärte Pürsün. So können auf der Internetseite des Landtags Petitionen von allgemeinem Interesse eingesehen werden.