Halbzeit!
Die letzte Sitzungswoche des Hessischen Landtags vor der Sommerpause markierte zugleich die Halbzeit der laufenden Wahlperiode. Diese wird den Abgeordneten wie auch den Bürgerinnen und Bürgern wohl vor allem wegen der Corona-Krise in Erinnerung bleiben. Wenngleich die Bewältigung der Pandemie weiterhin eine große Herausforderung für Hessen darstellt, rückten in dieser Woche auch wieder andere Themen auf die Agenda, in denen die Opposition die Landesregierung für ihr Handeln zur Verantwortung zog: sei es die Sperrung der maroden Salzbachtalbrücke, die Konsequenzen aus der Tat von Hanau oder die schleppende Erholung der Tourismusbranche nach Corona. Während von Schwarz-Grün weder eine Regierungserklärung noch neue Gesetzentwürfe vorgebracht wurden, erreichte die Opposition einen neuen Untersuchungsausschuss.
Landesregierung erschwert Start in die Sommersaison
Die hessische Tourismusbranche ist durch die Corona-Krise schwer getroffen worden. Bei den Hoteliers und Gastronomen liegen nun alle Hoffnungen auf der Sommersaison sowie dem Ferienbeginn in Hessen und anderen Bundesländern. Während hierzulande der Besuch der Innengastronomie jedoch weiterhin nur für Geimpfte, Genesene oder Getestete möglich ist, haben die an Hessen grenzenden Bundesländer die Testpflicht faktisch abgeschafft. So ist in Nordrhein-Westfalen ein Nachweis über einen aktuellen Negativtest ab einer Inzidenz von 35 vorzulegen.
Die Freien Demokraten befürchten einen Wettbewerbsnachteil für die heimischen Tourismusstandorte und forderten deshalb in dieser Woche die Aufhebung dieser Regelung auch in Hessen. „Hotel- und Restaurantbetreiber berichten regelmäßig, dass die Testpflicht viele Gäste vom Gastronomiebesuch oder Hotelübernachtungen abhalte“, begründete Wiebke Knell die Initiative ihrer Fraktion. „Da fahren manche für einen Kurzurlaub lieber gleich über die Grenze nach Nordrhein-Westfahlen oder Rheinland-Pfalz, wo sie keinen Nachweis erbringen müssen.“ Gerade für den ländlichen Raum, in dem viele hessische Urlaubsregionen liegen, gebe es weniger Testkapazitäten und Angebote, warnte Knell. Diese Benachteiligung gegenüber anderen deutschen Urlaubsregionen ist für die tourismuspolitische Sprecherin der Freien Demokraten nicht mehr nachvollziehbar. „Die Testpflicht ist bei steigenden Zahlen oder bei diffusem Infektionsgeschehen sinnvoll. Solange die Corona-Inzidenzzahlen aber auf niedrigem Niveau sind, kann aus gesundheitlicher Sicht auf Tests verzichtet werden“, sagte Knell und forderte die Landesregierung auf, bessere Rahmenbedingungen für eine wirtschaftliche Erholung der hessischen Tourismusbranche zu schaffen.
Sperrung der Salzbachtalbrücke ist hausgemacht
Es ist knapp drei Wochen, dass die die Pendlerinnen und Pendler rund um Hessens Landeshauptstadt sowie die gesamte Rhein-Main-Region einen plötzlichen Verkehrsinfarkt erlitten. Nachdem Passanten beobachtet hatten, dass Betonteile von der Wiesbadener Salzbachtalbrücke bröckelten, musste diese für den Autoverkehr komplett gesperrt werden. Seither sind nicht nur der Auto-, sondern auch der Schienenverkehr zum Wiesbadener Hauptbahnhof massiv eingeschränkt. Ein Ende ist erstmal nicht in Sicht. Angesichts des enormen volkswirtschaftlichen Schadens, der von einer mehrmonatigen Sperrung der Salzbachtalbrücke und der A 66 ausgeht, forderten die Freien Demokraten in ihrem Setzpunkt den hessischen Verkehrsminister Tarek Al-Wazir auf, Verantwortung zu übernehmen und konkret dafür zu sorgen, dass die nun geplante Brückensprengung und der Wiederaufbau der Brücke zügig umgesetzt werden. Der verkehrspolitische Sprecher der Freien Demokraten bezeichnete die Salzbachtalbrücke als Exempel für die Vernachlässigung von Bau und Sanierung von Straßen und Brücken in Hessen. „Eine marode Infrastruktur wie im aktuellen Fall schwächt unsere Wirtschaft und bürdet den Menschen und dem Gütertransport Zeitverlust und Umwege auf. Das ist inakzeptabel“, betonte Naas.
Die Freien Demokraten wiesen die Anschuldigen des Verkehrsministers Tarek Al-Wazir gegen seine Amtsvorgänger zurück. Stefan Naas machte darauf aufmerksam, dass Tarek Al-Wazir, der seit über sieben Jahren für die Verkehrspolitik in Hessen verantwortlich sei, die Zuständigkeit für die Autobahnbrücken noch bis vor kurzem innehatte, und wies auf gravierende Fehler im klassischen Baustellenmanagement hin: So hatten fehlerhafte Bohrungen einer Baufirma die Stabilität der Brücke beeinträchtigt und eine erste Sperrung im Jahr 2019 erforderlich gemacht. Dann wurde über das Abrisskonzept gestritten und schließlich die turnusmäßigen Vor-Ort-Kontrollen eingestellt. „Das Desaster der Salzbachtalbrücke verantwortet kein anderer als Verkehrsminister Tarek Al-Wazir“, stellte Stefan Naas im Hessischen Landtag fest.
- Antrag Fraktion der Freien Demokraten „Grün kann keine Straße bauen und keine Brücke sanieren“ – Drucksache 20/6054
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Untersuchungsausschuss soll Konsequenzen aus der Tat von Hanau ziehen
Der rassistisch motivierte Anschlag von Hanau, bei dem am 19. Februar 2020 neun junge Menschen mit Migrationshintergrund getötet wurden, hat die Gesellschaft in Hessen tief getroffen. Bis zum heutigen Tag bleiben insbesondere für die Angehörigen viele Fragen zum Tatabend offen – zum Beispiel, warum der Notruf zeitweise nicht erreichbar gewesen war. Um diese Fragen zu klären und mögliche Versäumnisse bei den Behörden aufzuklären, haben die Freien Demokraten gemeinsam mit den Fraktion von SPD und Linken die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beantragt. „Ein Ziel muss es sein, dass das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Polizei und die Sicherheitsbehörden nach Abschluss der Arbeit des Untersuchungsausschusses gestärkt ist. Sie wollen zum Beispiel sicher sein, dass sie jemanden erreichen, wenn sie die Notrufnummer 110 wählen“, erklärte René Rock im Rahmen der Debatte. Größtmögliche Transparenz in Bezug auf die Tat und die Strafverfolgung sei auch im Sinne der Sicherheitsbehörden, denn nur so könnten gegen sie erhobene Vorwürfe ausgeräumt werden, befand Rock. Auch gebe der Untersuchungsausschuss die Möglichkeit, dass sich die Politik ein weiteres Mal mit der Tat auseinandersetze. „Wir sind auch den Angehörigen der Opfer sowie den Überlebenden schuldig, das Geschehen von Hanau sehr ernst zu nehmen und die nötigen Konsequenzen zu ziehen. Am Ende muss die Frage beantwortet werden, wie der Staat seine Bürgerinnen und Bürger richtig schützen kann und die Behörden ihre Abläufe verbessern können“, sagte der Fraktionsvorsitzende der Freien Demokraten. Der Antrag wurde mit großer Mehrheit beschlossen. Bereits in der kommenden Woche wird sich der Ausschuss konstituieren und anschließend seine Arbeit aufnehmen.
- Dringlicher Antrag Fraktion der SPD, Fraktion der Freien Demokraten, Fraktion DIE LINKE „Einsetzung eines Untersuchungsausschusses“ – Drucksache 20/6079
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Generation von Nichtschwimmern verhindern
Vor allem im Sommer gehen Kinder gerne schwimmen und im Wasser toben. Schwimmen muss jedoch gelernt werden. Aufgrund der Corona-Krise und der damit verbundenen Schließung von Schwimmbädern konnten viele jedoch weder schulischen Schwimmunterricht noch private Schwimmkurse besuchen. „Wir dürfen nicht riskieren, dass es eine Generation von Nichtschwimmern gibt“, warnte der sportpolitische Sprecher der Freien Demokraten, Stefan Müller, im Hessischen Landtag. Die Freien Demokraten hatten die Landesregierung bereits vor einigen Wochen dazu aufgefordert, ein Konzept zu erstellen, damit in Zusammenarbeit mit der DLRG und dem Hessischen Schwimmverband flächendeckend Kurse angeboten werden könnten. Den jetzt vorgebrachten Vorschlag der Fraktion der Linken, freien Eintritt in die Schwimmbäder zu gewähren, befand Müller als nicht konstruktiv, denn ein kostenloser Badbesuch helfe nicht, schwere Badeunfälle zu verhindern. „Freier Eintritt ins Schwimmbad hilft noch nicht beim Schwimmenlernen. Was es braucht, ist ein breites Angebot an Schwimmkursen. Hier wäre das Geld sinnvoller investiert.“ Die Umsetzung eines solchen Konzepts würde nach Schätzungen der DLRG rund 7,5 Millionen Euro kosten, die aufseiten der Städte und Gemeinden, Schulträger, der DLRG und der Schwimmvereine entstehen würden. „Diese Kosten muss das Land tragen“, forderte Müller. Für ein möglichst flächendeckendes Angebot an Schwimmkursen brauche es jedoch mehr als nur Geld: Für den Unterricht müssten genügend Bahnen und Zeiten für Schwimmkurse zur Verfügung stehen. Auch müsse sichergestellt werden, dass der ausgefallene schulische Schwimmunterricht nachgeholt werde.