Das Parlament stärken

13.11.2020

Während sich das Land seit Anfang des Monats im zweiten Lockdown seit Ausbruch der Corona-Pandemie befindet, versuchte der Hessische Landtag in seiner Sitzungswoche im November, erneut einen Weg aus der Krise zu finden. Nachdem alle Abgeordneten einen negativen Corona-Test vorlegen und einen Mund-Nasen-Schutz tragen mussten, konnten sie im Plenarsaal in gewohnter Weise streiten. Grund dazu gab es genug: Auf der Tagesordnung standen unter anderem eine Initiative der Opposition über eine stärkere Beteiligung des Parlaments beim Erlass von  Infektionsschutzverordnungen sowie die ersten Beratungen über den Landeshaushalt für das kommende Jahr. Darüber hinaus gaben auch die seit Wochen andauernden Proteste gegen den Ausbau der A49 sowie die Klimapolitik der Landesregierung erneut Anlass zur Debatte.  

Landesregierung führt mit Schulden Haushaltsausgleich herbei

Am Mittwoch legte Finanzminister Michael Boddenberg dem Landtag den Haushaltsentwurf 2021 sowie die mittelfristige Finanzplanung für Hessen bis 2024 vor. Von der Opposition bekam er dafür reichlich Gegenwind. Hessen vertue seine Chancen für die Zukunft, mahnten die Freien Demokraten. Marion Schardt-Sauer warf dem Finanzminister darüber hinaus vor, er zeichne bewusst ein Bild, dass das Land ein Einnahmeproblem habe. Dies sei jedoch falsch, denn tatsächlich würden die geschätzten Steuereinnahmen für 2021 auf dem Niveau des vergangenen Jahres liegen und in den kommenden Jahren sogar wieder ansteigen. „Dass Schwarz-Grün die vermeintlich fehlenden Einnahmen beweint, liegt vor allem an der extensiven Ausgabenpolitik“, bemängelte die haushaltspolitische Sprecherin der Fraktion. Jahr für Jahr habe es die Landesregierung geschafft, stetig steigende Steuereinnahmen durch immer weiter wachsende Ausgaben förmlich zu verfrühstücken, kritisierte die Finanzpolitikerin. Mit Blick auf den Etat für das kommende Jahr stellte sie fest: „Nun stillt Schwarz-Grün den ideologisch motivierten Ausgabendurst mit dem Sondervermögen, das eine Ermächtigung für zwölf Milliarden Euro neue Schulden darstellt.“

In „Kassensturz“ berichtet Marion-Schardt-Sauer über den aktuellen Stand der Haushaltsberatungen

Gegen das Sondervermögen, das die schwarz-grüne Landesregierung im Sommer gegen den Wiederstand der Oppositionsfraktionen aufgelegt und dafür sogar die Schuldenbremse außer Kraft gesetzt hatte, hatten die Fraktionen von Freien Demokraten und SPD noch vor Beginn der Sitzungswoche am Dienstag beim Staatsgerichtshof Klage eingereicht. Hessens höchstes Gericht soll nun die Verfassungsmäßigkeit des „Schattenhaushalts“ prüfen. Ein von beiden Oppositionsfraktionen in Auftrag gegebenes Gutachten kam zu dem Schluss, dass das sogenannte Gute-Zukunft-Sicherungs-Gesetz gegen die Artikel 139 und 141 der Verfassung des Landes Hessen verstoße.

Die Fraktionsvorsitzenden von FDP und SPD, René Rock und Nancy Faeser, mit dem Verfahrensbevollmächtigtem Prof. Dr. Christoph Gröpl vor dem Staatsgerichtshof

Anstatt aus dem Sondervermögen aber, wie vorgesehen, coronabedingte Sonderausgaben zu tätigen, nutzt die schwarz-grüne Landesregierung es unter anderem, um ihren Kernhaushalt auszugleichen. „So wird mit Schulden ein Haushaltsausgleich herbeigeführt“, machte Schardt-Sauer im Landtag klar. Ihre abschließende Kritik war deutlich: Die Landesregierung versäume es, echte Akzente für eine solide Haushaltspolitik zu setzen, und ruhe sich auf einem rechtlich zweifelhaften Sondervermögen aus.

Landtag soll Corona-Verordnungen legitimieren

Einige der seit Anfang November geltenden Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie hatten landauf, landab für Unverständnis gesorgt. So waren in Hessen – anders als in anderen Bundesländern – unter anderem Sportanlagen und Musikschulen erst geschlossen und nachher wieder geöffnet worden. „Um die Pandemie gemeinsam bekämpfen zu können, müssen die Entscheidungen für die Menschen nachvollziehbar und transparent sein. Wir müssen darüber debattieren, ob die Maßnahmen angemessen, zielgerichtet und wirksam sind“, forderte René Rock am Mittwoch im Landtag. Es gelte, Einschnitte zu begrenzen und immer wieder nach milderen Mitteln zu suchen. Eine Legitimation der Maßnahmen durch das Parlament als Souverän und Vertretung der Bürgerinnen und Bürger sei deshalb dringend notwendig, so der Fraktionsvorsitzende der Freien Demokraten. 

Gemeinsam mit der Fraktion der SPD hatte seine Fraktion einen Gesetzentwurf eingebracht, der eine stärkere Beteiligung des Parlaments beim Erlass von Infektionsschutzverordnungen vorsieht. Demnach soll der Landtag schnellstmöglich über einen Verordnungserlass informiert werden. Soll eine Verordnung länger als zwei Monate gelten, bedarf es der Zustimmung des Landtags. Sofern diese Zustimmung nicht gegeben wird, läuft die Verordnung nach insgesamt drei Monaten aus. „Elementare Eingriffe in die Grund- und Freiheitsrechte betreffen den persönlichen Lebensbereich der Menschen und schränken sie massiv ein“, begründete Rock die Initiative und verwies auf den in dieser Woche veröffentlichten Hessentrend des Hessischen Rundfunks. Darin hatten 34 Prozent der hessischen Bürgerinnen und Bürger angegeben, sich große oder sogar sehr große Sorgen zu machen, dass ihre Freiheitsrechte in der Corona-Pandemie langfristig eingeschränkt werden. 

Mit ihrem Gesetzesvorhaben haben sich FDP und SPD an einem bereits verabschiedeten Gesetz aus dem grün-schwarzen Baden-Württemberg orientiert. In Hessen wollen die Regierungsfraktionen von CDU und Grünen dem Landtag offenbar weniger Rechte zugestehen. Ihr eigener Vorschlag sieht im Vergleich dazu deutlich weniger Mitsprachemöglichkeiten für das Parlament vor.

Verkehrsminister muss A49-Lückenschluss vorantreiben

Seit Monaten halten sich Aktivisten im Dannenröder Forst auf, um die für den Ausbau der Autobahn 49 erforderlichen Rodungen zu verhindern. Sie haben Baumhäuser und Barrikaden errichtet. Während sich die Polizei im Dauer-Großeinsatz befindet, um die Hindernisse zu räumen und die Rodungsarbeiten zu ermöglichen, haben die Freien Demokraten im Hessischen Landtag Verkehrsminister Tarek Al-Wazir sowie die Grünen erneut aufgefordert, den Lückenschluss voranzutreiben und zu unterstützen. „Die Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen in Nord- und Mittelhessen warten seit Jahren auf die Fertigstellung der Autobahn. Die Chancen einer gelingenden wirtschaftlichen Entwicklung der Region hängen stark vom Lückenschluss ab, und auch die Anwohner der jetzt vom Durchgangsverkehr belasteten Orte sehnen die Fertigstellung der A49 herbei“,  begründete Dr. Stefan Naas die von den Freien Demokraten beantragte Aktuellen Stunde. Er beklagte, dass die Sicht derer, die sich die Autobahn dringend wünschten, von täglichen Protest-Meldungen überlagert werde. „Wenn Polizisten mit Steinen beworfen werden, dürfen wir das ebenso wenig hinnehmen wie Abseilaktionen von Autobahnbrücken. Diese können ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr und Nötigung sein. Bei solchen Aktionen werden Menschenleben gefährdet“, machte der verkehrspolitischer Sprecher der Freien Demokraten deutlich und forderte von den Grünen eine Distanzierung. „Wir erwarten von den Grünen, dass sie endlich auch sämtliche Straftaten verurteilen. Denn klar ist: Wer eine Straftat begeht, ist kein Aktivist, sondern kriminell“, so Naas.

Hessen braucht eine Wasserstoffstrategie

Die Freien Demokraten im Hessischen Landtag sehen im Einsatz von Wasserstoff bei der Energiegewinnung eine große Chance, den Übergang vom fossilen Industriezeitalter in eine moderne und nachhaltige Wirtschaft zu gestalten. In einem Antrag forderten sie die schwarz-grüne Landesregierung in dieser Woche auf, eine hessische Wasserstoffstrategie zu entwickeln. „Wasserstoff als Energieträger wird es uns ermöglichen, Wohlstand und Klimaschutz klug miteinander zu verbinden“, begründete René Rock den Vorstoß. Der Fraktionsvorsitzende und energiepolitische Sprecher der Freien Demokraten machte in seiner Rede auf die vielseitige Bedeutung des Energieträgers aufmerksam: „Wasserstoff ist ein Multitalent, das eine sichere, wirtschaftliche, technologieoffene und klimaneutrale Energieversorgung für Mobilität, Industrie sowie Wärme- und Stromerzeugung ermöglicht.“ Insbesondere Hessen mit einer starken Chemie-Industrie, dem Flughafen Frankfurt, den Rechenzentren und der Pendlerhauptstadt Frankfurt könne in besonderem Maß profitieren, Wasserstoff hier vielfältig zum Einsatz kommen.

Viele Länder, vor allem in Asien, haben bereits umfassende Programme zur Förderung wasserstoffbasierter Zukunftstechnologien gestartet. Die Europäische Union und die Bundesregierung haben jeweils eigene Wasserstoffstrategien präsentiert. Die Bundesregierung hat für die Umsetzung neun Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Auch einige Bundesländer haben bereits ein gemeinsames Strategiepapier entwickelt. „Obwohl die schwarz-grüne Landesregierung ihre selbst gesteckten Klimaziele verfehlt, bleibt sie auf Windkraft fokussiert, anstatt das Potenzial von Wasserstoff zu nutzen und die Entwicklung voranzutreiben“, kritisierte Rock und verwies auf zahlreiche private Projekte und das in Hessen vorhandene Know-how um den „Treibstoff der Zukunft“.

Bis 2030 würden 1300 Kilometer Wasserstoffleitungen in Deutschland durch Umrüstung und Neubau errichtet. „Das Netz führt jetzt um Hessen herum, denn Energieminister Tarek Al-Wazir blockiert und verhindert, dass die grundlegende Infrastruktur für diesen umweltfreundlichen Energieträger gebaut wird“, ärgerte sich Rock im Landtag. „Wenn Hessen den Zug nicht verpassen und von Fördergeldern profitieren will, brauchen wir jetzt eine Wasserstoffstrategie.“ Die Strategie solle darlegen, wie in Hessen Erzeugung und Versorgung, Verteilung und Anwendung sowie Wissenschaft, Weiter- und Ausbildung miteinander verknüpft und unterstützt werden könnten. Um diese zu entwickeln forderte Rock schließlich eine Experten-Anhörung im Landtag.