Augen zu und durch
Es war keine leichte Woche für die Regierungskoalitionen: am Sonntag hatten die hessischen Wählerinnen und Wähler mit ihrem Votum bei der Kommunalwahl die bestehenden schwarz-grünen Bündnisse in den Stadtparlamenten für beendet erklärt. Doch CDU und Grüne wollen hieraus partout keinen Rückschluss auf ihre Arbeit im Land ziehen. Das wurde auch in den Debatten dieser Plenarwoche mehr als deutlich: für das starke Abschneiden der rechtspopulistischen AfD sieht Ministerpräsident Bouffier allein die Große Koalition in Berlin in Verantwortung, obwohl er als Merkels Vize deren Flüchtlingspolitik maßgeblich mitgestaltet und konsequent gestützt hat; unbeirrt führt Kultusminister Lorz trotz erheblicher Proteste von Eltern, Lehrern und Schülern seinen Kurs bei den Lehrerstellenkürzungen fort und macht so die Grundschulen und Gymnasien zum Steinbruch der schwarz-grünen Bildungspolitik; und Wirtschaftsminister Al-Wazir legt einen Fahrplan für die Digitalisierung des Landes vor, mit dem Hessens Unternehmen über kurz oder lang unter die Räder geraten werden.
Mehr Tempo beim Breitbandausbau
Bis 2018 sollen alle Haushalte in Hessen mit leistungsfähigen Internetverbindungen von mindestens 50 Megabit pro Sekunde versorgt werden. Dieses Ziel bekräftigte Tarek Al-Wazir in seiner Regierungserklärung zu Beginn dieser Plenarwoche. Es spricht schon für sich, wenn der Wirtschaftsminister das Thema Digitalisierung erst nach mehr als zwei Jahren im Amt auf die Tagesordnung setzt.
Entsprechend unserer Erwartung lieferte Al-Wazir mehr blumige Worte und Absichtserklärungen als konkrete Maßnahmen, wie die Landeregierung die „vierte industrielle Revolution“ tatsächlich vorantreiben will. Die Chance, einen klaren und funktionierenden Kurs für die Zukunft unseres Landes aufzuzeigen, hat er auf jeden Fall vertan. Denn tatsächlich steckt hinter der von ihm erklärten Absicht ein alter Hut. Bereits vor Jahren hatten wir gemeinsam mit der CDU dieses Ziel festgesetzt. Seitdem aber Schwarz-Grün in Verantwortung steht, ist diesbezüglich nichts passiert. Stattdessen ruht sich die Landesregierung auf früheren Errungenschaften aus und verschläft die Digitalisierung.
Zwar gehören der Odenwald-, der Hochtaunus- und der Main-Kinzig-Kreis zu den am besten versorgten Landkreisen der Bundesrepublik, bei der Verfügbarkeit der Breitbandversorgung mit 50 Megabit pro Sekunde steht Hessen momentan jedoch nur auf Platz 7. Da hilft es auch nicht, wenn Al-Wazir bis 2020 nur eine teilweise Versorgung des Landes mit 400 Megabit pro Sekunde anstrebt. Um diese Geschwindigkeiten nur annähernd erreichen zu können, hätte der Minister von Anfang an mehr Gas geben müssen – stattdessen bleibt er nach wie vor auf der Bremse stehen.
Und das hat vor allem für den Wirtschaftsstandort und die in Hessen ansässigen, mittelständischen Unternehmen Konsequenzen, wie Jürgen Lenders in seiner Rede verdeutlichte: „Der ländliche Raum wird absehbar weiter zurückfallen und als Wirtschaftsraum unattraktiver werden, wenn die Landesregierung als Ziel lediglich die Versorgung von zwei Drittel der Haushalte mit 400 Mbit bis 2020 hat. Das dürfte auch die Landflucht noch verstärken. Denn Breitbandausbau ist heutzutage ebenso ein bedeutender Infrastrukturfaktor wie Straßen oder Stromversorgung. Wenn der marktgetriebene Ausbau die ausreichende Versorgung im ländlichen Raum nicht sicherstellen kann, dann muss auch Landesgeld in den Breitbandausbau fließen.“ Deshalb haben wir die Landesregierung aufgefordert, mehr Mittel zur Verfügung zu stellen, damit unser Land und vor allem unsere Unternehmen bei der Digitalisierung nicht auf der Strecke bleiben.
Finanzplatz Frankfurt erhalten
Die Deutsche Börse will mit der London Stock Exchange fusionieren. Medienberichten zufolge soll der Hauptsitz des neuen Unternehmens nicht in Frankfurt, sondern in London sein. Für uns ist es ein befremdliches Schauspiel, das die hessische Landesregierung und die mit einer Fusion befassten Akteure in den vergangenen Wochen aufgeführt haben: Während Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir und Ministerpräsident Bouffier beharrlich schweigen, wirbt Deutsche Börse-Chef Kengeter höchst offensiv für seine Pläne. Für uns gibt es für diese Konstellation nur zwei plausible Erklärungsansätze: Entweder wir erleben gerade, dass sich die hessische Landesregierung beispiellos vorführen lässt oder aber man bastelt noch an einer offiziellen Stellungnahme, da der Deal längst eingetütet ist. Doch eins ist klar: Mit dem Umzug der Deutschen Börse AG würde der Finanzplatz Frankfurt an enormer Bedeutung verlieren. Wir haben deshalb die Zukunft des Finanzplatzes Frankfurt auf die Agenda dieser Plenarrunde gesetzt und die Landesregierung aufgefordert, alles dafür zu tun, dass die Arbeitsplätze des Finanzplatzes am Standort Frankfurt bleiben und es zu keinem Exodus von Börse und Banken in Richtung Großbritannien kommt.
Bei früheren Debatten über mögliche Fusionen der Börse waren wir uns mit der CDU stets einig, dass wir alles vermeiden wollen, was den Finanzplatz beeinträchtigt. Denn selbstverständlich ist es nachvollziehbar, dass die Deutsche Börse angesichts der Wettbewerbssituation versucht, Partner zu finden. Deshalb haben wir sie in Ressortverantwortung auch bei der Suche nach Kooperationspartnern – beispielsweise bei Gesprächen in Moskau und Istanbul – unterstützt. Da sie für Frankfurt jedoch eine Schlüsselfunktion aufweist, darf eine Fusion aus politischer Perspektive auf keinen Fall unabhängig von der Frage betrachtet werden, wie der Finanzplatz Frankfurt bei einem solchen Geschäft abschneiden würde, wie Florian Rentsch in seiner Rede am Donnerstag verdeutlichte: „Bei der geplanten Fusion mit London ist die Deutsche Börse der größere Partner, und trotzdem soll der Sitz der Holding in der britischen Hauptstadt sein. Aus der Vergangenheit wissen wir jedoch, welche Konsequenzen es haben kann, wenn – wie beispielsweise bei Herrn Dormann und der Hoechst AG – die Zentrale eines fusionierten Unternehmens nicht in Hessen liegt. Auch im Fall der Börse hat die Überprüfung der Auswirkungen in den vergangenen Jahren zweimal ergeben, dass der Finanzplatz leiden würde, wenn der Sitz nicht in Frankfurt ist. Es kann nicht sein, dass hier der Schwanz mit dem Hund wedelt!“
Und schließlich steht da noch ein möglicher „Brexit“ im Raum, dessen Folgen bei einer Fusion bisher unberechenbar sind. Welche Konsequenzen würde es denn für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen Finanzindustrie haben, wenn sich die Briten bei dem im Juni angesetzten Referendum gegen den Verbleib in der Euro-Zone aussprechen und der Sitz der Holding dann sogar außerhalb der EU läge? Es ist die Landesregierung, die im Rahmen ihrer rechtlichen Prüfung als Börsenaufsichtsbehörde dafür Sorge zu tragen hat, dass die Trägergesellschaft der Börse ihrer Verpflichtung zum Betrieb und zur angemessenen wirtschaftlichen Fortentwicklung der Börse nachkommt. Wenn durch die Fusionspläne der Fortbestand der Börse gefährdet erscheint, muss die Börsenaufsichtsbehörde den Erwerb einer bedeutenden Beteiligung an der Trägergesellschaft der Börse untersagen.
Es ist bedauerlich, dass Al-Wazir nach wie vor jegliche Festlegung zu diesem Thema vermeidet und mangelnde Informationen als Ausrede nutzt. Entweder weiß die aktuelle Landesregierung mehr, als sie zugeben will, oder sie ist sich schlicht ihrer entscheidenden Rolle in dieser Frage nicht bewusst.
- Entschließungsantrag der Fraktion der FDP betreffend Interessen des deutschen Finanzplatzes Frankfurt bei der Börsenfusion stärken – Wettbewerbsfähigkeit stärken und Hauptsitz in Frankfurt halten – Drucks. 19/3174
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Unterricht an Grundschulen und Oberstufen sicherstellen
Kultusminister Lorz hat den Rotstift angesetzt: Allein Hessens Grundschulen hat er in diesem Schuljahr 140 Lehrerstellen weggenommen, weitere 160 den Oberstufen. Nach Adam Riese sind das 300 Lehrerstellen, die auf Kosten guter Bildung gehen. Doch damit nicht genug: in den kommenden zwei Schuljahren sollen Hessens gymnasiale Oberstufen auf weitere 155 Stellen verzichten. Damit werden über 300 Lehrer alleine in den gymnasialen Oberstufen fehlen.
Auf die für die Schulen jetzt schon spürbaren Folgen wies Wolfgang Greilich in seiner Rede vor dem Parlament hin: „Die Kürzungen von bis zu vier Stellen etwa an Gymnasien wirken sich schon jetzt negativ auf die Unterrichtsqualität aus. Für die Oberstufen heißt das konkret: Kleine Leistungskurse, wie Chemie oder Physik, fallen gänzlich weg. Sprachangebote werden auf ein Minimum reduziert, Gruppengrößen der Grund- und Leistungsfächer müssen angehoben werden. Methodische Vielfalt, fortschrittlicher Unterricht und ein Angebot jenseits der Kernfächer werden durch die Kürzungen der schwarz-grünen Landesregierung massiv eingeschränkt. Die Profile, die sich die Schulen in den vergangenen Jahren mit viel Mühe erarbeitet haben, werden auf diese Weise wieder in Frage gestellt. Zu Recht machen sich deshalb Eltern nun Sorgen darüber, ob ihre Kinder auch zukünftig optimal auf ein Hochschulstudium vorbereitet werden – wir als Freie Demokraten teilen diese Sorge.“
Doch selbst von dem von Eltern, Lehrern und Schülern ausgehenden Protest zeigt sich die Landesregierung unbeeindruckt. Eine von der Landesschülervertretung initiierte Petition mit über 30.000 Unterschriften, in der die Rücknahme der Stellenkürzungen gefordert wurde, wies Schwarz-Grün im kulturpolitischen Ausschuss einfach ab.
Gemeinsam mit der CDU hatten wir erst in der vergangenen Legislaturperiode 2500 neue Lehrerstellen geschaffen und so eine 105-prozentige Lehrerversorgung im Landesschnitt erreicht. Diese Errungenschaft räumen Lorz und Schwarz-Grün jetzt wieder ab, denn durch die vorgenommenen Stellenkürzungen dürfte die Lehrerversorgung in manchen Schulen sogar unter 100 Prozent fallen. Deshalb haben wir die Landesregierung erneut aufgefordert, die Kürzungen rückgängig zu machen und auf weitere Einschnitte an den hessischen Gymnasien zu verzichten. Es ist schlicht ein schulpolitischer Irrweg, die Schüler in den Gymnasien gegen die Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf und den Vormittagsunterricht gegen die Betreuung am Nachmittag auszuspielen.
- Rede von Wolfgang Greilich im Video (externer Link)
- Rede von Florian Rentsch im Video (externer Link)
- Antrag der Fraktion der FDP betreffend Kürzungen in der Oberstufe und Grundschule zurücknehmen – garantierte Unterrichtsversorgung wieder sicherstellen – Drucks. 19/3165
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Kommunalwahlen in Hessen: Denkzettel für die Landesregierung
- Rede von Florian Rentsch im Video (externer Link)
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- Rede von Nicola Beer im Video (externer Link)
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Die Wähler in Hessen haben entschieden: bei der Kommunalwahl am vergangenen Sonntag haben sie der Landesregierung einen klaren Denkzettel verpasst. So wurden die schwarz-grünen Bündnisse auf kommunaler Ebene – etwa in Frankfurt und Darmstadt – durch das Wähler-Votum beendet. Doch anstatt vor den Wahlergebnissen die Augen zu verschließen, sollte sich insbesondere Ministerpräsident Bouffier bei der Analyse ehrlich machen, forderte Florian Rentsch: „Wenn Bouffier die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung für die Verluste bei der Kommunalwahl verantwortlich macht, schiebt er doch zugleich einer politischen Strategie den Schwarzen Peter zu, die er nicht nur mit verhandelt, sondern in den vergangenen Monaten auch stets verteidigt und in Hessen mitgetragen hat. Dass die Kommunalwahl also keine Abstimmung auch über die Landespolitik gewesen sein soll, ist folglich absolut widersinnig. Zudem haben wir an Ständen und bei Veranstaltungen in den vergangenen Wochen hessenweit erlebt, dass die Menschen sich neben der Flüchtlingskrise sehr intensiv mit den Kürzungen an unseren Schulen und dem zügellosen Ausbau der Windkraft in unserem Land – also zwei rein landespolitischen Themen – beschäftigen.“ Vor der landespolitischen Bedeutung dieser Wahl die Augen zu verschließen, hilft weder der schwarz-grünen Koalition, noch bringt es den notwendigen Kurswechsel in einer Vielzahl von Themenbereichen.
Das starke Abschneiden der rechtspopulistischen Parteien bei der Kommunalwahl machten die Linken zum Thema. Auch uns Freien Demokraten sind die menschenverachtenden Parolen der bräunlichen Truppen, die nun bedauerlicherweise in unsere kommunalen Parlamente eingezogen sind, zutiefst zuwider. Dass sich aber ausgerechnet die Fraktion um Janine Wissler an den Rechtsextremisten hochzieht, bezeichnete Nicola Beer in ihrer Rede als unerträglich und heuchlerisch: „Denn die Linkspartei ist rechtlich, finanziell und ideologisch die klare Nachfolgerin der SED, die den Schießbefehl an der innendeutschen Grenze eingeführt und exekutiert hat. Sie steht damit auf den Schultern derer, die über tausend Menschen getötet haben, die Freiheit suchten und vor Bespitzelung und Unterdrückung flohen. Klar distanziert von diesen Gräueltaten ihrer Vorgänger haben sich die Linken immer noch nicht.“ Die Kommunalwahlergebnisse zeigen auch: Extremisten ziehen ihre Stärke aus der Angst der anderen. Was wir deshalb in der Politik in Hessen brauchen, ist eine ehrliche und aufrichtige Debatte über die Ursachen des Aufstiegs extremistischer Parteien – und dazu gehört der Linksextremismus, der für die Blockupy-Krawalle verantwortlich ist genauso, wie der Rechtsextremismus.