Eine Verfassungsreform, die den Namen verdient

23.08.2017

WIESBADEN – Anlässlich der Vorstellung der Ideen der FDP-Fraktion für die Modernisierung der Hessischen Landesverfassung, erklärt der Obmann der FDP-Fraktion für die Enquetekommission „Verfassungskonvent zur Änderung der Verfassung des Landes Hessen“, Dr. h.c. Jörg-Uwe HAHN: „Unsere Hessische Verfassung ist älter als die Bundesrepublik Deutschland. Da sie nie neu gefasst oder umfassend reformiert wurde, ist es nicht verwunderlich, dass sie in die Jahre gekommen ist und auf diverse verfassungsrechtliche Fragestellungen keine Antwort bereit hält bzw. sogar eine veraltete Rechtslage abbildet. Um unsere historische Verfassung ins 21. Jahrhundert zu führen, brauchen wir eine Verfassungsreform, die den Namen verdient. Daher begrüßen wir Freidemokraten den durch die Enquetekommission angestoßenen Reformprozess. Unser Ziel ist eine umfassende Reform, die die Hessische Verfassung von ihren nicht mehr zeitgemäßen Vorschriften befreit (I.), die Grundlage für eine moderne Staatsstruktur schafft (II.) und den Menschen in Hessen mehr Bürgerrechte zuerkennt (III.).“

(I.) Überholtes Streichen

„Die Hessische Verfassung kennt nach wie vor die Todesstrafe, verbietet die Aussperrung und benutzt Begriffe, die nicht mehr zeitgemäß sind. Allein 19 Verfassungsnormen verstoßen gegen höherrangiges Recht, acht Regelungen sind durch Zeitablauf gegenstandslos geworden und fünf Artikel befassen sich mit Regelungsbereichen, für die das Land Hessen keine Gesetzgebungskompetenz hat. Zusammengefasst bedeutet dies, dass jede fünfte Verfassungsnorm keine Rechtswirkungen entfaltet. Wir wollen aber keinen Verfassungstext, den nur Juristen mit vertieften Rechts- und Geschichtskenntnissen verstehen und die Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs und die Verfassungspraxis der letzten 70 Jahre kennen. Eine Verfassung sollte auch für den juristischen Laien Antworten auf die drängenden Fragen der Staatsorganisation und zum Verhältnis von Bürger und Staat geben.“

  • Begriff „Rasse“ streichen (Art. 1, 134 HV)
  • „Menschen“- statt „Jedermann“-Rechte  (Art. 6, 11, 13, 16, 25, 38, 49, 76, 131, 147 HV)
  • Todesstrafe abschaffen (Art. 21, 109 HV)
  • Streikrecht und Aussperrung (Art. 29 HV)
  • Sofortsozialisierung streichen (Art. 41 HV)
  • Übergangsbestimmungen streichen (Art. 148 ff. HV)

 

(II.) Moderner Staat

„Auch die Vorschriften zur Staatsstruktur und zum Verhältnis von Parlament und Regierung sind in die Jahre gekommen. Wir wollen kein Reförmchen sondern eine Reform, die den Namen verdient. Die von anderen Fraktionen geäußerten Bedenken, dass der Einsetzungsbeschluss eine größere Revision nicht tragen würde, wurde von den fünf Sachverständigen – denen ich ausdrücklich für Ihre wertvolle Arbeit danken möchte – in ihrer gemeinsamen Stellungnahme widerlegt. Art. 123 HV steht einer größeren Revision nicht entgegen. Daher wollen wir, dass die Hessische Verfassung die Grundlage für eine moderne Staatsstruktur bietet. Während Parlamentsminderheitenrechte notwendiger Bestandteil einer Demokratie sind, kennt die Hessische Verfassung keine Oppositionsrechte. Dem wollen wir durch ein umfassendes Auskunftsrecht entgegenwirken, damit die Abgeordneten des Landtags ihrer Kontrollfunktion gegenüber der Landesregierung nachkommen können. Und obwohl die Verfassung direktdemokratische Elemente beinhaltet, setzt sie für ihr Gelingen solch hohe Hürden, dass es in 70 Jahren noch nie eine erfolgreiche Volksabstimmung gegeben hat. Wir Freidemokraten wollen die Demokratie ernst nehmen und dem Volk und der Opposition eine starke Stimme geben. Dazu gehört auch eine Amtszeitbegrenzung des Ministerpräsidenten, um die Konzentration auf das Regierungsamt zu gewährleisten. Zudem brauchen wir einen Staat, der die Grundvoraussetzungen für eine zukunftsfähige Volkswirtschaft schafft. Wir wollen ein Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft in die Verfassung aufnehmen und den Staat durch die Aufnahme eines Staatsziels Infrastruktur verpflichten, die Verkehrsnetze, Versorgungs- und Entsorgungseinrichtungen zu erhalten und auszubauen.“

  • Grundrechtsklage (Art. 26 HV)
  • Staatsziel Infrastruktur (Art. 26a HV)
  • Staatszielbegriff (Art. 26b HV)
  • Soziale Marktwirtschaft (Art. 38 HV)
  • Staatsziele: Kultur und Ehrenamt (Art. 62a HV)
  • Europa (Art. 64 HV)
  • Sozialer Rechtsstaat (Art. 65 HV)
  • Staatssymbole (Art. 66 HV)
  • Passives Wahlalter auf 18 senken (Art. 75 HV)
  • Wahlprüfungsausschuss (Art. 78 HV)
  • Untersuchungsausschussgesetz (Art. 92 HV)
  • Auskunftsrecht (Art. 94 HV)
  • Amtszeitbegrenzung (Art. 101 HV)
  • Volksgesetzgebung (Art. 124 HV)
  • Direktwahl Landräte abschaffen (Art. 138 HV)
  • Rechnungshof (Art. 144)

(III.) Mehr Bürgerrechte

„Die Gesellschaft hat sich in den letzen 70 Jahren tiefgreifend gewandelt. Die Digitalisierung hat großen Einfluss auf unser tägliches Leben. Doch in der Verfassung spiegelt sich das digitale Zeitalter bislang nicht wider. Dabei ist es für die Menschen entscheidend, ob der Staat sowohl in der Stadt als auch auf dem Land die Grundvoraussetzungen schafft, damit die Menschen an der Digitalisierung partizipieren können. Ohne Zugang zur digitalen Welt haben die Menschen keine Chance auf Teilhabe am gesellschaftlichen Fortschritt. Daher fordern wir Liberale mit dem Digitalisierungsgrundrecht ein modernes Recht für alle Hessinnen und Hessen, mit dem wir die Chancengerechtigkeit im digitalen Zeitalter sichern.“

  • Digitalisierungsgrundrecht (Art. 2a , 19 HV)
  • Kinderrechte (Art. 4 HV)
  • Recht auf Bildung (Art. 56 HV)
  • Forschung und Lehre (Art. 60 HV)
  • Barrierefreies Wahlrecht (Art. 74 HV)

Eine ausführliche Erläuterung der Vorschläge finden Sie hier: Eine Verfassungsreform die den Namen verdient.