O Tannenbaum

Während festlich geschmückte Weihnachtsbäume in Hessens Wohnzimmern aktuell für Glanz und leuchtende Augen sorgen, treibt der Anblick des heimischen Forstes hessischen Waldbesitzern Tränen in die Augen. Hessens Wäldern geht es so schlecht wie nie zuvor.

Wer dieser Tage einen Spaziergang durch den heimischen Wald unternimmt, der wird vielerorts auch mit bloßem Auge erkennen können, dass sich der Zustand dramatisch verschlechtert hat. An vielen Stellen, wo einst Fichten, Buchen oder Eichen in die Höhe ragten, sind geschädigtes Holz oder nur noch Baumstümpfe zu sehen. Nach Schätzungen des Hessischen Waldbesitzerverbandes sind etwa 9.000 Hektar Kahlfläche entstanden – eine Fläche von 13.000 Fußballfeldern. Nach gewaltigen Sturmwürfen durch den Orkan Frederike im Januar 2018 und zwei von Dürre geprägten Sommern und niederschlagsarmen Wintern stellt jetzt vor allem die massenhafte Vermehrung des Borkenkäfers eine Bedrohung dar.

Ideale Brutbedingungen

Noch mehr als im Vorjahr leiden die Bäume unter der Trockenheit des Sommers und können sich gegen Schädlinge wie den Borkenkäfer nicht mehr wehren. Ob als Larve, Puppe oder erwachsener Käfer – unter der Rinde und im Waldboden finden die Tiere ein ideales Winterquartier. Michael Gerst, Leiter des Landesbetriebs HessenForst, blickt mit Sorge auf das Frühjahr, wenn die Käfer wieder ausschwärmen werden. „Es sind insgesamt so viele Käfer wie noch nie“, so Gerst. Nach 2019 erwartet der Waldexperte 2020 ein weiteres „Käferjahr“.

Enorme Schädigungen

Im zurückliegenden Jahr hatte der Borkenkäfer bereits weitreichende Schäden verursacht. Bei ihrem Besuch des Interessentenwaldes im nordhessischen Riebelsdorf im Schwalm-Eder-Kreis im Mai dieses Jahres hat sich Wiebke Knell nicht nur ein Bild von der aktuellen Situation gemacht. Unter fachkundiger Anleitung hat die forstpolitische Sprecherin der Freien Demokraten im Hessischen Landtag auch selbst eine Borkenkäferfichte fällen dürfen. „Die Herausforderungen für die Waldbesitzer sind gewaltig“, zeigt sie sich angesichts der Masse an Schadholz beeindruckt. „Um zu vermeiden, dass umliegende Bäume befallen werden, muss das geschädigte Holz schnellstmöglich aus dem Wald gebracht werden. Das ist eine enorme Belastung für die Waldarbeiter“, stellt die 38-Jährige fest. In Riebelsdorf erweisen sich wie andernorts auch Harvester als nützliche Helfer, jedoch ist der Einsatz der gewaltigen Erntemaschinen äußerst kostspielig. Ohnehin ist die Beseitigung des von Sturm und Borkenkäfer in Mitleidenschaft gezogenen Holzes eine teure Angelegenheit für Waldbesitzer.

Waldbesitzer schlagen Alarm

Es ist nicht nur die Ernte des Schadholzes, die immense Kosten verursacht. Hinzu kommt das Problem, dass das Holz nicht mehr gewinnbringend auf den Markt gebracht werden kann. Solche Mengen können von der holzverarbeitenden Industrie nicht abgenommen werden, warnte der Hessische Waldbesitzerverband bereits im August. Die wirtschaftliche Situation der Forstbetriebe war damals schon entsprechend dramatisch, viele private waren sogar zahlungsunfähig. Auf bis zu 500 Millionen Euro beziffert der Hessische Waldbesitzerverband den durch Trockenheit und Schädlingsbefall in Hessens Privat- und Kommunalwäldern entstandenen wirtschaftlichen Schaden allein für 2019.

„Privat- und Kommunalwaldbesitzer stehen wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand. Sie machen derzeit täglich Verluste und haben daher keine Mittel für die Wiederaufforstung“, mahnt FDP-Politikerin Knell mit Blick auf die bevorstehenden Aufgaben an. „Es muss sicher gestellt werden, dass es hier zu unbürokratischen Hilfen kommt“, nimmt Knell die Landesregierung in die Pflicht. Ihrer Ansicht nach ist Schwarz-Grün im Umgang mit dem hessischen Staatswald auf einem ideologischen Holzweg.

Falsche Flächenstilllegungen

Im Frühjahr hatte Umweltministerin Priska Hinz angekündigt, im Rahmen der FSC-Zertifizierung weitere Flächen des hessischen Staatswaldes stilllegen zu wollen – eine Entscheidung, die die forstpolitische Sprecherin der Freien Demokraten nicht gutheißen kann. „In der derzeitigen Situation des Waldes besteht die Gefahr, dass nicht mehr bewirtschaftete Standorte zu Brutstätten von Baumschädlingen werden und somit den angrenzenden bewirtschafteten Wald zusätzlich schädigen“, erklärt Knell. Auch die Entscheidung im Herbst, nach der mit sofortiger Wirkung kein Schadholz mehr aus dem Wald geholt wurde, ist ihres Erachtens nach nicht nachvollziehbar.

Moratorium für Windkraft

Was Knell angesichts des Gesundheitszustands des Waldes am allerwenigsten begreifen kann, ist, dass die Landesregierung nach wie vor beabsichtigt, Windkraftanlagen in Hessens Wäldern in Betrieb zu nehmen. „Jeder Baum, der angesichts der dramatischen Situation unseres Waldes für ein Windrad geopfert wird, ist einer zu viel“, so Knell. Die Nordhessin kritisiert, dass in den letzten Jahren nahezu alle neuen Windkraftanlagen in Hessen in Wäldern errichtet worden seien. Denn: Für eine Anlage wird mindestens ein Hektar Wald dauerhaft gerodet. Hinzu kommen temporäre Rodungen für Zuwegung und Baustellen. Die Freien Demokraten im Hessischen Landtag haben deshalb ein Moratorium für den Bau von Windrädern im Wald gefordert. „Es ist absurd, wenn wir an einer Stelle zahlreiche gesunde Bäume fällen und dann Millionen von Euro ausgeben, um an anderer Stelle Bäume zu pflanzen“, sagt Knell. „Eine Klimaschutzpolitik, die das zerstört, was es zu schützen gilt, ist eine falsche Klimapolitik!“