Investieren statt konsumieren

In den letzten Wochen des Jahres werden traditionell im Landtag die Weichen für das kommende Jahr gestellt: Im Rahmen der Haushaltsberatungen kann jede Fraktion über entsprechende Anträge klare politische Schwerpunkte setzen – und dass die Meinungen darüber, an welchen Stellen die Landesmittel am besten investiert sind, weit auseinandergehen, ist vorprogrammiert. Es kommen dabei auch recht grundsätzliche Unterschiede in den Ansätzen zum Tragen, beispielsweise ob die finanziellen Mittel bloß zur allgemeinen Aufstockung vorhandener Budgets verwendet werden oder ob mit klaren Zukunftsinvestitionen ein eher gestalterischer Ansatz gewählt wird.

Die Ausgangslage für 2017 könnte jedenfalls kaum besser sein: Durch Rekordsummen bei den Steuereinnahmen wird dem Land in 2017 so viel Geld zur Verfügung stehen wie nie zuvor. Eigentlich wäre dies genau der richtige Anlass, um Hessen fit für die Zukunft zu machen. Doch anstatt wichtige, wegweisende Investitionen zu wagen, verwaltet Finanzminister Dr. Thomas Schäfer das Geld lieber in gewohnter Tradition. Darüber hinaus mangelt es der Landesregierung ganz offensichtlich am politischen Willen, den Schuldenabbau entschieden voranzutreiben. Folglich versagt die schwarzgrüne Haushaltspolitik gleich in doppelter Hinsicht.

Mit mehr als 30 Änderungsanträgen hat die Landtagsfraktion der Freien Demokraten der Landesregierung Empfehlungen für wichtige Zukunftsinvestitionen gegeben. Aus Sicht der FDP herrscht aktuell besonders großer Bedarf an Investitionen in den Bereichen Digitalisierung, Bildung und Straßenbau.

Hessen 4.0 – Digitalisierung bündeln, gestalten und beschleunigen

Zwar lässt die Landesregierung die Herausforderungen, vor denen Hessen hinsichtlich der Digitalisierung steht, nicht vollkommen außer Acht, jedoch fehlt bislang eine schlüssige Gesamtstrategie. „Ein Blick in die Einzelpläne der schwarz-grünen Ministerien genügt, um zu bemerken, was beim Thema Digitalisierung in Hessen aktuell schiefläuft“, merkte Florian Rentsch bei einer Pressekonferenz der Fraktion zum Haushalt im November an. „Statt einer nachvollziehbaren Bündelung der unterschiedlichen Aufgaben in einer zentralen Stelle ist die Digitalisierung in Hessen vielmehr ein über sämtliche Ressorts verstreuter Flickenteppich“, so Rentsch. Diesen Zustand wollen die Freien Demokraten unter anderem durch die Einrichtung eines „Chief Digital Officers (CDO)“ als Stabsstelle in der Staatskanzlei ändern und auf diese Weise einen notwendigen roten Faden für sämtliche Digitalisierungsbestrebungen etablieren. Neben der Bündelung sämtlicher Haushaltsprodukte, die sich mit der Thematik Digitalisierung befassen, sieht der Vorschlag der Freien Demokraten eine Gesamtinvestition von 320 Millionen Euro bis 2021 vor. Damit sollen unter anderem ein Modellprojekt für autonomes Fahren aufgelegt, die Polizei flächendeckend mit Tablets ausgestattet und eine Digitalisierungsoffensive an den Hochschulen gestartet werden.

 

Hessens Bildungsorte stärken

Modernisierungsbedarf sehen die Freidemokraten auch an Hessens Schulen, die teilweise in einem beunruhigenden Zustand sind. Nicht selten berichten Eltern von unzumutbaren Sanitäranlagen, zerfledderten Schulbüchern oder Lehrmitteln aus dem letzten Jahrhundert. Deshalb will die FDP-Landtagsfraktion ein Investitionsprogramm auflegen, das zwei Ziele verfolgt: den Sanierungsstau aufzulösen und die Ausstattung der Schulen auch im Hinblick auf die Digitalisierung zu verbessern. Um dies zu erreichen, sollen in den kommenden fünf Jahren jährlich 100 Millionen Euro für die Schulen zur Verfügung gestellt werden. Die Mittel sollen anhand der Schülerzahlen an die Schulträger verteilt werden, damit auch jene Kommunen, die bereits Sanierungen vorgenommen haben, nicht für ihre Weitsicht im Nachhinein bestraft werden.

Für die Freien Demokraten steht fest, dass Bildung als Kernthema stets einen besonderen Stellenwert haben sollte. Deshalb wollen sie auch den Bereich der frühkindlichen Bildung stärker in den Fokus der hessischen Bildungspolitik rücken. „Wir wissen heute, dass die Bildungsprozesse der frühen Kindheit den weiteren Bildungsweg unserer Kinder ganz entscheidend beeinflussen. Entsprechend führen Investitionen in eine qualitativ gute Frühförderung auf lange Sicht dazu, dass später weniger Mittel eingesetzt werden müssen, um Versäumtes zu reparieren“, erklärt René Rock, sozialpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion. Um die hessischen Kitas zu Bildungsorten auszubauen, fordert die Fraktion die Bereitstellung von 20 Millionen Euro für den Bereich der frühkindlichen Bildung.

Hessens Straßen brauchen eine echte Offensive

Markante Beispiele, wie Versäumnisse der aktuellen Politik langfristige Schäden verursachen können, lassen sich auch im Bereich der Infrastruktur aufzeigen: So liegt der Fokus von Verkehrsminister Al-Wazir seit Amtsantritt vor knapp drei Jahren eher auf der Förderung des Rad- und Fußverkehrs statt auf der Verwirklichung von Straßenbauprojekten. Dabei rangiert Hessen mittlerweile auf Platz 4 der Liste der staureichsten Bundesländer. Deutschlandweite Stau-Spitzenreiter sind übrigens zwei der wichtigsten Verkehrswege in Hessen: die A 3 und die A 5. Umso bedauerlicher ist es aus Sicht der FDP, dass Al-Wazir im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans 2030 nicht mehr Gelder für Hessen gefordert hat, obwohl nach Verkehrsprognosen des Bundes der Schwerlastverkehr bis 2030 um 39 Prozent, der PKW-Verkehr um 12 Prozent steigen wird. Hessen als Transitland wird davon überproportional betroffen sein. Auch die hessischen Landesstraßen sind kein Schwerpunktthema der schwarz-grünen Landesregierung. Zwar befinden sich nach Angaben des Verkehrsministeriums aktuell rund 3.300 Kilometer in einem schlechten oder sehr schlechten Zustand, dennoch will man bis 2022 gerade mal 640 Kilometer sanieren. „Seit ihrem Antritt hat die schwarz-grüne Landesregierung die Mittel für den Landesstraßenbau sukzessive gekürzt. Wenn die Landesregierung nicht endlich die Kurve kriegt, wird sich der Zustand der Straßen in den nächsten Jahren weiter dramatisch verschlechtern“, kritisiert Jürgen Lenders, verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion. Auf diese Weise werde nicht nur die Instandhaltung vernachlässigt, sondern auch der für Hessen wichtige Aus- und Neubau der Verkehrsinfrastruktur verhindert. Die Fraktion habe deshalb Vorschläge herausgearbeitet, wie die Landesregierung die zur Verfügung gestellten Mittel um weitere 131 Millionen Euro anheben könnte.

Vorhandene Mittel richtig nutzen

Die Freien Demokraten im Hessischen Landtag haben die Bereiche Digitalisierung, Bildung und Infrastruktur als wegweisende Projekte für Hessens Zukunft ausgemacht. Dafür sei es keineswegs erforderlich, den Weg der Reduzierung der Neuverschuldung zu verlassen – stattdessen müssten nur die Prioritäten anders gesetzt sowie die zur Verfügung stehenden Mittel besser genutzt werden.

So beinhaltet der Vorschlag der Freien Demokraten die Rücknahme der Arbeitszeitverkürzung und die Nutzung von Privatisierungsmöglichkeiten. „Wir plädieren dafür, bei der 42-Stunden-Woche zu bleiben und die entsprechend vorgesehenen Stellenaufwüchse in den jeweiligen Einzelplänen (insgesamt fast 1.000 Stellen) zu streichen. Denn auf diese Weise ergeben sich nicht nur positive Auswirkungen auf den Haushalt 2017 in Höhe von 20 Millionen Euro, sondern auch auf die Folgehaushalte in Höhe von jährlich rund 50 Millionen Euro“, erklärt der haushaltspolitische Sprecher der Fraktion, Dr. h. c. Jörg-Uwe Hahn.

„Darüber hinaus wollen wir – statt staatliche Anteile zu erhöhen – den genau entgegengesetzten Weg einschlagen und konsequent landeseigene Beteiligungen und Liegenschaften auf Privatisierungsmöglichkeiten prüfen. Denn die Möglichkeit zur Veräußerung von staatlichen Anteilen birgt für das Land ein erhebliches Potenzial, frei werdende Mittel in wichtige Zukunftsprojekte zu investieren.“ Beispiele für zielführende haushaltspolitische Maßnahmen wären unter anderem eine Absenkung der Beteiligung des Landes Hessen an der Fraport AG auf 25,1 Prozent sowie der Verkauf der Anteile an der Messe Frankfurt und der Nassauischen Heimstätte.