Regierungserklärung zur Europapolitik

02.05.2017
  • Landesregierung fehlt klar erkennbare europapolitische Strategie und nachvollziehbare Schwerpunktsetzung
  • Politischen Akteuren auf Landesebene mangelt es an Engagement und Leidenschaft in der Sache
  • Türkei kann unter der Führung des Despoten Erdogan kein EU-Beitrittskandidat sein

Anlässlich der heutigen Regierungserklärung von Europaministerin Lucia Puttrich erklärte die europapolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag, Nicola BEER: „Die Brexit-Entscheidung löste im vergangenen Jahr ein europapolitisches Beben aus, dessen Tragweite für ganz Europa wohl erst in den kommenden Jahren absehbar sein wird. Daran, dass die Entwicklung aus europäischer Perspektive sehr bedauerlich ist, gibt es keinen Zweifel. Jedoch steht auch fest, dass die aktuelle Situation für Frankfurt, das Rhein-Main-Gebiet und ganz Hessen ein erhebliches Potential birgt, das nun mit Nachdruck genutzt werden muss, um im Wettbewerb mit anderen Standorten keine Nachteile zu haben. Der schwarz-grünen Landesregierung muss klar sein, dass die Konkurrenz nicht schläft und um die Ansiedlung von Institutionen und Unternehmen europaweit bereits Schlange steht. Zwar gehen einige der von der Landesregierung angekündigten Maßnahmen prinzipiell in die richtige Richtung, jedoch fehlt uns bisher eine klar erkennbare europapolitische Strategie und eine nachvollziehbare Schwerpunktsetzung hinsichtlich der Ansiedlung von Institutionen und Unternehmen: So nimmt man zwar den Bankensektor in den Blick, klammert aber den wichtigen Industriebereich aus. Man konzentriert sich ausschließlich auf Frankfurt, während die anderen hessischen Regionen überhaupt nicht beachtet werden. Auch fehlt es unserer Meinung nach den beteiligten Akteuren auf Landesebene bedauerlicherweise an Engagement und Leidenschaft in der Sache: Insbesondere Tarek Al-Wazir ließ die großartige Gelegenheit, endlich nachzuweisen, dass er tatsächlich Wirtschaftsminister und nicht Anti-Wirtschaftsminister des Landes Hessens ist, bisher leider ungenutzt verstreichen.“

Weiter erklärte Beer:

„Noch desolater als die schwarz-grüne Koalition in Hessen agiert aktuell die Bundesregierung in Berlin, die bereits daran scheitert, eine einheitliche Strategie zu verfolgen, wie man vom Zeitplan und vom Inhalt mit dem möglichen Ausscheiden Großbritanniens umgehen will. Statt einer verantwortungsvollen Stimme zum Umgang mit den Konsequenzen des Brexit ist seit einem Jahr bloß ein vielstimmiger Chor aus CDU, CSU und SPD zu hören, der kaum Hoffnung auf eine stringente Strategie aufkommen lässt. Besonders fatal sind hierbei die Pläne von Außenminister Sigmar Gabriel und der SPD: Denn in der aktuellen Situation ist ein Konzept, das bloß auf neuen Schulden fußt, um mehr Geld verteilen zu können, der denkbar schlechteste Weg für das Europa der Zukunft. Denn es stellt genau die Form von sozialpolitischem Missmanagement dar, das nicht nur bei den Briten Skepsis gegenüber Europa hervorgerufen hat, sondern das auch in anderen Ländern Populisten und Nationalisten in die Hände spielt.

Zudem muss nun nach dem Referendum mehr als je zuvor feststehen, dass die Türkei unter der Führung des Despoten Erdogan kein EU-Beitrittskandidat sein kann und auch die Milliardenüberweisungen an EU-Heranführungshilfen endlich beendet werden müssen. Die Bespitzelung und finanzielle Einflussnahme des türkischen Staates in Deutschland, die massive Wahlbeeinflussung zugunsten der Ja-Kampagne nicht nur in der Türkei, sondern europaweit, müssen dazu führen, dass Kanzlerin Merkel endlich gegenüber der Türkei handelt. Denn wer nicht spätestens jetzt klare Worte gegenüber der Abschaffung von Menschen- und Freiheitsrechte in der Türkei findet, der duldet auch, dass auf deutschem Boden unter dem Schutz unseres Grundgesetzes an deren Abschaffung gearbeitet wird. Dies birgt erheblichen Sprengstoff für den gesellschaftlichen Frieden in Deutschland – und gerade auch in Hessen.“