Alle Jahre wieder… Vorweihnachtlicher Jahresendspurt im Hessischen Landtag

18.12.2015

Besinnlich ging es in der letzten Plenarwoche des Jahres im Hessischen Landtag ganz und gar nicht zu – auch wenn die Landesregierung alles daran gesetzt hatte, den Dissens zu wichtigen Themen wie beispielsweise dem Haushalt 2016 möglichst herunterzuspielen. So präsentierten die Regierungsfraktionen die gemeinsam mit der SPD beschlossenen Änderungsanträge zum Haushalt 2016 und der Ministerpräsident feierte sich in seiner Regierungserklärung für den beim Länderfinanzausgleich erzielten Kompromiss. Doch da hatten Bouffier und die Fraktionen von CDU und Grüne das Jahr noch vor Heiligabend gelobt. Denn die von der Opposition auf die Tagesordnung gesetzten Themen wie der derzeitige Produktionstopp für das hessische Unternehmen K+S und die Verzögerungen beim Bau des Riederwaldtunnels sorgten für hitzige Debatten in der kalten Jahreszeit.

Nach Kompromiss beim Länderfinanzausgleich:
Schwarze Null – jetzt erst recht!

Anfang Dezember hatten sich die 16 Bundesländer auf eine Reform des jahrelang umstrittenen Finanzausgleichs geeinigt. Diese „historische Entscheidung“, wie er sie nannte, machte der Ministerpräsident am Dienstag zum Thema seiner letzten Regierungserklärung im Jahr 2015 und feierte sie als großen Erfolg – für Deutschland und für Hessen. Schließlich bedeutet die Neuregelung der Finanzbeziehungen unter den Bundesländern eine Entlastung für Hessen von knapp 600 Millionen Euro pro Jahr ab 2020.

Es war der Druck der schwarz-gelben Vorgängerregierungen in Hessen und Bayern, die mit ihrer gemeinsamen Klage vor dem Bundesverfassungsgericht überhaupt erst Bewegung in die Verhandlungen gebracht hatten und so einen Kompromiss ermöglicht haben. In seiner Rede forderte Florian Rentsch deshalb den Bund und allen voran Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, die Einigung der Länder nicht zu einer Farce verkommen zu lassen und den vorgeschlagenen Kompromiss mitzutragen: „Dieser Kompromiss ist ein Vorteil für unser Land, auch wenn Hessen an vielen Stellen nicht das hat erreichen können, was wir mit der Klage in 2013 beabsichtigt hatten. Mit der Neuregeleung des Länderfinanzausgleichs wollten wir Anreize schaffen – Anreize, dass Länder wirtschaftlich auf eigenen Füßen stehen wollen und finanzschwache Länder nicht weiter Schulden auf Kosten finanzstarker Länder machen. Denn wir sind der festen Überzeugung, dass Leistung nicht bestraft werden darf. Immerhin hat sich Hessen den Status als finanzstarkes Land hart erarbeitet.“ Abschließend appellierte Rentsch an den Hessischen Landtag, dass die Debatte über eine Verzögerung oder ein Aussetzen der Schuldenbremse spätestens jetzt beendet werden muss: „Damit werden wir ausreichend Spielräume haben, die Schuldenbremse einzuhalten und Investitionen zu leisten.“

 

Mehr Abstand für Windkraft

Ein rauher Wind wehte am späten Dienstagabend durch den Plenarsaal. Der Grund: Die zweite Lesung des von uns eingebrachten Gesetzes zur Änderung der Hessischen Bauordnung, dem so genannten 10H-Gesetz, stand auf der Tagesordnung. Der Gesetzentwurf sieht eine Anpassung der Abstandsgrenzen von Windkraftanlagen zur Wohnbebauung vor, um den Schutz von Anwohnern vor Schall, Infraschall und Schattenwurf von Windrädern zu verbessern, wie René Rock in seiner Rede erklärte: „Die heute gültigen Richtlinien für die Genehmigung von Windkraftanlagen stammen aus den 90er Jahren und sind mittlerweile völlig überholt. Damals waren Windkraftanlagen 80 Meter hoch, heute sind 200 Meter und mehr Standard. Es sollte also Grundkonsens unter allen demokratischen Kräften sein, dass Menschen besser zu schützen sind, wenn sie größeren Belastungen ausgesetzt werden.“

Windkraft

In einer Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung hatten Vertreter der Bürgerinitiativen und Experten überzeugend dargelegt, wie ihre Lebensqualität abnimmt, wenn nur wenige hundert Meter neben den eigenen vier Wänden 200 Meter hohe Windkraftanlagen errichtetet werden. Nicht zuletzt deshalb verlieren auch Immobilien im Umfeld solcher Anlagen drastisch an Wert. Touristische Betriebe kämpfen oft um ihre Existenz. Deshalb wollen wir mit dem 10H-Gesetz die Grenzen dynamisch an der Größe der Windkraftanlagen ausrichten. So schaffen wir eine faire Lösung, die Planungssicherheit für alle Beteiligten bringt und zur Befriedung vieler örtlicher Konflikte um Windkraftanlagen beitragen würde. Statt starren Grenzen von 600 bzw. 1.000 Metern würden die Abstandsgrenzen zur Wohnbebauung nach dem Grundsatz „Höhe des Windrades multipliziert mit 10 in Metern“ errechnet. Diese Regel gilt bereits in Bayern und sollte auch in Hessen, im Interesse der betroffenen Menschen, umgesetzt werden.

Bedauerlicherweise haben die anderen im Landtag vertretenen Fraktionen gegen unseren Vorschlag gestimmt. Und das obwohl es keinen sachlichen Grund gibt, die berechtigten Interessen der betroffenen Anwohner von Windkraftanlagen abzulehnen. So haben wir auch durch den Hessischen Landkreistag, den Hessischen Bauernverband, die „Schutzgemeinschaft Deutscher Wald Hessen“ und einen Gutachter des Bundesumweltamtes Unterstützung für unseren Gesetzentwurf erhalten. „Wenn jetzt die schwarz-grüne Landesregierung die Menschen jedoch gegen ihr Ziel, zwei Prozent der Landesfläche mit Windrädern zu pflastern, ausspielt, ist das ein Armutszeugnis. Die Gesundheit und Lebensqualität unserer Bürger sollte nicht weiter aufs Spiel gesetzt werden, um einer verfehlten Symbolpolitik zu dienen“, bewertete René Rock die Debatte abschließend.

 

Verabschiedung des Haushalts 2016

Haushalt 2016

Nach zahlreichen Debatten wurde am Mittwoch in dritter Lesung der Landeshaushalt für 2016 verabschiedet. Die vorangegangenen Beratungen waren in zweierlei Hinsicht besonders: Zum einen stellt der anhaltende Flüchtlingsstrom Hessen aktuell vor erhebliche Herausforderungen. Zum anderen wird das Land in 2016 so viel einnehmen, wie noch nie. Trotzdem will Finanzminister Schäfer knapp 600 Millionen Euro neue Schulden machen. Wir sind jedoch der Meinung, dass Hessen trotz und gerade wegen der aktuellen Herausforderungen mehr als diese Summe einsparen muss, um das Ziel der Schwarzen Null in 2020 nicht aus den Augen zu verlieren. Das bestätigt auch eine just am Tag der Verabschiedung veröffentliche Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PWC, nach der das finanzstarke Hessen beim Länderranking zum Schuldenstand nur Platz elf belegt. Aus unserer Sicht ist das ein untrügliches Zeichen dafür, dass es endlich struktureller Einsparungen durch eine konsequente Staatsmodernisierung bedarf.

In seiner Rede warf Jörg-Uwe Hahn der Landesregierung vor, dass sie keinerlei solcher Strukturreformen vorgenommen und falsche Schwerpunkte gesetzt hat: „Wir halten an der Einhaltung der Schuldenbremse fest und werden deshalb im kommenden Jahr im Rahmen des angekündigten Aktionsplans Staatsmodernisierung entsprechende Vorschläge vorlegen.“

 

Zwangspause für K+S

Wegen einer zum 1. Dezember ausgelaufenen Erlaubnis zur Abwasser-Versenkung und einem damit einhergehenden Stopp für die Kaliproduktion musste das Unternehmen K+S, das einer der wichtigsten Arbeitgeber für die gesamte Region Osthessen ist, 1.750 Beschäftigte in den Zwangsurlaub schicken. Maßgeblich Schuld daran ist die Landesregierung, die sich nicht rechtzeitig um eine Übergangsregelung zur Fortführung der Kaliproduktion bemüht hat uns dies auch noch immer nicht tut. Angesichts der verheerenden Folgen und der Unsicherheit, die durch die jetzt fehlende Versenkerlaubnis entstanden sind, sowie einer zu befürchtenden Gefährdung weiterer Arbeitsplätze, haben wir die schwarz-grüne Koalition mit einem Antrag dazu aufgefordert, unverzüglich dafür zu sorgen, dass das Unternehmen seine Produktion wieder aufnehmen kann.

In seiner Rede nahm Jürgen Lenders die Landesregierung – allen voran Umweltministerin Hinz und die Fraktion der CDU – in die Pflicht: „Hinz steht in der Pflicht und Verantwortung, für Rechtssicherheit hinsichtlich einer Übergangslösung und der Oberweser-Pipeline zu sorgen. Sollte dies nicht gelingen, wird sich die Lage für das Unternehmen erheblich verschärfen. Bereits nach der Warnung des Unternehmens vor Produktionseinbußen hätte die schwarz-grüne Koalition hellhörig werden und entsprechend handeln müssen. Das Verhalten, das die Landesregierung jetzt an den Tag legt, steht in einem krassen Widerspruch zu dem Eindruck, der mit der Schaffung des Vier-Phasen-Plans und den Aussagen des Ministerpräsidenten anlässlich der Debatte um eine Übernahme des Unternehmens durch Potash erweckt werden sollte. Der Union geht es offensichtlich nicht um das Wohl des für die Region so wichtigen Unternehmens, sondern bloß um Koalitionsfrieden mit den Grünen, deren Umweltministerin offenbar bei der Festlegung der Rahmenbedingungen für das Unternehmen freie Hand hat – und eben das rächt sich nun.“

 

Verzögerungen beim Bau des Riederwaldtunnels – Al Wazir stößt Pendler vor den Kopf

Vor wenigen Wochen hatte Verkehrsminister Al-Wazir angekündigt, dass sich der Bau des Riederwaldtunnels, der die Autobahnen 66 und 661 im Osten Frankfurts verbinden und damit Pendler und Anwohner an den hochbelasteten Ausweichrouten entlasten soll, um mindestens zwei weitere Jahre verzögern wird. Eigentlich sollte der Bau in 2016 beginnen, jetzt werden die Arbeiten wohl erst 2018 starten. Doch aus welchem Grund eigentlich? Das wollten wir vom Verkehrsminister am Donnerstag im Plenarsaal erfahren. Leider konnte der Minister uns auch diesmal keine nachvollziehbare Antwort liefern. Seinem Plan nach wird der Tunnel erst in 2025 fertig werden.

In seiner Rede brachte Jürgen Lenders die Gründe hervor, warum die von Al-Wazir angeführten Argumente für den Aufschub wenig stichhaltig sind: „Für den Bau des Tunnels gibt es eine fertige und genehmigte Planung. Es gehört zu den Grundregeln einer solchen Planung, dass sie mit den Kenntnissen genehmigt werden, die zum Zeitpunkt des Genehmigungsverfahrens vorlagen. Jetzt Planänderungen zum Anlass zu nehmen, die gesamten Auswirkungsprognosen neu aufzurollen und dies mit der Begründung, Frankfurt würde stärker wachsen, als gedacht, ist schon sehr bei den Haaren herbei gezogen.“ Mittlerweile drängt sich uns leider unweigerlich der Eindruck auf, dass es dem grünen Minister darum geht, mit allen Mitteln zu vermeiden, mit dem Bau von wichtigen Verkehrsinfrastrukturprojekten in Verbindung gebracht zu werden. Doch Lenders nahm auch die CDU in die Pflicht: „Dass die CDU nach den Verzögerungen bei der A49 und dem Kampf gegen Terminal 3 Al-Wazir nun auch noch den Lückenschluss der A66 auf dem Altar des Koalitionsfriedens opfert ist unverzeihlich für die einstige Wirtschaftspartei. Nachdem Al-Wazir unter Rechtsbeugung auf den Durchgangsstraßen Tempo 30 durchgesetzt hat, ist die Bekämpfung des Riederwaldtunnels die nächste Gefälligkeit, die er den Frankfurter Grünen auf dem Silbertablett präsentiert.“

 

Todesstrafe aus der Verfassung streichen

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Am 11. Dezember 1946 trat Hessens Verfassung in Kraft. Damit ist sie bald 70 Jahre alt und die älteste geltende Verfassung in Deutschland – und die einzige, in der noch die Todesstrafe steht. Nicht nur deshalb ist es längst überfällig, dass der Vertrag unseres Landes an die Neuzeit angepasst wird. Gemeinsam mit den Fraktionen von CDU, SPD, und Grüne haben wir in dieser Plenarwoche beschlossen, dass Hessen eine neue Verfassung bekommen soll. So wollen wir unter anderem das Ehrenamt als Staatsziel formulieren, die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen von Volksbegehren und Volksentscheiden und die Regelung zum passiven Wahlalter überprüfen.

 

Streichung des Anlassbezugs bei der Ladenöffnung

Laut Ladenöffnungsgesetz dürfen Hessens Geschäfte ihre Türen nur dann an einem Sonntag öffnen, wenn zeitgleich ein örtliches „Sonderereignis“ – zum Beispiel ein Fest oder ein Markt – stattfindet. Um Hessens Innenstädte auch in Zukunft wettbewerbsfähig gegenüber den Städten und Gemeinden der Nachbarbundesländer und dem zunehmenden Internet- und Versandhandel zu halten, möchten wir diese Regelung abschaffen.

Den von uns eingebrachten Gesetzentwurf, der am Donnerstag in zweiter Lesung beraten wurde, begründete Jürgen Lenders in seiner Rede am Donnerstag: „Die Abschaffung des Anlassbezuges im Ladenöffnungsgesetz war ein Anliegen von Kommunen und Handel, um Rechtssicherheit zu schaffen.“ Sowohl die Kommunen als auch Wirtschaft und Handel haben in einer Anhörung, die Mitte November im Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung stattgefunden hat, bestätigt, dass die Abschaffung des Sonderereignisses bei der Sonntagsöffnung zu mehr Rechtssicherheit und fairem Wettbewerb mit dem Onlinehandel beitragen würde. Mit einer Änderung des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes wollen wir zu einer Belebung der Innenstädte beitragen und gerade für kleinere Händler Verbesserungen gegenüber den großen Einzelhandelsketten schaffen. Dabei sieht unser Gesetzentwurf weiterhin maximal vier verkaufsoffene Sonntage vor, wodurch eine Gefährdung der Sonntagsruhe und der Arbeitnehmerinteressen nicht zu befürchten ist. Kein Arbeitnehmer wird auch zukünftig mehr als vier Sonntage arbeiten müssen.

Obwohl die Regierungsfraktionen durchblicken ließen, dass sie eine Abschaffung des Sonderereignisses aus ihrer Sicht auch für sinnvoll erachten, verschanzten sie sich hinter fadenscheinigen Ausreden, um nicht unserem Gesetzentwurf zustimmen zu müssen. Gerne geben wir jedoch der Koalition durch die Beantragung einer dritten Lesung abermals die Möglichkeit, ihre Entscheidung nochmal zu überdenken.“