Zeit, Verantwortung zu übernehmen
Verantwortung spielte eine wesentliche Rolle in der letzten Plenarwoche des Hessischen Landtags vor der Sommerpause: Besondere Aufmerksamkeit zog erwartungsgemäß die Debatte über den Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses zum Mordfall Lübcke auf sich – eine Diskussion, in der Dr. Matthias Büger als Obmann der Fraktion der Freien Demokraten an die Landesregierung appellierte, Verantwortung für das Geschehene zu übernehmen. Auch in anderer Hinsicht wird die schwarz-grüne Landesregierung nach Eindruck der Freien Demokraten ihrer Verantwortung nicht immer gerecht. Sei es Hessens Justizminister Roman Poseck, der sich trotz nur schleppenden Fortschritts bei der Digitalisierung der Justiz in seiner Regierungserklärung selbst lobte, oder Umweltministerin Priska Hinz, die die Ängste der Bürgerinnen und Bürger im Allgemeinen und der Tierhalter im Speziellen vor dem Wolf ignoriert. In Bezug auf den Umgang mit dem Wolf haben die Freien Demokraten in ihrer aktuellen Stunde eine Wende gefordert, und auch mit ihrem Setzpunkt hat die FDP-Fraktion gezeigt, dass sie Verantwortung übernehmen will: nämlich dafür, dass ein Aufstieg durch eigene Leistung für jeden und jede möglich ist.
Erkenntnisse des Lübcke-Mords müssen Konsequenzen haben
Mit einer Debatte im Hessischen Landtag ist jetzt die parlamentarische Aufbereitung des Mordes am Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke zu Ende gegangen. Nach drei Jahren intensiver Arbeit liegt die Abschlussberichterstattung des 2020 eingesetzten Untersuchungsausschusses vor, die Grundlage der Diskussion im Landtag war. Dr. Matthias Büger, Obmann der Freien Demokraten im Hessischen Landtag im Untersuchungsausschuss, rief in der Debatte dazu auf, Missstände abzustellen und Verantwortung zu übernehmen. „Der Ausschuss hat offengelegt, dass die Gefährlichkeit des späteren Lübcke-Mörders Stephan Ernst falsch eingeschätzt wurde und die Sperrung seiner Akte eines der größten Versäumnisse der Sicherheitsbehörden war. Der Ausschuss hat herausgearbeitet, dass es strukturelle Mängel und organisatorische Versäumnisse bei den hessischen Sicherheitsbehörden gab. Daraus Konsequenzen zu ziehen, ist gleichermaßen eine politische wie moralische Verpflichtung“, erklärte Büger. Es brauche einen modernen Verfassungsschutz, der rechtsextreme Netzwerke effizient aufklärt, eine koordinierte Zusammenarbeit zwischen dem Landesamt für Verfassungsschutz und der hessischen Polizei, Speicherfristen mit Augenmaß sowie für den Verfassungsschutz eine verbesserte Aus- und Fortbildung und eine bessere parlamentarische Kontrolle. Besonders bedauerlich sei, dass es den demokratischen Fraktionen nicht gelungen sei, einen gemeinsamen Abschlussbericht vorzulegen. Obwohl die Rolle des offiziellen Berichterstatters beim Sozialdemokraten Gerald Kummer lag, hatten CDU und Grüne einen eigenen Bericht verfasst und beschlossen.
Die Aufforderung, Verantwortung zu übernehmen, richtete Büger vor allem an die Landesregierung: „Zeugenaussagen belegen, dass der Innenminister dem Verfassungsschutz Mittel abgelehnt hat, die dieser für äußerst dringlich für seine Arbeit gehalten hat. Eine klare Aussage, dass dies ein Fehler war und dass damit die Landesregierung eine Mitverantwortung trifft, fehlt bis zum heutigen Tag. Es ist traurig, dass die zuständigen aktuellen und ehemaligen Landesregierungen, vor allem ihre Innenminister, trotz ihrer Verantwortung für die Situation des Verfassungsschutzes nicht die Kraft gefunden haben, sich öffentlich zu entschuldigen“, sagte Büger.
Der Obmann der Freien Demokraten betonte darüber hinaus, dass es zwar um Verantwortungsübernahme, nicht aber um Schuld gehe. Ebenso wenig sei die Frage einfach und sicher zu beantworten, ob der Mord an Walter Lübcke hätte verhindert werden können. „Es gibt keine Beweiskette, dass ein anderes Agieren der politisch Verantwortlichen die Mordtat hätte verhindern können. Die mangelhafte Ausstattung des Verfassungsschutzes hat aber das Risiko deutlich vergrößert, dass der Mörder vom Radar des Verfassungsschutzes verschwunden ist. Deshalb gibt es eine politische Verantwortung für die Missstände“, resümierte Büger.
Hessens Justiz in der Abstiegszone
Kurz vor Beginn der Sommerferien hat Marion Schardt-Sauer, rechtspolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, Hessens Justizministerium ein schlechtes Zeugnis ausgestellt: „Neun Jahre Schwarz-Grün haben die hessische Justiz in die Abstiegszone geführt“, erklärte Schardt-Sauer mit Blick auf die Regierungserklärung, die Minister Roman Poseck zuvor abgegeben hatte. Der seit gut einem Jahr amtierende Minister habe von seiner Amtsvorgängerin Eva Kühne-Hörmann ein Trümmerfeld übernommen, das es nun zu beseitigen gelte. Jetzt müsse ein moderner Rechtsstaat geschaffen werden, der für die Bürgerinnen und Bürger wirke. „Das muss spürbar sein und ist fundamental für die Akzeptanz. Zur Akzeptanz trägt auch bei, wenn Bürger ihre Anliegen an den Rechtsstaat schnell erfüllt sehen“, erläuterte Schardt-Sauer und wies auf zahlreiche Baustellen in der hessischen Justiz hin, von sich hinziehenden Erbscheinverfahren über Bewerbungen, die noch in Papierform eingereicht werden müssen bis zur digitalen Justiz inklusive Einführung der E-Akte in den hessischen Gerichten, die nach wie vor in Verzug sei. „Es gibt laut Justizminister keinen Plan B, wenn die Umsetzung nicht fristgerecht zum Endes des Jahres 2025 erfolgt. Das ist angesichts des Status quo mutig. Schließlich ist nicht auszuschließen, dass es aufgrund technischer Probleme zu Verzögerungen kommt“, stellte Schardt-Sauer fest.
Schardt-Sauer erinnerte in ihrer Rede daran, dass außer den Oppositionsfraktionen im Landtag auch Roman Poseck in seiner Zeit als OLG-Präsident selbst auf Missstände in der Justiz hingewiesen habe und auch der Landesrechnungshof eine fundierte Fehleranalyse vorgenommen habe. „Jetzt endlich, nach den knallharten Analysen des Rechnungshofs, werden die Trümmer beseitigt und die Probleme abgearbeitet. Daran, dass Hessen anderen Ländern hinterherhinkt, ändert das leider nichts mehr“, betonte Schardt-Sauer.
Dass der Minister seine Rede wieder einmal nutzte, um das Thema Vorratsdatenspeicherung anzusprechen und eine einmonatige Speicherfrist von IP-Adressen vorzuschlagen, ärgerte Schardt-Sauer. „Das gebetsmühlenartig Vortragen von Varianten der Vorratsdatenspeicherung, die Gerichte seit Jahren immer wieder kassieren ist schlicht populistisch!“
Durch Bildung sozialen Aufstieg ermöglichen
Das Aufstiegsversprechen ist den Liberalen eine Herzensangelegenheit: Mit einem Bündel an Maßnahmen wollen sie deshalb die Bildung voranbringen, um möglichst vielen Menschen einen Aufstieg zu ermöglichen und die soziale Mobilität zu stärken. Dementsprechend hat die FDP-Landtagsfraktion ihr Ziel einer Erneuerung des Aufstiegsversprechens zum Setzpunkt, also zum Schwerpunkt der jüngsten Plenarwoche gemacht: „Es kommt nicht darauf an, wo ein Mensch herkommt, sondern wo ein Mensch hin will“, betonte Moritz Promny, bildungspolitischer Sprecher der Fraktion, in seiner Rede. Doch noch lange nicht allen Menschen sei ein Aufstieg durch eigene Leistung möglich. Drei Stationen seien grundlegend dafür, dass Menschen durch eigene Leistung vorankommen und aufsteigen können: „die frühkindliche Bildung, mit der die Förderung von Kindern startet, die schulische Bildung als Grundlage für Bildungsabschlüsse sowie die Gleichberechtigung von Männern und Frauen für die Beseitigung von Ungerechtigkeiten in der Erwerbslaufbahn“, erklärte Promny.
Konkret forderte er mit Blick auf die frühkindliche Bildung den Aufbau eines Instituts für frühkindliche Bildung, eine flächendeckende Ausbildungsvergütung, um mehr Erzieherinnen und Erzieher zu gewinnen, bessere Verdienstmöglichkeiten für höher qualifizierte Kräfte in Kitas sowie mehr MINT- und Sprachförderung. „Auch in Bezug auf die Schulen, vor allem die Grundschulen, ist das Fazit nach zwei Legislaturperioden Schwarz-Grün: Arbeitsbedingungen mangelhaft, Wertschätzung: ungenügend. Die Landesregierung ist zahlreiche Maßnahmen schuldig geblieben, um die Chancengerechtigkeit in Hessen zu verbessern.“ Dazu gehörten außer einer schnelleren Umsetzung von A13 und einer Fachkräfteoffensive vor allem mehr Qualität im Ganztag. Auch die Stärkung der ökonomischen Bildung verbessere die Chancengerechtigkeit, vor allem für Mädchen und junge Frauen. Die Freien Demokraten fordern daher mindestens eine wirtschaftsdidaktische Professur in Hessen und wollen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Schulen das Fach Politik und Wirtschaft in zwei Fächer aufteilen können.
Vorschläge unterbreiteten die Freien Demokraten auch für Schulabbrecher: „Hier sollen beispielsweise vorhandene Programme gestärkt und weitere Programme entwickelt werden, die Jugendliche hin zu einem Schulabschluss und in eine Ausbildung führen“, erläuterte Promny und forderte darüber hinaus eine Verbesserung der MINT-Förderung von Mädchen und Frauen sowie eine Förderung flexibler Arbeitsmodelle. „Damit kann der strukturellen Benachteiligung von Mädchen und Frauen entgegengewirkt werden“, betonte Promny.
Zeit für eine Wende in der Wolfspolitik
Mit der Zahl der Wolfssichtungen und Nutztierrisse steigen die Sorgen und Ängste der Bürgerinnen und Bürger vor dem Wolf, vor allem im ländlichen Raum. Grund genug für die Freien Demokraten im Hessischen Landtag, das Thema zur aktuellen Stunde der jüngsten Plenarwoche zu machen und eine „Wolfswende“ zu fordern: „Schwarz-Grün muss endlich einen Schlussstrich unter viele Jahre falsche Wolfspolitik ziehen“, erklärte Wiebke Knell, jagd- und umweltpolitische Sprecherin der Fraktion. „Die Landesregierung lässt Landbevölkerung und Weidetierhalter weiterhin im Stich“, stellte Knell fest und forderte erneut eine Aufnahme des Wolfs in das Jagdrecht und eine eigene Wolfsverordnung. Dann können Problemwölfe, wenn man sie endlich als solche anerkenne, rechtssicher geschossen werden. Knell erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass der Wolf schon seit mehr als zehn Jahren in Sachsen und mittlerweile auch in Niedersachsen dem Jagdrecht unterliegt und auch Schleswig-Holstein eine Aufnahme plant.
Die jagd- und umweltpolitische Sprecherin forderte darüber hinaus eine Professionalisierung der Begutachtung von Proben gerissener Tiere und eine Beweislastumkehr bei Schadenersatzansprüchen zugunsten der Tierhalter, denn: „Bislang gehen die meisten Tierhalter leer aus, weil es heißt, Hund oder Fuchs hätten das Tier gerissen oder eine Artbestimmung sei nicht möglich. Bei einem Fall in Waldeck-Frankenberg, wo sechs Schafe gerissen wurden, kommt das Ergebnis Hund bei der genetischen Analyse raus. Das ist kaum vorstellbar.“
Knell kritisierte vor allem die CDU, die seit Jahren die romantisierende Wolfsschutzpolitik der Grünen mittrage, die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger vor dem Wolf aber nun im Wahlkampf für sich entdeckt habe. „Im Landtag hat die CDU seit Jahren nicht die Kraft, sich in umweltpolitischen Themen durchzusetzen, stellt aber nun in den Kreistagen Resolutionsanträge. Das ist nicht glaubwürdig, sondern ein Schlingerkurs!“