Sondersitzung zum Sondervermögen

17.06.2020

Die Coronakrise führt zu zahlreichen Besonderheiten. So kam an diesem Dienstag der Hessische Landtag zu einer außerplanmäßigen Sitzung zusammen, um über die finanzielle Situation des Landes und der Kommunen zu beraten. Neben einem zweiten Nachtragshaushalt möchte die Landesregierung ein kreditfinanziertes Sondervermögen bis zu 12 Milliarden Euro auf den Weg bringen. Eine Kreditaufnahme in dieser Größenordnung bedeutet eine Ausnahme von der Schuldenbremse. Für ihr Vorhaben braucht Schwarz-Grün deshalb die Unterstützung der Opposition – ob sie diese jedoch bekommen wird, ist nach der ersten Lesung des sogenannten „Gute-Zukunft-Sicherungsgesetzes“ noch unklar. Darüber hinaus standen Änderungen am Hessischen Schulgesetz auf der Tagesordnung. Wegen der Coronapandemie waren zahlreiche Sonderregelungen und Öffnungsklauseln notwendig geworden. 

Hessens Zukunft sichern

Mit dem „Gute-Zukunft-Sicherungsgesetz“ will die schwarz-grüne Landesregierung Hessen aus der Corona-Krise helfen, Steuerausfälle ausgleichen und dafür Schulden in Milliardenhöhe aufnehmen. Noch vor der Einbringung des Gesetzes, zu der der Hessische Landtag an diesem Dienstag in Wiesbaden extra zusammengekommen war, hatte es Gespräche zwischen CDU und Grünen sowie Freien Demokraten und SPD gegeben. Beide Oppositionsfraktionen hatten sich vor der ersten Landtagsdebatte jedoch skeptisch gezeigt. „Die in 70 Jahren angehäufte Verschuldung unseres Landes würde sich mal eben um ein Drittel erhöhen. Das ist eine gewaltige Last für die kommenden Jahre und kommende Generationen. Generationengerechtigkeit stellen wir uns anders vor“, kommentierte Marion Schardt-Sauer die schwarz-grünen Pläne nach deren Bekanntwerden. Geht es nach der Landesregierung, werden die Schulden, die für das Sondervermögen aufgenommen werden, über 30 Jahre getilgt.

Bereits im März hatte der Hessische Landtag einen Nachtragshaushalt auf den Weg gebracht, um in der Corona-Krise Hilfe zu leisten – mit den Stimmen aller Fraktionen. Doch die neueren Vorschläge der Koalition können nicht mehr alle überzeugen. „Es wird schon auf den ersten Blick deutlich, dass die bisherige Haushaltspolitik von Schwarz-Grün nicht auf den Prüfstand gestellt oder wenigstens für die Zukunft hinterfragt wird“, kritisierte Schardt-Sauer in der Debatte. Statt den mit viel Mühe verbundenen Versuch zu unternehmen, die Corona-Krise jetzt entschlossen zu bekämpfen und in den kommenden Jahren den prognostizierten Steuereinnahmenrückgang strukturell anzugehen, wähle Schwarz-Grün den bequemsten Weg, so die Haushaltspolitikern. „Wir haben Zweifel, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen alle aus der Corona-Krise resultieren. So viel neue Schulden braucht es wohl eher, um bis zum Ende der Wahlperiode keine Verteilungskämpfe innerhalb der Landesregierung beziehungsweise zwischen CDU und Grünen mehr aufkommen zu lassen“, mutmaßt die Freidemokratin. Ihre Fraktion bemängelt vor allem, dass mit dem Sondervermögen ein Schattenhaushalt gebildet und das Budgetrecht des Parlaments ausgehebelt werde. „Das ist ein gravierender Schritt, der einer ganz besonderen Rechtfertigung bedarf. Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen können nicht ernsthaft erwarten, dass wir ihnen einen zweiten Blankoscheck ausstellen“, kritisierte sie.

Nach Überzeugung der Freien Demokraten sollten erforderliche Corona-Hilfen weiter aus Nachträgen statt aus einem Sondervermögen finanziert werden. Alle Maßnahmen müssten zudem einen Corona-Check bestehen. „Die Landesregierung legt weder überzeugend dar, wofür sie das Geld konkret einsetzen will, noch woher sie ihr Wissen über die Entwicklung der Steuereinnahmen nimmt. Ich glaube nicht, dass die Landesregierung künftige Steuerschätzungen vorhersehen kann“, ergänzte Schardt-Sauer. „Es gibt andere Wege, in dieser herausfordernden Zeit zu helfen!“ Der Vorschlag der Freien Demokraten sieht vor, einen weiteren Nachtragshaushalt zu verabschieden, der die für 2020 notwendigen weiteren Mittel zur Bekämpfung der Auswirkungen der Corona-Pandemie bereitstellt, der die Steuermindereinnahmen 2020 beim Land und den Kommunen ausgleicht und die Höhe der Neuverschuldung niedrig hält. Mit der Anfang September zu erwartenden Sonder-Steuerschätzung könne dann fundiert für alle Ebenen der Blick auf die weiteren finanziellen Auswirkungen für die Jahre 2021 bis 2023 gerichtet werden.

Schulen an neue Normalität anpassen

Wenn ab kommendem Montag alle Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte wieder an Hessens Schulen zurückkehren, sind mehr als drei Monate vergangen, in denen statt Präsenzunterricht und Prüfungen Verordnungen und Videokonferenzen die Regel waren. Um geltende Vorgaben an die Besonderheiten der Beschulung in Zeiten der Corona-Krise anzupassen, hat die schwarz-grüne Koalition einen Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes vorgelegt. Bei den Maßnahmen handelt es sich etwa um den Verzicht auf Sitzenbleiben oder Vorgaben für Prüfungen und das Lernen zuhause.

Anlässlich der dritten Lesung des schwarz-grünen Gesetzes übte Moritz Promny erneut Kritik am Vorgehen der Landesregierung. „Die Landesregierung lässt die Schulen bei den Planungen für den Betrieb unter Corona-Bedingungen weitgehend allein“, sagte der Bildungspolitiker. Ihm fehlt es an klaren Vorgaben für die Gestaltung des schulischen Alltags. Die Freien Demokraten sind überzeugt, dass die Kinder und Jugendlichen so schnell wie möglich wieder regulär die Schule besuchen sollten, da jeder Tag in der Schule einen Beitrag zu mehr Chancengerechtigkeit leistet und Eltern entlastet. „Nach den Sommerferien muss der Unterricht an hessischen Schulen trotz Corona-Krise so normal wie möglich laufen“, forderte Promny im Rahmen der Debatte. Die von Schwarz-Grün beabsichtigten Anpassungen am Schulgesetz könnten deshalb nur ein Anfang sein. Noch immer seien viele Fragen offen, die die Expertinnen und Experten in ihren Rückmeldungen auf den schwarz-grünen Gesetzentwurf formuliert hatten. Ihre Rückmeldungen zeigten auch: „Es fehlt ein Konzept für das digitale Lernen, das nach den Sommerferien so wichtig sein wird wie davor“, so Promny. In einem Antrag forderte die FDP-Landtagsfraktion die Landesregierung auf, die bestehenden Konzepte für den eingeschränkten Schulbetrieb an einen Regelbetrieb unter Coronabedingungen anzupassen und die Schulen so schnell wie möglich bei den geplanten Öffnungen zu unterstützen. Insbesondere die Hygienekonzepte müssten durch klare Quarantäneregelungen, ausreichend Testmöglichkeiten im Verdachtsfall und regelmäßige Routinetestung des Personals erweitert werden. Darüber hinaus haben die Freien Demokraten den Vorschlag gemacht, die digitale Bildung im Schulgesetz zu verankern. Der entsprechende Gesetzentwurf wird in den nächsten Sitzungen weiter beraten werden.