Koalition der halben Herzen

22.04.2016

Ihre Halbherzigkeit hat die schwarz-grüne Landesregierung in der vergangenen Plenarwoche vor allem durch eine Kurskorrektur in der Bildungspolitik offen zur Schau getragen. Doch auch im Wohnungsbau vernachlässigt sie ihre grundlegenden Aufgaben, wie wir erneut erleben konnten,  und auch die aktuellen Herausforderungen des hessischen Handwerks, die durch eine Anfrage der Regierungskoalitionen offenkundig wurden, geht sie nur unvollständig an.

 

Schwarz-Grün macht Wohnen in Hessen teurer

„Die Situation auf dem Wohnungsmarkt ist Ernst.“ Bei dieser Feststellung, die Priska Hinz zu Beginn ihrer Regierungserklärung formulierte, müssen wir der für den Wohnungsbau zuständigen Ministerin beipflichten – nicht aber ihrem Plan, wie sie die zugespitzte Situation auf dem hessischen Wohnungsmarkt entzerren will. Eine Milliarde Euro will das Land bis 2019 für die soziale Wohnraumförderung zur Verfügung stellen und damit 10.000 Wohnungen entstehen lassen. Doch damit versucht die schwarz-grüne Landesregierung tatsächlich nur Probleme zu lösen, die durch ihre verfehlte Wohnbaupolitik überhaupt erst entstanden sind. In der Debatte am Dienstag nannte Jürgen Lenders nur einige Beispiele: „Mietpreisbremse, Fehlbelegungsabgabe, Nahverkehrsabgabe – fast alle bisherigen Maßnahmen der Landesregierung haben dazu geführt, dass das Wohnen in Hessen teurer wird. Gerade die Mietpreisbremse stellt für private Investoren ein enormes Hemmnis dar. Da der Staat, insbesondere die Kommunen, die große Anzahl von benötigten Wohnungen jedoch nicht alleine in der kurzen, zur Verfügung stehenden Zeit schaffen können, muss das Land zwingend den Schulterschluss mit dem privaten Wohnungsbau suchen und Investitionsanreize schaffen.“ Verheerend ist auch, dass es bisher keine solide Datenbasis für den hessischen Wohnungsmarkt gibt. Denn den obligatorischen und turnusmäßig längst überfälligen Wohnbaubericht hat Ministerin Hinz noch immer nicht vorgelegt, was Lenders zum wiederholten Male anprangerte: „Das ist ein klares Zeichen, dass die Wohnungsbaupolitik der schwarz-grünen Landesregierung entweder nicht auf einer soliden Datenbasis fußt oder dass der Mangel an Wohnungen derart verheerend ist, dass CDU und Grüne die Zahlen lieber zurückhalten.“ Fakt ist: Der eingeschlagene Kurs der Landesregierung wird die Situation auf dem hessischen Wohnungsmarkt weiter verschärfen: Die Neuausrichtung der Wohnraumförderung wird dazu führen, dass weniger Wohneigentum entsteht, während die Mietpreisbremse zugleich dafür sorgt, dass Investitionen in Immobilien erheblich an Attraktivität verlieren. Man muss Union und Grünen also durchaus zugestehen, dass sie neue Impulse in die Wohnungsbaupolitik eingebracht haben – nur leider zielen ihre Maßnahmen in die völlig falsche Richtung.

 

Rechtssicherheit für Sonntagsöffnungen schaffen

Für den 10. April hatte die Stadt Frankfurt einen verkaufsoffenen Sonntag geplant. Das Ereignis wurde über die Stadtgrenzen hinweg beworben, die Geschäfte stellten Personalplanungen auf, gastronomische Betriebe bestellten Waren, weil sie an diesem Tag mit mehr Kundschaft rechneten. Doch aus all dem wurde nichts! Nur drei Tage vorher untersagte der Hessische Verwaltungsgerichtshof die Sonntagsöffnung. Der Grund: Die Musikmesse entspreche nicht dem im Gesetz festgeschriebenen, erforderlichen Sonderereignis. Schätzungen zufolge hatte Frankfurts Einzelhandel mindestens 500.000 Euro allein in Marketingmaßnahmen investiert. Völlig umsonst! Statt Menschenmassen, herrschte am 10. April gähnende Leere auf der Zeil.

Doch nicht nur in Frankfurt, sondern in jüngerer Vergangenheit auch in anderen hessischen Städten wie beispielsweise Bad Soden und Darmstadt, hat sich gezeigt, dass die schlechte Ausgestaltung des hessischen Ladenöffnungsgesetzes zu sehr unterschiedlichen Auslegungen durch die Kommunen, den Handel und letztlich dann auch durch die Gerichte führt. Und die Liste der Leidtragenden der rechtlichen Unsicherheiten ist lang, wie Florian Rentsch in der von uns initiierten Debatte verdeutlichte: „Die Städte und Gemeinden haben keinerlei Planungssicherheit, die Gewerbetreibenden investieren teilweise vergeblich viel Zeit und Geld in die Organisation und es wird ihnen Umsatz entzogen, die Kunden müssen immer wieder kurzfristig auf zusätzliche Möglichkeiten verzichten und selbst die Beschäftigten haben Nachteile – denn bei einer absolut überschaubaren Zahl von maximal vier Sonntagsöffnungen im Jahr möchten viele Angestellte die zusätzliche Verdienstmöglichkeit, die oftmals mit Zuschlägen für Sonntagsarbeit einhergehen, nutzen.“

Bereits 2014 haben wir einen Gesetzentwurf vorgelegt, dessen dritte Lesung derzeit vorbereitet wird. Darin wird der so genannte Anlassbezug für die Öffnung von Geschäften an Sonn- und Feiertagen, welcher ausnahmslos der Grund für die juristischen Auseinandersetzungen darstellt, abgeschafft. Dadurch wären verkaufsoffene Sonntage nicht mehr an Sonderereignisse wie Messen oder Feste geknüpft. „Die Abschaffung des Anlassbezuges im Ladenöffnungsgesetz war ein Anliegen von Kommunen und Handel, um Rechtssicherheit zu schaffen und ist der einzig richtige und gangbare Weg, das rechtliche Chaos bei den verkaufsoffenen Sonntagen endlich zu beenden“, erklärte Rentsch. Da auch unser Entwurf wie bisher im Gesetz vorgesehen maximal vier verkaufsoffene Sonntage im Jahr erlaubt, ist eine Gefährdung der Sonntagsruhe und der Arbeitnehmerinteressen nicht zu befürchten. Entgegen der immer wieder gegen unseren Entwurf vorgebrachten Behauptung erfolgt eben ausdrücklich keine zahlenmäßige Ausweitung. Wir hoffen daher, dass vor allem CDU und Grüne endlich ihre Blockadehaltung aufgeben und unserem Vorschlag zustimmen.

 

Lehrerstellenkürzungen vollständig zurücknehmen

PetitionenDie Kürzungen der schwarz-grünen Landesregierung an Hessens Grundschulen und Gymnasien haben hohe Wellen geschlagen und zu erheblichen Protesten von Eltern, Lehrern und Schülern in Hessen geführt: So versammelten sich 30.000 Unterstützer hinter zwei an den Landtag gerichteten Petitionen, die von CDU und Grünen eine Umkehr ihres gymnasialfeindlichen Kurses forderten.

Seit dem Bekanntwerden der Kürzungspläne haben auch wir nichts unversucht gelassen, die Landesregierung von ihrem gymnasialfeindlichen Kurs abzubringen. Unser beharrliches Drängen sowie der Protest von Lehrern, Schülern und Eltern hat jetzt wenigstens einen ersten Teilerfolg erzielt. Einen Tag vor der von uns erneut auf die Tagesordnung gesetzten Debatte über die von der Landesregierung vorgenommenen Lehrerstellenkürzungen an Hessens Grundschulen und Gymnasien ruderte Kultusminister Lorz zurück. Am Mittwoch kündigte er an, auf die in den kommenden zwei Schuljahren anstehenden Kürzungen verzichten zu wollen.

Allerdings darf nicht vergessen werden, dass die zu Beginn dieses Schuljahres vollzogenen Kürzungen um 165 Stellen an den Gymnasien und 150 Stellen an den Grundschulen weiterhin Bestand haben, wie Wolfgang Greilich in der Debatte verdeutlichte: „Wenn aufgrund des geschlossenen Widerstands der Schulgemeinden der Kultusminister verkündet, wenigstens die geplanten Kürzungen um weitere 155 Stellen nicht vornehmen zu wollen, aber die bereits gestrichenen 310 Stellen an Gymnasien und Grundschulen nicht zurückzugeben, dann ist das nur der Versuch, mit halbherzigen Reaktionen den Druck aus dem Kessel zu nehmen. Nach dem dem ersten Schritt muss die Landesregierung nun auch den Mut aufbringen und die Einsicht zeigen, in einem zweiten Schritt ihre Fehler komplett zu korrigieren.“

Wir werden die Landesregierung auch in diesem Punkt nicht aus der Verantwortung lassen. So forderte Wolfgang Greillich die Landesregierung eindringlich auf: „Kehren Sie auf Ihrem fatalen Kreuzzug zum Schleifen der gymnasialen Bildung um! Es ist entweder ein Zeichen von politischer Naivität oder Arroganz, wenn Sie wirklich davon ausgehen, den Menschen in unserem Land verkaufen zu können, dass die Änderungen in der Lehrerzuweisung für Grundschulen und gymnasiale Oberstufen keine spürbaren Auswirkungen haben werden. Die Koalition sollte nun die nötige Größe und politische Weitsicht zeigen, die Kürzungen vollständig zurückzunehmen, da jeder Schritt, die Gymnasien zum Steinbruch der Bildungspolitik zu machen, ein Fehler mit fatalen Folgen ist.“

 

Herausforderungen des Handwerks meistern

tool-384740_1920Anlässlich der Antwort der Landesregierung auf eine Große Anfrage haben wir in dieser Woche auch über die Situation des hessischen Handwerks diskutiert. So haben wir dank der Regierungsfraktionen nun zwar eine hilfreiche Bestandsaufnahme über das Handwerk mit seinen über 75.000 kleinen und mittleren Betrieben geliefert bekommen, allerdings ziehen sie daraus bedauerlicherweise nicht die richtigen Schlüsse, wie Jürgen Lenders in seiner Rede anmahnte: „Es wäre jetzt an der Zeit, Antworten auf die drängenden Fragen zu finden: Wie kann man dem drohenden Fachkräftemangel etwas entgegen setzen? Wie kann man Flüchtlinge zur Ausbildungsreife führen? Hierzu müssen dringend bürokratische Hürden beseitigt werden und auf Bundesebene auch über ein Aussetzen des Mindestlohns nachgedacht werden. Eine Gleichbehandlung mit Langzeitarbeitslosen in dieser Frage wäre schon ein wichtiger Fortschritt, um Flüchtlingen ein Praktikum zu ermöglichen.“

Darüber hinaus steht dem Handwerk eine große Übergabewelle von Betrieben bevor. Leider blendet die Landesregierung jedoch aus, dass sie hier endlich klare Regeln schaffen muss, die gewährleisten, dass die Betriebe und die Arbeitsplätze erhalten werden können. Und auch bei der Frage der mittelstandsfreundlichen Ausgestaltung der Erbschaftssteuer hört man von ihr keinen Ton. Stattdessen stellt sie beispielsweise durch das überbürokratische Vergabegesetz sogar unnötige Hürden auf, die Handwerk und Mittelstand schaden werden. Außerdem bringt die Abschaffung des Meisterbriefs in zahlreichen Berufen die Betreibe in die Bredouille. Und auch die Digitalisierung stellt das Handwerk vor große Herausforderungen. An all diesen Fragen muss die Landesregierung jetzt dringend arbeiten.

 

Hessen liegt nicht in der Türkei

Mitte April machte ein Medienbericht über ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft und der hessischen Polizei gegen einen Frankfurter Journalisten wegen des „Verdachts des Verrats von Privatgeheimnissen und Verleumdung“ die Runde. Doch eine Erklärung des Innenministers oder der Landesregierung gab es hierzu nicht. Bis zu diesem Donnerstag, an dem Justizministerin Eva-Kühne Hörmann Details zu diesem Sachverhalt erläuterte. „Das war verdammt spät, was wir heute hier gehört haben“, erklärte Wolfgang Greilich in der Debatte. „Es war allerhöchste Zeit, dass endlich eine Klarstellung erfolgt. Gerade in Zeiten, in denen Meinungs- und Pressefreiheit unter massivem Beschuss stehen, satirische Beiträge zu Staatsaffären werden und autokratische Systeme mit großer Aggressivität gegen unliebsame Berichterstattung vorgehen, erwarten wir ein Höchstmaß an Fingerspitzengefühl von der hessischen Landesregierung im Umgang mit unserer freien Presse.“

Rede von Wolfgang Greilich im Video (externer Link)