„Das bisschen Haushalt“…

31.01.2020

…macht sich nicht von alleine. Und aus diesem Grund stand die erste Plenarsitzungswoche des Hessischen Landtags im neuen Jahrzehnt ganz im Zeichen des Landeshaushalts. Traditionell werden die Beratungen für eine Generaldebatte über die Schwerpunkte der Landespolitik genutzt. In der Auseinandersetzung über die richtige Zukunftsstrategie für Hessen bekam die schwarz-grüne Landesregierung massive Kritik von den Oppositionsfraktionen. Doch auch aktuelle Fragen wie der Umgang mit dem Wolf, eine mögliche Abschaffung von Ziffernnoten an Schulen sowie der Skandal um einzelne Verbände der Arbeiterwohlfahrt führten zu Aufregung und heftigen Debatten im Hessischen Landtag. 

FDP wirft Regierung Zukunftsverweigerungprogramm vor

„Hessen ist ein starkes Land, aber die Landesregierung macht es schwach! Politische Skandale haben unser Land erschüttert, eine industrie-, landwirtschafts- und mobilitätsfeindliche Politik lähmt unsere Weiterentwicklung.“ In der Generaldebatte zeigte sich der Vorsitzende der Fraktion der Freien Demokraten, René Rock, enttäuscht über das Regierungshandeln und über den Mangel an zielgerichteten Schwerpunkten der schwarz-grünen Landesregierung. Seine Fraktion möchte das neue Jahrzehnt zu einem Chancen-Jahrzehnt für Hessen machen. Die Voraussetzungen dafür seien angesichts guter Steuereinnahmen vorhanden, erklärte Rock. „Die hart arbeitenden Bürgerinnen und Bürger, die progressive Mitte unserer Gesellschaft, muss endlich wieder im Fokus stehen. Wir wollen die Wege zu Eigenleistung, Aufstieg und Eigentum wieder freimachen. Wir wollen das Land sein, das am meisten in die Zukunft investiert. Wir wollen die gute Einnahmesituation nutzen, mehr Schulden zu tilgen“, so Rock. Insbesondere die erneut gering ausfallende Tilgungsrate von nur 100 Millionen Euro ärgert den Freien Demokraten, denn auf diese Weise werde Hessen erst in mehr als 400 Jahren schuldenfrei sein. Doch damit nicht genug: Rock beklagte auch den massiven Stellenaufwuchs, den Schwarz-Grün an den falschen Stellen vornehme. So seien in den vergangenen sechs Jahren allein in der Ministerialverwaltung mehr als 600 neue Stellen geschaffen worden. Insgesamt stünden im aktuellen Landeshaushalt 15.000 Stellen mehr als im Etat von 2014. Nur die Hälfte der zusätzlichen Stellen seien bei der Polizei, bei Lehrkräften, in der Finanzverwaltung und in Hochschulen entstanden, kritisierte Rock. „Die von der Landesregierung geplanten Investitionen sind ein Zukunftsverweigerungsprogramm.“

„Wir wollen das Leben der Menschen besser machen, wir wollen Hessen nach vorne bringen“, betonte der Fraktionsvorsitzende der Freien Demokraten. Entsprechend dieser Vorstellung hatte seine Fraktion unter anderem einen Änderungsantrag zum Haushaltsgesetz vorgelegt, der die Senkung der Grunderwerbsteuer um ein Prozent vorsieht. „Wir wollen die Bürgerinnen und Bürger entlasten. Wir wollen, dass die Menschen in unserem Land wieder Eigentum erwerben können“, begründete Rock seinen Vorschlag. Weitere Anträge der Freien Demokraten verfolgten unter anderem das Ziel, die Digitalisierung in Hessen voranzubringen. So schlug die Fraktion die Bereitstellung von Mitteln für eine 6G-Grundlagenforschung und die Verdoppelung der Mittel aus dem Digitalpakt vor. „Die Digitalisierung in Schulen ist eine Schlüsselfrage für die Zukunft“, mahnte Rock. Zeitgemäßes Lernen sei Grundvoraussetzung für eine gute Bildungspolitik. „Chancen-Jahrzehnt heißt, Hessen zum Bildungsland zu machen“ erklärte der Fraktionsvorsitzende mit Blick auf die anstehenden Herausforderungen in den 2020er Jahren.

 

Landtag diskutiert über Wolfsmanagement

Der Wolf wird wieder heimisch in Hessen. Und das offenbar nicht nur in den ländlichen Regionen, sondern auch in urbanen Zentren. Ob in Nord-, Mittel- oder Südhessen – überall werden Tiere gesichtet, just in der vergangenen Woche lief sogar einer Autofahrerin im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen ein Wolf vor ihr Auto. Während viele Naturfreunde die Rückkehr des Wolfes begeistert, bereitet sie den hessischen Weidetierhaltern große Sorge. Denn mit dem Wolf kommen auch Wolfsrisse immer häufiger vor.

Beim Schutz gegen den Wolf fühlen sich Hessens Weidetierhalter alleine gelassen. Sie sehen sich in ihrer Existenz bedroht und fordern finanzielle Unterstützung für Schutzmaßnahmen sowie Bestandsobergrenzen. Vor zwei Wochen erst waren sie deshalb zu einer Demonstration nach Wiesbaden gekommen. „Der Schutz des Wolfes darf nicht die Weidetierhaltung in Hessen gefährden“, sagt auch Wiebke Knell, landwirtschaftspolitische Sprecherin der Fraktion. Die Freien Demokraten hatten in dieser Woche einen Antrag in den Landtag eingebracht, der bessere Unterstützungsleistungen für Weidetierhalter vorsieht. „Wir fordern, die Fördermöglichkeiten für Weidetierhalter deutlich aufzustocken, zu entbürokratisieren und auch die Bedürfnisse kleinerer Betriebe im Rahmen der Förderung zu verbessern“, schlug Knell in der Debatte vor. Knell missfällt die auch im Landtag vorherrschende Wolfsromantik. „Wir müssen der Realität ins Auge sehen, statt romantischen Träumen nachzuhängen“, sagte sie. Aus diesem Grund sei es nach Ansicht der Freien Demokraten auch unerlässlich, dass der Wolf wie andere Wildtiere behandelt und ins Jagdrecht aufgenommen werde. „Nur so kann Rechtssicherheit beim Abschuss von Problemwölfen geschaffen werden“, begründete Knell den Antrag ihrer Fraktion.

 

AWO-Skandal erreicht den Landtag

Seit meheren Monaten häufen sich Vorwürfe gegen führende Funktionäre der Arbeiterwohlfahrt in Frankfurt, Wiesbaden und des AWO-Bezirks Hessen-Süd. Dabei geht es unter anderem um überhöhte Rechnungen, sehr hohe Gehälter, teure Dienstwagen und Grundstücksdeals, aber auch um die starke personelle Verflechtung der Kreisverbände Wiesbaden und Frankfurt. In einer Aussprache über den Skandal im Hessischen Landtag rief Yanki Pürsün, sozialpolitischer Sprecher der die Landesregierung und die Landtagsfraktionen dazu auf, Stellung zu beziehen. „Wir sind Zeugen eines ungeheuerlichen Skandals im Sozialwesen. Öffentliche Mittel wurden Bedürftigen vorenthalten, Arbeitsbedingungen waren schlechter als anderswo. Es war geradezu ein Clangebilde, in dem jedes Maß verloren ging“, erklärte der sozialpolitische Sprecher der Freien Demokraten.

Pürsün, der sich als Mitglied der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung seit mehreren Monaten intensiv mit dem AWO-Skandal auseinandersetzt, ist auf einen „Wildwuchs der unübersichtlichen Förderung verschiedener Ämter und Ebenen und freihändiger Vergaben“ gestoßen. Im Landtag erklärte er: „Unverständlicherweise haben AWO-Unternehmen die Gemeinnützigkeit erhalten. Sie dienten so als Vehikel, um fragwürdige Geschäfte zu machen und Millionensummen im AWO-Konzern zu verschieben.“ Für Pürsün hat der Skandal mittlerweile landesweite Bedeutung angenommen. „Die Kommunen sind damit gescheitert, die Landesebene ist gefordert“, sagt er. Im Versuch um Aufklärung habe er eine ganze Reihe von Fragen zusammengestellt, auf die er im Namen der hessischen Bürgerinnen und Bürger eine Antwort erwarte.

 

Streit um Schulnoten

Mit einem Antrag zur „Stärkung der pädagogischen Freiheit in Schulen“ hat die schwarz-grüne Koalition in dieser Woche Aufregung verbreitet. „Pädagogische Freiheit klingt erst mal liberal. Die Frage ist nur, was die Koalition darunter versteht“, sagte Moritz Promny. Der bildungspolitische Sprecher der Fraktion erinnerte daran, dass es die Freien Demokraten waren, die vor einigen Jahren das Konzept der Selbstständigen Schulen eingeführt hatten. Demnach bedeute Selbstständigkeit, dass Schulen ihr eigenes Budget verwalten und Lehrkräfte selbst auswählten. Zudem hätten Selbstständige Schulen auch Freiheiten bei der Unterrichtsorganisation und -gestaltung. „All dies steht bereits im Schulgesetz. Bei den pädagogisch selbstständigen Schulen der schwarz-grünen Landesregierung geht es jedoch darum, eine Hintertür für die Abschaffung der Noten zu öffnen“, vermutet Promny. „So benutzt die Landesregierung das von uns eingeführte Konzept für die grüne Ideologie“, sagt er mit Verweis auf das Wahlprogramm der Grünen. „Die Landesregierung macht damit unsere Schulen zum Experimentierlabor grüner Schulpolitik. Es ist unfassbar, dass die CDU eine grüne Schulpolitik mitträgt“, ärgerte er sich in der Landtagsdebatte. „Dem können wir nicht zustimmen. Die hessische Bildungspolitik darf nicht zum Blick in den Altglas-Container werden – ein großer grüner Scherbenhaufen.“

Dabei könnte die Landesregierung nach Ansicht der Freien Demokraten sehr viel mehr für die Stärkung der Selbstständigen Schulen tun. So könne den hessischen Schulen mehr Selbstständigkeit in ihrer Verwaltung, Organisation und Personalpolitik gegeben werden. Eine Benotung mit Ziffern solle als Bewertung des Wissens- und Leistungsniveaus jedoch beibehalten werden. „Wo sollen unsere Schülerinnen und Schüler denn lernen, dass sich Interesse, Engagement und Fleiß lohnen und dass ein fairer Wettbewerb zum Leben gehört, wenn nicht in der Schule?“, fragte Promny.