Abschied aus dem Landtag

05.05.2017

Die vergangene Plenarwoche war für die Fraktion der Freien Demokraten eine ganz besondere. Denn nach knapp 14 Jahren und 850 Reden nahm Florian Rentsch zum letzten Mal als Mitglied des Hessischen Landtags im Plenarsaal Platz. In seiner Abschiedsrede forderte Hessens ehemaliger Wirtschaftsminister mehr Investitionen in den Industriestandort.

Hessen wieder zum Innovationsführer machen

Fast auf den Tag genau vor 14 Jahren hielt der heutige Vorsitzende der FDP-Fraktion seine erste Rede im Hessischen Landtag. Diese Woche trat er zum letzten Mal an das Rednerpult und richtete zum Abschluss einige persönliche Worte an die Abgeordneten, die Landesregierung und seine Fraktion.

Zuvor jedoch kritisierte er in gewohnter Manier die Landesregierung – diesmal für ihr mangelndes Engagement für den Wirtschafts- und Industriestandort Hessen. Allein im März hatten vier wichtige hessische Unternehmen – Coty (vormals Wella) in Hünfeld, Mundipharma in Limburg, Sanofi im Industriepark Hoechst und Spezialguss Wetzlar – Standortschließungen bzw. den Abbau von Arbeitsplätzen angekündigt. „Es reicht nicht aus, dass die Landesregierung mit betroffenen Mienen vor Werkstoren posiert und anschließend zur Tagesordnung übergeht. Was Hessen jetzt braucht, ist eine aktive Standortpolitik, die die Wettbewerbsfähigkeit der hessischen Unternehmen stärkt, Investitionen erleichtert und Arbeitsplätze sichert“, forderte Rentsch. In der von der FDP-Fraktion beantragten Debatte zeigte er auf, inwieweit Hessen unter Schwarz-Grün im Industrie-Ranking verloren hat. So liegt das Bundesland mit einem Wirtschaftswachstum von 1,5 % nur noch auf dem neunten Platz, beim Europäischen Innovationsindex ist es vom siebten auf den zehnten Platz abgerutscht. Und auch die IHK hat festgestellt, dass Hessen längst nicht mehr zu den am stärksten prosperierenden Regionen Deutschlands zählt. In ihrer Studie wird zudem deutlich, dass eine leistungsfähige Verkehrsanbindung, die Nähe zum Flughafen Frankfurt und eine verlässliche Energieversorgung zu den wichtigsten Standortbedingungen für die hessische Industrie zählen. „In allen drei Bereichen hat Hessen in dieser Legislaturperiode Rückschritte gemacht. Im letzten Jahr hat die Landesregierung sogar freiwillig 39 Millionen Euro an den Bund zurückgegeben, die für den Straßenbau vorgesehen waren. Die Passagierzahlen am Flughafen Frankfurt stagnieren. Während Airports wie München oder Amsterdam zulegen, plant die hessische Landesregierung stattdessen Kapazitätsbeschränkungen“, stellte Rentsch fest. Statt also einen 140 Millionen Euro teuren Klimaschutzplan aufzulegen und über ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge einzuführen, forderte er mehr Investitionen in Bundes- und Landesstraßen, einer Stärkung des Flughafens Frankfurt, der Abschaffung des EEG und eine Digitalisierungsoffensive. „Unser Ziel muss es sein, das Potenzial Hessens voll auszuschöpfen und unser Bundesland wieder zum Innovationsführer zu machen. Aber genau hierfür braucht man auch den politischen Willen und man muss bereit sein, dafür hart zu arbeiten“, unterstrich Rentsch.

 

Landesregierung braucht europapolitische Strategie

Hessens Zukunft heißt Europa – so lautete der vielversprechende Titel der Regierungserklärung von Europaministerin Puttrich. Doch das, was sie dem Parlament am Dienstagnachmittag unterbreitete, ließ Antworten auf drängende Fragen offen. „Eine bloße Zustandsbeschreibung der aktuellen Situation der EU reicht nicht aus. Auch nach den heutigen Ausführungen können wir eine klare Strategie definitiv nicht erkennen“, kritisierte Nicola Beer die Europapolitik der Landesregierung nach dem Brexit. Sie machte deutlich, dass die aktuelle Situation für Frankfurt, das Rhein-Main-Gebiet und ganz Hessen ein erhebliches Potential berge, das nun mit Nachdruck genutzt werden müsse, um im Wettbewerb mit anderen Standorten keine Nachteile zu haben. „Der schwarz-grünen Landesregierung muss klar sein, dass die Konkurrenz nicht schläft und um die Ansiedlung von Institutionen und Unternehmen europaweit bereits Schlange steht“, so Beer.

Auch hinsichtlich des Umgangs mit der Türkei nach dem Referendum fand Beer deutliche Worte. „Mehr als je zuvor muss feststehen, dass die Türkei unter der Führung des Despoten Erdogan kein EU-Beitrittskandidat sein kann und auch die Milliardenüberweisungen an EU-Heranführungshilfen endlich beendet werden müssen. Die Bespitzelung und finanzielle Einflussnahme des türkischen Staates in Deutschland, die massive Wahlbeeinflussung zugunsten der Ja-Kampagne nicht nur in der Türkei, sondern europaweit, müssen dazu führen, dass Kanzlerin Merkel gegenüber der Türkei endlich handelt. Denn wer nicht spätestens jetzt klare Worte gegenüber der Abschaffung von Menschen- und Freiheitsrechte in der Türkei findet, der duldet auch, dass auf deutschem Boden unter dem Schutz unseres Grundgesetzes an deren Abschaffung gearbeitet wird“, begründete Beer die erneute Forderung nach einem Ende der Beitrittsgespräche.

 

Grüne Minister gefährden Versorgungssicherheit

In der vergangenen Woche hat die hessische Umweltministerin gemeinsam mit ihren Kollegen aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und NRW in der so genannten Düsseldorfer Erklärung die Absicht erklärt, bis 2020 bundesweit 20 Kohlekraftwerke vom Netz nehmen zu wollen. Ziel sei es, damit den Kohlendioxid-Ausstoß zu begrenzen. Während Hinz in ihrer Funktion als Umweltministerin ihren Parteifreunden aus NRW mit der Verlautbarung einer reinen Wahlkampfposition zwei Wochen vor der Landtagswahl Schützenhilfe leistet, sieht sich auch Hessens Wirtschaftsminister Al-Wazir ungefragt dazu veranlasst, die Forderung nach dem Ausstieg aus der Kohleverstromung umgehend zu untermauern.

Im Rahmen ihrer aktuellen Stunde am Donnerstag wollten die Freien Demokraten deshalb in Erfahrung bringen, ob der in Düsseldorf gefasste Beschluss nur die Meinung einzelner grüner Minister oder gar die Linie der hessischen Landesregierung widerspiegelt. In seiner Rede forderte René Rock den Ministerpräsidenten auf, Stellung zu beziehen und den Wirtschaftsminister an seine Aufgabe zu erinnern: „Herr Al-Wazir hat den Auftrag, die hessische Wirtschaft zu stärken und Arbeitsplätze in unserem Land zu sichern und diese nicht zu gefährden. Stattdessen aber stellt er abenteuerliche Forderungen auf, mit denen er die Versorgungssicherheit in unserem Land gefährdet. Jeder weiß, dass erneuerbare Energien wie Wind und Sonne stark schwankende Energieträger sind und derzeit noch Speicher fehlen. Bei Dunkelflauten müssen konventionelle Kraftwerke noch immer über 90 Prozent der Stromversorgung sicherstellen.“ Zwar preist Al-Wazir die Kohleausstiegs-Pläne Chinas und Großbritanniens als Beispiel an, verschweigt dabei aber, dass beide Länder gleichzeitig ihre Atomkraftwerke ausbauen, um die Grundlast sicherzustellen und Emissionen einzusparen. Auch nach der Debatte ist ihm leider noch immer nicht klar, dass ein gleichzeitiger Ausstieg aus dem Atom- und aus dem Kohlestrom nicht funktionieren kann.

 

Schulgesetznovelle samt FDP-Vorschlägen verabschiedet

Im Oktober des vergangenen Jahres hatte Kultusminister Lorz endlich die im schwarz-grünen Koalitionsvertrag groß angekündigte Schulgesetznovelle präsentiert. Dabei enthielt der Entwurf für das neue Schulgesetz kaum mehr als die bürokratische Umsetzung altbekannter Dinge, dafür aber die Einführung eines deutlich strengeren Werbeverbots an Schulen. Dass die Landesregierung damit wichtige Fördermöglichkeiten verhinderte, wollte sie schon damals nicht einsehen.

Um ein Umsteuern und Umdenken in dem Sinne anzustoßen, dass die objektiven Rahmenbedingungen selbständiger wirtschaftlicher Betätigung mit allen Risiken, vor allem aber auch mit den Chancen zu wirtschaftlichem und persönlichem Erfolg in Hessens Schulen vermittelt werden, hatte die FDP-Landtagsfraktion umgehend eine Initiative zur Stärkung der Wirtschaftskompetenz und zur Förderung des Gründergeists an Hessens Schulen eingebracht. Sowohl in einer eigens durchgeführten Erörterungsrunde als auch in der Anhörung im Ausschuss übten insbesondere Vertreter aus dem Bereich der Berufsschulen und der Wirtschaftsverbände massive Kritik an den schwarz-grünen Plänen.

Die in dieser Plenarwoche angesetzte zweite Lesung des Schulgesetzes zeigte dann den Erfolg der liberalen Bemühungen: „Auch wenn unsere Anträge aus parteipolitischen Motiven abgelehnt wurden, hat Schwarz-Grün auf der Zielgeraden sehr deutlich von den ursprünglichen Plänen Abstand genommen und unsere Vorschläge inhaltlich übernommen“, stellte Wolfgang Greilich in der Debatte fest. „Wir begrüßen es sehr, dass sich die Koalition doch noch kurzfristig zu einem Kurswechsel bewegen ließ. Dem Engagement privater Initiativen und Sponsoren, die bestrebt sind, durch die Entwicklung und kostenfreie Überlassung von Unterrichtsmaterialien den Stellenwert der Bildung über wirtschaftliche Betätigung und Unternehmertum im Schulunterricht zu verbessern und junge Menschen zu selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit zu ermuntern, wird nun seitens CDU und Grünen doch kein ideologischer Riegel vorgeschoben.“ Darüber hinaus konnte sich die Landesregierung ebenfalls dazu durchringen, der Forderung der FDP-Fraktion nach Verlängerung der Beschulungszeit von Kindern mit besonderem Förderbedarf nachzukommen. Mit der vorliegenden gesetzlichen Festschreibung herrscht in diesem Bereich nunmehr ebenfalls Rechtssicherheit.