Abgerechnet wird zum Schluss

22.06.2018

Erfahrungsgemäß ist die Tagesordnung der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause sehr voll. Dieses Mal kommt noch dazu, dass sich auch die Legislaturperiode dem Ende neigt und Unerledigtes noch schnell durch das Parlament gebracht werden soll. Kein Wunder, dass die schwarz-grüne Landesregierung nun im Eilverfahren umstrittene Gesetze mit ihrer Mehrheit durchdrücken will und dabei sogar die demokratischen Spielregeln missachtet. Auch wenn die Möglichkeiten der parlamentarischen Kontrolle in dieser Woche sogar noch geschmälert werden – die Opposition wird sich bis zum Schluss einsetzen, auch mittels eines Untersuchungsausschusses.

Schwarz-grüne Jahre sind verlorene Jahre für Hessens Wirtschaft

Nach knapp fünf Jahren in Verantwortung sieht Tarek Al-Wazir „Hessen auf einem gutem Weg der nachhaltigen und gerechten wirtschaftlichen Entwicklung“. Wie der Titel seiner Regierungserklärung bereits vermuten ließ, wartete der Wirtschaftsminister mit einer Lobhudelei auf die Fortschritte während seiner Amtsperiode auf. Dass die wirtschaftliche Stärke des Landes eine Errungenschaft der schwarz-grünen Landesregierung sei, zog Jürgen Lenders in Zweifel. „In den zurückliegenden Jahren kamen keine Impulse aus dem grün geführten Ministerium“, kritisierte der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Fraktion. Im Gegenteil: Beim Wirtschaftswachstum bewege sich Hessen im Bundesländervergleich mittlerweile im unteren Mittelfeld, im Ranking der innovativsten Regionen Europas sei das Flächenland ebenso deutlich zurückgefallen wie bei den Neugründungen. „Damit dürfen wir uns nicht zufrieden geben“, hob Lenders hervor. Vor diesem Hintergrund nahm er die von Al-Wazir angekündigte Start-up-Initiative zur Kenntnis. Seit geraumer Zeit prangern die Freien Demokraten an, dass Hessen mit einem Anteil von gerade mal 6 Prozent der Start-ups nach wie vor weit abgeschlagen hinter deutschen Gründer-Hotspots wie Berlin rangiere.
„Es ist gut, dass Herr Al-Wazir das Thema Gründer entdeckt. Doch damit dürfen nicht nur Start-ups aus den Bereichen Greentec und Cleantec gemeint sein. Ausgerechnet im Pharmaland Hessen verliert der Wirtschaftsminister kein Wort über die Chancen der Biotechnologie. Auch nicht über Gründer von Handwerksbetrieben oder Dienstleistern. Hier geht es um Ideologie statt um kluge Wirtschaftsförderung“, mahnte Lenders. Die Landesregierung könne angehenden Unternehmern nicht vorgeben, was sie gründen sollen, sondern sie müsse Rahmenbedingungen schaffen, damit Gründergeist und Gründerkultur überhaupt entstehen können. Deshalb sei es notwendig, in den Schulen und Hochschulen anzusetzen und jungen Menschen Perspektiven aufzuzeigen, dass das Gründen eines Unternehmens oder die Übernahme eines Betriebes für Jeden eine spannende Option sein kann.
Schließlich forderte Lenders die Landesregierung zu einem klaren Bekenntnis zu den wirtschaftlichen Stützen des Landes auf. Dazu gehöre der Flughafen Frankfurt als größter Arbeitgeber, der Finanzplatz Frankfurt mit zahlreichen Banken und der Börse sowie die Industrie. „Mit dem Flughafen, mit der Finanzwirtschaft und der Industrie steht Hessens grüner Wirtschaftsminister auf Kriegsfuß“, so Lenders. Der von Al-Wazir betriebene ideologische Wechsel von der sozialen zur ökologischen Marktwirtschaft sei eine Kampfansage an die Arbeitnehmer in Hessen.

 

Hessen bleibt bei Autobahngesellschaft auf der Strecke

Die Struktur der Straßenverwaltung in Deutschland erfährt aktuell die größte Reform seit 1949. Die Verantwortung für die Autobahnen geht von den Ländern auf den Bund über. Darauf hatten sich die Ministerpräsidenten mit der Bundesregierung verständigt. Derzeit baut der Bund eine eigene Verwaltungsstruktur auf. Die neue Autobahngesellschaft soll ihren Hauptsitz in Berlin und zehn Niederlassungen in den Bundesländern haben. Während Bayern und Nordrhein-Westfalen jeweils zwei Niederlassungen erhalten, ist für Hessen jedoch keine Niederlassung vorgesehen. Dabei ist Hessen die zentrale Verkehrsdrehscheibe in Deutschland.

„Der Bericht im Verkehrsausschuss des Landtags wirft die Frage auf, wie es soweit hatte kommen können, dass Hessen als Transitland Nummer Eins keine gestaltende Rolle einnimmt. Es ist abenteuerlich, dass der Ministerpräsident der Übertragung grundlegender Aufgaben des Landes auf den Bund zustimmt und der zuständige Fachminister bis zur Verkündigung des Ergebnisses durch den Bund teilnahmslos zuschaut. Es ist doch ein schlechter Witz, dass die Autobahnen im Rhein-Main-Gebiet künftig von Montabaur aus gesteuert werden sollen“, kritisierte Jürgen Lenders in der von der FDP-Fraktion beantragten Debatte. Eine Niederlassung vor Ort sei notwendig, um Reibungsverluste und Bürokratie zu vermeiden. Der verkehrspolitische Sprecher bemängelte, dass alle Länder ihre Interessen hätten durchsetzen können – nur Hessen nicht. „Ein Grund für dieses Versagen könnte darin liegen, dass Minister Al-Wazir durch umstrittene Personalentscheidungen die Kontakte ins Bundesverkehrsministerium abgeschnitten hat und dadurch die Interessen des Landes frühzeitig auf Arbeitsebene nicht hat durchsetzen können“, mutmaßte Lenders. Wird Hessen keine eigene Niederlassung der Autobahngesellschaft erhalten, erwarten die Freien Demokraten von der Landesregierung, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, die Planfeststellung beim Land zu belassen.

 

Landesregierung muss Verteuerung der Energie stoppen

Zahlen der EU-Statistikbehörde Eurostat zeigen: Privatkunden in Deutschland zahlen die höchsten Strompreise in der gesamten EU. Während die Deutschen 33,6 Cent für eine Kilowattstunde entrichten müssen, kostet der Strom in den Niederlanden gerade mal etwas über 10 Cent pro Kilowattstunde. „Dank der EEG-Subventionen ist Deutschland Europameister bei den Strompreisen. Dieser Kostenfaktor hat inzwischen Ausmaße erreicht, die nicht mehr tragbar sind. Die hohen Stromkosten belasten insbesondere die hessische Wirtschaft massiv“, mahnte René Rock in der von den Freien Demokraten beantragten Aktuellen Stunde an. „Wenn sich die Konjunktur eintrüben sollte, werden die Stromkosten zu einer Gefahr für den Wirtschaftsstandort. Die Chemieindustrie, die Stahl- und Metallindustrie, die Papierindustrie aber auch Rechenzentren und der Internetknoten Frankfurt sind auf bezahlbaren Strom angewiesen. Wirtschaftsminister Al-Wazir will davon jedoch nichts wissen. Er ignoriert die Probleme, vor die seine ideologiefixierte Energiepolitik die Privathaushalte und die Wirtschaftsunternehmen stellt“, warnte der energiepolitische Sprecher. Zum wiederholten Male appellierte die FDP-Fraktion an die Landesregierung, die staatliche Verteuerung der Energiekosten über den Bundesrat zu stoppen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Untersuchungsausschuss soll Vergabepraxis des Innenministeriums überprüfen

In mittlerweile zwei Fällen sind Ungereimtheiten bei der Vergabepraxis im Geschäftsbereich von Innenminister Beuth auffällig geworden. So hat das Ministerium für gerade mal 0,01 Euro die Analysesoftware „Gotham“ von der Firma Palantir Technologies erworben. Hier wirft nicht nur der Preis Fragen auf, sondern auch die Tatsache, dass eine Direktbeauftragung stattgefunden hat – und das an ein Unternehmen, das wegen seiner Verbindungen zu der in den Facebook-Skandal verwickelten Firma Cambridge Analytica und der missbräuchlichen Nutzung von Kundendaten in den USA massiv in der Kritik steht. Darüber hinaus soll die Hessische Polizei eine Vielzahl von Abschleppaufträgen freihändig – ohne Rahmenvertrag und ohne Ausschreibungen – vergeben haben. Das Auftragsvolumen beläuft sich auf knapp sechs Millionen Euro.

Trotz zahlreicher Nachfragen hat Innenminister Beuth die Ungereimtheiten in beiden Fällen bisher nicht ausräumen können. Und selbst eine Akteneinsicht, zu der Wolfgang Greilich und SPD-Kollegin Nancy Faeser in der vergangenen Woche Gelegenheit hatten, hat mehr Fragen aufgeworfen als aufgeklärt. „Zu dem gesamten Vergabekomplex gibt es insgesamt lediglich unvollständige, widersprüchliche oder falsche Auskünfte des Innenministers. Die Ungereimtheiten zu den Vergabepraktiken im Geschäftsbereich des Innenministers haben ein solches Ausmaß erreicht, dass weitere und umfassende Aufklärung zwingend erforderlich ist“, begründete Greilich den von FDP und SPD in dieser Plenarwoche dringlich eingebrachten Antrag zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Noch in der laufenden Legislaturperiode wird es also Aufklärung darüber geben, in welchem Umfang Auftragsvergaben unter Verstoß gegen die Vorschriften des Vergaberechts erfolgten. Der Ausschuss soll auch prüfen, ob die Beauftragung der Firma Palantir mit hessischen Sicherheitsinteressen vereinbar ist.

 

Schwarz-grünes Verfassungsschutzgesetz ist und bleibt Murks

„Das Gesetzgebungsverfahren war von Anfang an Murks. Und das hat sich bis heute nicht geändert.“ Bei der Debatte zur Dritten Lesung des von den Regierungsfraktionen vorgelegten Verfassungsschutzgesetzes zeigte sich Wolfgang Greilich verärgert. Schließlich war schon der erste Entwurf des schwarz-grünen Verfassungsschutzgesetzes von einer Expertenkommission zerrissen worden. Und auch den zweiten Entwurf hatten die Sachverständigen in der Anhörung vernichtend kritisiert.

Bereits im Februar hatte die Fraktion der Freien Demokraten einen Änderungsantrag vorgelegt, der die Hinweise der Anzuhörenden weitestgehend aufgreift und eine Stärkung der parlamentarischen Kontrolle des Verfassungsschutzes vorsieht. Auch CDU und Grüne legten schließlich vor zwei Wochen ein 57-seitiges Papier mit Änderungsanträgen vor, die in dieser Plenarwoche beschlossen wurden. Doch auch mit diesen Änderungen werden sie weder der Kritik der Sachverständigen noch den parlamentarischen Regeln gerecht, wie Greilich in der weiteren Debatte beanstandete: „Schwarz-Grün nimmt Befugnisse aus dem Verfassungsschutzgesetz heraus und verschiebt sie in das Polizeigesetz. Diese massiven Eingriffe in das Hessische Sicherheits- und Ordnungsgesetz (HSOG) hätten unbedingt in einem eigenen Gesetzgebungsverfahren beraten und beschlossen werden müssen. Es ist politisch wie rechtlich ein Unding, aus der Reform des Verfassungsschutzes eine Reform des HSOG zu machen.“ Über die weitreichenden Änderungsanträge der Regierungsfraktionen hatte der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion eine Anhörung im Innenausschuss gefordert. CDU und Grüne waren dazu nicht bereit gewesen. Doch dies ist nicht der einzige Grund, warum die Freien Demokraten dem vorgelegten Gesetzentwurf auch samt Änderungsanträgen nicht zustimmen. „Auch hinsichtlich des Verfassungsschutzkontrollgesetzes setzt Schwarz-Grün die dringenden Empfehlungen der Experten nicht um. Eine wirksame parlamentarische Kontrolle setzt die Einbindung der Opposition voraus. Doch anstelle einer Regelung zu Zahl und Zusammensetzung des Kontrollgremiums ermächtigt das Gesetz die Parlamentsmehrheit, die Besetzung des Gremiums mit einfacher Mehrheit zu bestimmen. Die Koalition erhält damit einen Freibrief, weite Teile der Opposition aus der Kontrollkommission auszuschließen“, kritisierte Greilich. Um die parlamentarische Kontrolle wirksam zu stärken, hatte der von ihm vorgelegte Änderungsantrag unter anderem eine ‚Whistleblower-Regelung‘ vorgesehen. Angehörigen des Landesamts für Verfassungsschutz sollte gestattet werden, sich ohne Einhaltung des Dienstweges unmittelbar an die Parlamentarische Kontrollkommission Verfassungsschutz wenden zu können, um Missstände aufzudecken.

Wie zu erwarten war, würgte die schwarz-grüne Landesregierung die weitere parlamentarische Debatte über den Inhalt ihres Gesetzesvorhabens ab und verabschiedete das Verfassungsschutzgesetz mit ihrer Mehrheit.