Salafismus-Anhörung

26.01.2015

RENTSCH: Anhörung bestätigt wachsende Bedrohung durch Salafismus in Hessen – Land kann sich im Kampf gegen Radikalisierung keine Versäumnisse mehr erlauben

Im Verlauf einer von der FDP-Fraktion initiierten Anhörung zum Thema Salafismus wurden in den vergangenen beiden Wochen rund 50 Experten aus Verbänden, Wissenschaft und Behörden gehört. Zu den Ergebnissen und den daraus resultierenden notwendigen Maßnahmen erklärte Florian RENTSCH, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag: „Die zweitägige Salafismus-Anhörung im Hessischen Landtag hat dank der umfassenden Analyse des Themas aus unterschiedlichen Blickwinkeln definitiv einen wichtigen Erkenntnisgewinn erbracht. Aus Sicht der Freien Demokraten muss es der nächste logische Schritt sein, diese neuen Erkenntnisse und von Experten skizzierten Lösungsansätze nun auch ohne vermeidbare Verzögerungen in politische Maßnahmen umzusetzen, um der Salafismus-Problematik in Hessen effektiv und entschieden begegnen zu können. Denn vor dem Hintergrund der Anschläge von Paris und der von Vertretern der hessischen Sicherheitsbehörden dargestellten wachsenden Bedrohung durch den Salafismus in Hessen muss die Regierung Bouffier endlich durch ein konsequentes Einschreiten ein klares Zeichen setzen, dass es für Intoleranz und Demokratiefeindlichkeit in Hessen keine Toleranz gibt. So hat die Anhörung bestätigt, dass sich der Salafismus in Hessen zu einer ernstzunehmenden Gefahr entwickelt hat, die den Kern unserer toleranten freiheitlich-demokratischen Grundordnung zunehmend bedroht. Weitere Versäumnisse, wie beispielsweise das zögerliche Handeln der Koalition bei den Übergriffen radikaler Islamisten in einem Frankfurter Jugendhaus, kann sich die schwarz-grüne Koalition im Kampf gegen salafistische Strömungen nicht mehr erlauben.“

Nicht an öffentlicher Sicherheit sparen: Polizisten auf der Straße, nicht in Schreibstuben!

Weiter erklärte Rentsch: „Im Rahmen der Anhörung haben die hessischen Polizeiverbände klargestellt, dass für ein effektives Vorgehen gegen radikal-islamische Gruppierungen eine entsprechende personelle Ausstattung der Polizei unerlässlich ist. Während in anderen Bundesländern wie Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen als Reaktion auf die islamistischen Terroranschläge von Paris die Sicherheitsbehörden teilweise erheblich personell aufgestockt werden sollen, schafft die hessische Landesregierung 29,5 Verwaltungsstellen bei der hessischen Polizei ab und bürdet somit den Vollzugsbeamten wieder Verwaltungsaufgaben auf. Wir halten diese Einsparungen für äußerst bedenklich, da wir die Arbeitskraft der Polizisten bei Ermittlungen und beim Dienst auf der Straße benötigen, nicht jedoch in Schreibstuben.

Neben den 29,5 Stellen, die in diesem Jahr gestrichen werden, plant die Landesregierung einen weiteren Abbau bei der hessischen Polizei von 147,5 Stellen bis 2018. Auch die 65 „zusätzlichen“ Beamten für den Staatsschutz, die ab Februar in den Polizeipräsidien und dem Hessischen Landeskriminalamt eingesetzt werden sollen, sind keine zusätzlichen Polizisten: Es handelt sich dabei lediglich um eine Personalumschichtung aus der Bereitschaftspolizei, die dadurch weiter geschwächt wird. Vor dem Hintergrund der Bedrohungslage halten wir dies für nicht akzeptabel und fordern die Landesregierung daher auf, vom Stellenabbau bei der hessischen Polizei Abstand zu nehmen. Entsprechend werden wir im Plenum nochmals beantragen, von der Stellenstreichung bei der Polizei in diesem Jahr abzusehen, um weiterhin zu gewährleisten, dass die hessischen Polizisten ihrer eigentlichen Aufgabe nachkommen können.“

Terrorismusprävention in hessischen Gefängnissen stärken: Union muss Worten auch Taten folgen lassen!

Rentsch weiter: „Wir halten es für dringend erforderlich, dass die Landesregierung durch eine Verbesserung der muslimischen Gefangenenseelsorge aktiv gegen die Radikalisierung in Hessens Gefängnissen vorgeht. Diese Forderung wird gestützt durch die Ausführungen der ditib-Gemeinde, die in der Anhörung die Bedeutung der Arbeit von Gefängnisseelsorgern islamischen Glaubens zur Verhinderung von Isolation und für eine angemessene Radikalisierungsprävention betont hatte. Es ist für uns daher absolut unverständlich, dass Union und Grüne im Haushaltsausschuss einen entsprechenden Antrag der FDP-Fraktion ablehnten und damit zugleich einer wichtigen Maßnahme im Rahmen des Kampfes gegen die Ausbreitung des Salafismus in unserer Gesellschaft die Unterstützung versagten, obwohl das Problem der Radikalisierung in Hessens Gefängnissen längst bekannt ist. Es bringt die Sicherheit in unserem Land kein Stück weiter, wenn Justizministerin Kühne-Hörmann in Interviews eindringlich davor warnt, dass auf die deutschen Gefängnisse eine noch nie dagewesene Welle an Islamisten zurollt, und die Unionsabgeordneten dies mit ihrem Abstimmungsverhalten konterkarieren. Daher werden wir erneut weitere Mittel in Höhe von 50.000 Euro für die Verbesserung der muslimischen Gefangenenseelsorge beantragen und geben somit der CDU die Gelegenheit, Worten auch Taten folgen zu lassen.“

Präventionsarbeit weiter ausbauen: Zusätzliche Mittel für erfolgreiches Einschreiten gegen Radikalisierung

Rentsch erklärte: „Wir halten es für einen richtigen Ansatz, mittels des Violence Prevention Network (VPN) Präventionsarbeit gegen salafistische Radikalisierung zu betreiben. Doch auch wenn mit VPN ein kompetenter und erfahrener Partner gefunden werden konnte, sind aus Sicht der FDP-Fraktion die für das Haushaltsjahr 2015 eingestellten Mittel in Höhe von 400.000 Euro noch nicht ausreichend. So wird unter anderem ein bisher von der EU gefördertes und in diesem Jahr ausgelaufenes Projekt zur Deradikalisierung im Strafvollzug zukünftig ebenso über VPN finanziert wie die allgemeine Präventionsarbeit. Da eine erfolgreiche Präventionsarbeit den schnellen Zugriff auf von Radikalisierung bedrohtes Klientel erfordert und dies nur durch einen enormen personellen Aufwand gewährleistet werden kann, werden wir zur Dritten Lesung einen weiteren Haushaltsantrag einbringen, in dem weitere 200.000 Euro für die Präventionsarbeit in Hessen eingestellt werden.“‎

Keine Beschränkung des Dialogs auf große muslimische Verbände – innerislamischer Disput von entscheidender Bedeutung

„Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Salafismus-Anhörung bezieht sich auf die Aussagen gleich mehrerer der angehörten Experten, die einen zentralen Grund für die Radikalisierung von Jugendlichen in den mangelnden Kenntnissen über die tatsächlichen Inhalte der islamischen Religion sehen. Die Freien Demokraten halten es daher für unerlässlich, dass jungen Menschen in unserem Land ein weltoffener, moderner Islam vermittelt wird. Entsprechend kann der in der letzten Wahlperiode durch die zuständigen FDP-Minister in der Landesregierung in Hessen eingeführte islamische Religionsunterricht als weitsichtige und richtige Maßnahme gewertet werden. Eine große Rolle bei der Ausrichtung der künftigen Integrationspolitik sollte auch der Hinweis spielen, dass allenfalls rund 15% der rund 4,5 Millionen Muslime in Deutschland durch die bekannten muslimischen Verbände repräsentiert werden. Entsprechend besteht die Notwendigkeit, sich bei der Integrationsarbeit nicht bloß auf Dialoge mit großen Verbänden und Moscheegemeinden zu beschränken, sondern den Kreis der Ansprechpartner weiter zu fassen.

Als äußerst beachtenswert betrachten wir zudem die Mahnungen der Professoren für Islamische Theologie in Gießen und Frankfurt, die in Reaktion auf die Anschläge in Paris zu einer Selbstkritik innerhalb der islamischen Gemeinschaft aufgerufen haben. Auch wir halten es im Zusammenhang des Gesamtkomplexes Salafismus für dringend notwendig, dass Muslime und insbesondere muslimische Theologen und Geisteswissenschaftler mehr noch als andere sich aufgefordert fühlen, menschenverachtende Argumentationen in den ideologisierten Deutungen und Lesarten der islamischen Religion als existent wahrzunehmen und sich damit offensiv auseinanderzusetzen. Denn in der jetzigen Situation kann ein innerislamischer Disput einen wichtigen Beitrag zu Prävention entfalten. Wir erhoffen uns davon langfristig ein gemeinsames modernes, liberales Islamverständnis, unter dem sich alle Muslime in Europa vereinen können. Dies muss jedoch in der muslimischen Community geschehen und kann von der Politik höchstens angestoßen, nicht jedoch mitgestaltet werden“, so Rentsch.