Reform der Hessischen Kommunalverfassung

15.12.2015

WIESBADEN – Zu den heute verabschiedeten Änderungen der Hessischen Gemeindeordnung erklärte der kommunalpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag, Jörg-Uwe HAHN:

„Was auf den ersten Blick nach einem mehr an Bürgerbeteiligung aussieht, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Mittel der Interessendurchsetzung für privilegierte Minderheiten: Wenn die Quoren nach der Größe von Kommunen gestaffelt und erheblich abgesenkt werden, können im Extremfall künftig schon unter zehn Prozent der Wahlberechtigten Sachentscheidungen in Einzelfragen treffen, die für die breite Masse entweder nicht interessant genug oder nur schwer zu überblicken sind. Eine kleine, aber gut organisierte und finanzkräftige Gruppierung kann diesen Umstand im Zweifel für ganz persönliche Zwecke nutzen, die nicht mit dem Gemeinwohl in Einklang zu bringen sind.

Zum Zweiten haben wir – trotz entsprechender Regelungen in anderen Bundesländern – erhebliche Bedenken, dass die Stimme eines Bürgers in einer Großstadt künftig bei einem Bürgerentscheid „mehr wert“ sein soll, als die eines Bürgers in einer kleinen Gemeinde.

Wenn dann zum Dritten auch noch die kommunalen Mandatsträger jedes Mal, wenn ein Projekt vor Ort auch nur ein wenig kritisch diskutiert wird, ihre Verantwortung und die Entscheidung abgeben können, dann entleert all dies zusammen das Prinzip der repräsentativen Demokratie. Das Ergebnis wäre, dass bald niemand mehr einen Großteil seiner Freizeit ehrenamtlich für Kommunalpolitik opfert, wenn faktisch nichts mehr durch die Kommunalvertretungen entschieden werden soll. Wir haben uns daher dafür ausgesprochen, das wohl austarierte System aus niedrigen Einleitungsvoraussetzungen für ein Bürgerbegehren und sinnvollen Quoren für einen Bürgerentscheid so beizubehalten wie bisher.“

„Auch die Möglichkeit, künftig in Gemeinden bis zu 5.000 Einwohnern das Amt des Bürgermeisters nicht mehr im Haupt- sondern im Ehrenamt zu führen, überzeugt uns nicht: Denn auf Bürgermeistern liegt in Gemeinden hinsichtlich der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Lebens große Verantwortung. Gerade auch in kleinen Gemeinden ist das nicht entscheidend anders als in großen Gemeinden, denn dort hat der Verwaltungschef in der Regel einen großen Mitarbeiterstab, dessen er sich bedienen kann; in kleineren Gemeinden ist der Bürgermeister – eventuell neben einem Hauptamtsleiter – die alleinige Führungsperson. Die bestehende Grenze von 1.500 Einwohnern für die Einrichtung ehrenamtlicher Bürgermeister ist vor diesem Hintergrund wohl austariert und sollte nicht verändert werden. Durch eine „Entprofessionalisierung“ des Bürgermeisterpostens würde lediglich die Position der Verwaltung gestärkt, der direktgewählte Bürgermeister könnte zum reinen „Grüßaugust“ mutieren. Die Direktwahl des Rathauschefs würde entwertet. Aus diesem Grund halten wir die Erweiterung der schwarz-grünen Koalition für falsch.“

„Die Reform hat jedoch durchaus einige positive Ansätze: So wird zum einen gesetzgeberisch klargestellt, dass spekulative Finanzgeschäfte nicht zulässig sind, zum anderen ist es ein lobenswerter Schritt, dass die übrigen Mittel aus dem kommunalen Schutzschirmprogramm zur Förderung von interkommunaler Zusammenarbeit bereitgestellt werden soll. Ob der angespannten wirtschaftlichen Lage vieler Kommunen sind freiwillige Kooperationen bis hin zu Gemeindezusammenschlüssen vielerorts sinnvoll.  Weitergehende, dringend notwendige Anreize, um Strukturen zu reformieren, bleiben in diesem Gesetz jedoch aus. Wir Freie Demokraten haben beispielsweise schon vor vielen Monaten zusammen mit dem ehemaligen Landrat des Kreises Bergstraße Matthias Wilkes vorgeschlagen, freiwillige Fusionen von Landkreisen zu ermöglichen. Diesen Vorschlag werden wir – im Rahmen unserer Initiativen zu Staatstrukturreformen – im kommenden Jahr wieder aufgreifen und dem Landtag zur Abstimmung vorlegen.“