MÜLLER/RUDOLPH: An der neu gegründeten HöMS steht die Freiheit der Wissenschaft in Frage

  • SPD und Freie Demokraten rufen Staatsgerichtshof an
  • Innenminister will politisch durchregieren
  • Grüne haben als Korrektiv versagt

Die Fraktionen von SPD und Freien Demokraten im Hessischen Landtag halten die rechtliche Konstruktion der neuen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit (HöMS) für verfassungswidrig und werden am heutigen Dienstag einen gemeinsamen Normenkontrollantrag beim Staatsgerichtshof einreichen. Die Gründe dafür erläuterten der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, Günter Rudolph, der innenpolitische Sprecher und stellvertretende Vorsitzende der Landtagsfraktion der Freien Demokraten, Stefan Müller, sowie der von ihnen beauftragte Verfahrensbevollmächtigte Prof. Dr. Markus Ogorek, Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre der Universität zu Köln, heute bei einer Pressekonferenz in Wiesbaden.

„Mit der neuen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit hat die schwarz-grüne Landesregierung einen organisatorischen Hybriden geschaffen, der gleichzeitig eine Hochschule im Sinne des hessischen Hochschulgesetzes und eine Polizeibehörde sein soll. Dabei kollidieren das Dienstrecht der Polizei und deren streng hierarchische Organisation fast schon zwangsläufig mit der Freiheit der Wissenschaft und mit dem Selbstverwaltungsrecht der Hochschulen, die beide Verfassungsrang haben“, stellte der SPD-Fraktionsvorsitzende Günter Rudolph fest.

Er und der innenpolitische Sprecher der Freien Demokraten, Stefan Müller, zeigten sich besonders besorgt über den weitreichenden politischen Einfluss des hessischen Innenministers auf die Besetzung der Leitung und der Gremien der neu gegründeten Hochschule. Stefan Müller sagte: „Nach dem HöMS-Gesetz entscheidet letztlich der jeweils amtierende Innenminister über die Berufung und Abberufung des Hochschulpräsidenten, über die Ernennung des Vizepräsidenten für polizeiliche Aufgaben sowie des Kanzlers der Hochschule und über die Zusammensetzung des Kuratoriums. Das Gesetz ist maßgeschneidert, um CDU-Innenminister Beuth in die Lage zu versetzen, die personelle, organisatorische und inhaltliche Ausrichtung der Polizeiausbildung in Hessen nach seiner persönlichen politischen Agenda zu formen. Da geht es nicht um eine Verbesserung der Ausbildung, da geht es hauptsächlich darum, dass der Innenminister schon bei der Ausbildung unserer Polizistinnen und Polizisten auf allen Ebenen politisch durchregieren will.“

Die schwarz-grüne Landesregierung hatte Ende letzten Jahres die Hessische Hochschule für Polizei und Verwaltung (HfPV) mit zwei Polizeibehörden, nämlich der Polizeiakademie Hessen (HPA) und der Zentralen Fortbildung Hessen (ZFH), zur HöMS zusammengefasst und dies mit dem Ziel begründet, die Wissenschaftlichkeit der Aus-, Fort- und Weiterbildung sowohl der Polizei als auch der öffentlichen Verwaltung in Hessen insgesamt zu stärken. Zudem sollten durch eine gemeinsame Verwaltung der drei zuvor selbständigen Ausbildungseinrichtungen Synergieeffekte gehoben werden.

Der von SPD und Freien Demokraten beauftragte Verfahrensbevollmächtigte Professor Dr. Markus Ogorek von der Universität zu Köln zweifelte bei der Pressekonferenz an dieser Zielsetzung. Ogorek sagte: „Die in der Gesetzesbegründung in Aussicht gestellten Synergieeffekte sind nicht zu erkennen. Vielmehr greift die Landesregierung hier unter dem Deckmantel einer wissenschaftlichen Aufwertung der Polizeiausbildung und der Fortbildung für den öffentlichen Dienst insgesamt in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise in die Wissenschaftsfreiheit und in das Selbstverwaltungsrecht der Hochschulen nach Artikel 10 und Artikel 60 Absatz 1 der Hessischen Verfassung ein. Hochschulen und Polizeibehörden unterscheiden sich in ihrer Organisationsstruktur und ihrer Aufgabenstellung fundamental und dürfen daher nicht leichtfertig miteinander vermengt werden.“

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Günter Rudolph ergänzte, es gehe bei dem Normenkontrollantrag auch um die Zukunft der hessischen Hochschulen insgesamt: „Wir wollen verhindern, dass die HöMS zu einem Präzedenzfall wird. Denn wenn die Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit und der Selbstverwaltung bei der HöMS Bestand haben, dann könnten vergleichbare Einschränkungen jederzeit auch auf andere Hochschulen angewendet werden mit der Begründung: Was für die HöMS gut und richtig ist, kann doch für die Unis in Frankfurt, Gießen, Marburg und anderswo nicht falsch sein. Das wäre ein Dammbruch, den wir nicht zulassen dürfen“, so Rudolph.

Der Innenexperte der Freien Demokraten, Stefan Müller, kritisierte in diesem Zusammenhang insbesondere das Verhalten der mitregierenden Grünen, die erneut als Korrektiv der CDU versagt hätten. Müller sagte: „Die Hochschulfreiheit und die Freiheit der Wissenschaft sind von der Verfassung ausdrücklich geschützt. Dennoch haben die Grünen beides dem Koalitionsfrieden geopfert. Es ist erschreckend, wie wenig Wertschätzung CDU und Grüne unserer Verfassung entgegenbringen. Die Regierungsparteien schöpfen den Spielraum, den die Verfassung einräumt, nicht nur aus, sondern schlagen immer öfter völlig über die Stränge. Das ist gefährlich für das Vertrauen in den Rechtsstaat und seine Institutionen.“

Die Antragsschrift finden Sie hier.