MÜLLER: Dimension des SEK-Skandals zeigt rechtes Netzwerk auf
- Mehr Polizeibeamte in rechten Chatgruppen dabei als zuletzt bekannt
- Falscher Korpsgeist im SEK Frankfurt
- Beuth muss Konsequenzen tragen
WIESBADEN – „Wenn sich 49 Polizeibeamte, zwei ehemalige Polizisten und fünf externe Personen in insgesamt sieben Chatgruppen mit unterschiedlicher Zusammensetzung über laut Staatsanwaltschaft rechtsextreme Inhalte austauschen, dann kann man das nur als rechtes Netzwerk in der Polizei bezeichnen. Dass im Mittelpunkt dieses Netzwerks 36 Mitglieder des SEK und damit der wichtigsten Spezialeinheit der hessischen Polizei stehen, macht die Sache noch schockierender“, stellt Stefan MÜLLER, innenpolitischer Sprecher der Fraktion der Freien Demokraten im Hessischen Landtag, nach der Sondersitzung des Innenausschusses zur Auflösung des Frankfurter SEK fest. „Und wieder hat Innenminister Peter Beuth nur scheibchenweise informiert. Erst waren es 19 Fälle, dann kamen 4 weitere hinzu, und nach der Antwort auf unseren Berichtsantrag sind es jetzt 56 Personen, davon mindestens 49 aktive Polizeibeamte und zwei im Ruhestand, die sich in nicht einer, sondern sieben Chatgruppen ausgetauscht haben.“ Das habe der Innenminister bei seiner Pressekonferenz in der vergangenen Woche ebenso wenig erwähnt wie die Tatsache, dass nicht nur SEK-Beamte, sondern auch 20 weitere Personen, davon 13 im aktiven Polizeidienst aus acht hessischen Polizeibehörden, darunter ein Ausbilder der Hessischen Polizeiakademie, an den Chats beteiligt waren. „Minister Beuth hat aus seinem zurückhaltenden und defensiven Kommunikationsverhalten nichts gelernt. Das Vorleben von Fehlerkultur sieht anders aus, aber aus seiner Sicht und aus Sicht der Koalitionsfraktionen von Grünen und CDU macht der Innenminister offensichtlich alles richtig“, meint Müller. Er erinnert zudem daran, dass die sieben rechten Chatgruppen in der Polizei nicht durch eigene Ermittlungen aufgedeckt wurden, sondern im Zuge von Ermittlungen zu kinderpornografischen Straftaten eines SEK-Beamten. „Die Sache wurde zufällig aufgedeckt.“
„Auch die Tragweite des Skandals wird täglich größer. Offenbar haben insbesondere die SEK-Beamten ihr Gedankengut nicht nur in Chatgruppen ausgetauscht, sondern auch physisch in ihren Diensträumen eine Kultur gelebt, die mit dem Leitbild der Polizei nicht vereinbar ist“, stellt Müller entsetzt fest und verweist auf Äußerungen des Leiters der Expertenkommission, wonach die Räumlichkeiten des SEK auf eine „besondere gelebte Kultur“ hindeuteten, die in der Summe bei ihm „Befremden ausgelöst“ hätte. Laut Innenminister handelt es sich um „ein Umfeld, in dem man einen Neuanfang wahrscheinlich nicht hinbekommt“. „Dass auch der Frankfurter Polizeipräsident sagt, dass eine rote Linie überschritten worden sei und es eine Glorifizierung der SEK-Aktiven und der gesamten Einheit gebe, die nicht dem Leitbild der Polizei entspreche, schockiert. Dies zeugt von einem Korpsgeist, der so nicht mehr akzeptabel ist“, erklärt Müller. „Hier stellt sich die Frage, wer wie lange weggeschaut oder nicht richtig hingeschaut hat.“ Müller resümiert: „Tatsächlich handelt es sich um das befürchtete rechte Netzwerk bei der Polizei, das hier aufgedeckt worden ist. Und der Innenminister trägt die Gesamtverantwortung für die Fehler und das Fehlverhalten in Teilen der hessischen Polizei. Er hat es über Jahre versäumt, eine Fehlerkultur zu etablieren und lebt auch selbst diese Fehlerkultur nicht vor. Im Zweifelsfall sind es andere – wie jüngst der Frankfurter Polizeipräsident Gerhard Bereswill – die entmachtet werden. Peter Beuth muss sich fragen, ob er sich selbst noch zutraut, die Probleme bei der hessischen Polizei zu lösen, oder ob er zunehmend zur Belastung wird.“