Gastbeitrag Frankfurter Rundschau

28.11.2011

Gastbeitrag Frankfurter Rundschau „Hessen geht es gut!“ von Dr. Christean Wagner, Fraktionsvorsitzender der hessischen CDU-Landtagsfraktion, und Florian Rentsch, Fraktionsvorsitzender der hessischen FDP-Landtagsfraktion

Seit zweieinhalb Jahren regiert die christlich-liberale Koalition erfolgreich in Hessen. Wir haben unser Bundesland aus der Wirtschaftskrise mit ausgezeichneten Daten herausgeführt. Ein Wirtschaftswachstum, das mit 4,3 Prozent deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegt, und die niedrigste Arbeitslosenquote seit 20 Jahren sind allein zwei eindrucksvolle Belege: Hessen geht es gut!

Ein hohes und nicht zu unterschätzendes Gut ist unsere Geschlossenheit, mit der wir in der Öffentlichkeit auftreten. Glaubwürdigkeit und Geschlossenheit sind die beiden wichtigsten Voraussetzungen, um langfristig in der Politik Erfolg zu haben. Das bedeutet nicht, dass es keinerlei unterschiedliche Meinungen innerhalb der Koalition gäbe. CDU und FDP sind zwei eigenständige Parteien mit einer eigenen Programmatik und mit einer eigenen Geschichte. Auch wir haben unsere lebhaften Diskussionen und zuweilen unterschiedliche Auffassungen in der Sache. Das ist normal. Strittige Themen diskutieren wir deshalb jeden Montagabend in unserer Koalitionsrunde in Wiesbaden. Wir ringen um den richtigen Weg. Da kann es dann auch mal bis in die frühen Morgenstunden gehen, wie es beispielsweise bei der Ausarbeitung des neuen Schulgesetzes geschehen ist. Am Ende steht aber immer ein tragfähiges Ergebnis, das von beiden Seiten geschlossen vertreten wird.

Ein solcher Prozess erfordert viel Vertrauen zwischen den handelnden Personen. Dieses Vertrauen kann man nicht verordnen, sondern es muss wachsen. In Hessen kennen sich die handelnden Verantwortungsträger zum Teil seit Jahrzehnten. Gerade das schafft das nötige Vertrauen und hilft in schwierigen Situationen.

Für den Erfolg der christlich-liberalen Regierungskoalition in Hessen ist das gemeinsame Wertefundament von großer Bedeutung. Unser Ziel ist es, Chancen für die Zukunft zu eröffnen, die die Wirtschaftskraft unseres Landes verbessern, Arbeitsplätze zu schaffen und in Bildung, Ausbildung sowie Forschung zu investieren. Einen Umverteilungsstaat, der immer mehr Schulden anhäuft und jungen Leuten die Zukunft verbaut, lehnen wir ab. Die Vertreter der Presse im Hessischen Landtag haben sich an unser geräuschloses Arbeiten schon so sehr gewöhnt, dass sie aufschrecken, wenn zwei unterschiedliche Parteien auch einmal öffentlich unterschiedliche Meinungen vertreten, wie es in der Frage des islamischen Religionsunterrichts oder der Frage nach einer Pkw-Maut geschehen ist. Dann wird gern mit schneller Feder von „Koalitionskrach“ geschrieben. Richtig ist aber doch: Jede Partei muss von anderen Parteien unterscheidbar bleiben. Das gilt auch in einer Koalition. Schließlich gibt ein Koalitionsvertrag nicht die Parteiprogramme wieder, sondern stellt einen ausgehandelten Kompromiss dar.

Als Kompass für unsere gemeinsame Arbeit dient neben dem gemeinsamen Wertefundament unser Koalitionsvertrag. Wir haben ihn zu Beginn der Wahlperiode unter das Motto „Vertrauen. Freiheit. Fortschritt. – Hessen startet ins nächste Jahrzehnt“ gestellt. In der Präambel steht folgender Satz: „Wir sind bei vielen Unterschieden zwischen unseren Parteien in Einzelfragen der gemeinsamen Überzeugung, dass Fortschritt nur durch eigenverantwortliche Bürger, die ihre Freiheit schätzen und nutzen, erreicht werden kann.“ Parteien in einer Koalition müssen nicht bis ins letzte Detail dieselben Ansichten vertreten, sie müssen aber vom Grundsatz her eine gemeinsame Idee haben, wie sie für Staat und Gesellschaft die Zukunftsaufgaben bewältigen wollen. Deshalb müssen Koalitionspartner zu Beginn der Regierungszeit einen Vertrag aushandeln, in dem auch die strittigen Punkte geregelt sind. Wir haben in Hessen unsere unterschiedlichen Auffassungen benannt und festgeschrieben, wie wir damit umgehen.

Beim Blick auf die Bundesebene fällt auf, dass der Koalitionsvertrag in vielen Punkten zu vage bleibt. Viele strittige Punkte wurden zu Beginn der Wahlperiode in den Verhandlungen ausgeklammert, gemeinsame Ziele nicht definiert. Dieses Defizit an programmatischer Erkennbarkeit des Koalitionsvertrages holt die Bundesregierung nun immer wieder ein und führt zu einer desaströsen Außendarstellung. Hinzu gekommen ist immer wieder die unkoordinierte Präsentation von Erfolgen in der Öffentlichkeit. Nicht nur einmal wurden Kompromisse, auf die sich die Spitzen von CDU/CSU und FDP geeinigt hatten, den Medien präsentiert, ohne dies vorher ausreichend in den Koalitionsparteien abgesprochen zu haben. In aller Öffentlichkeit wurden die Beschlüsse dann von den eigenen Leuten torpediert. Und wieder titelte die Presse: „Streit in der Berliner Koalition“. Es sind solche handwerklichen Fehler, die dem Ansehen der als „Wunsch-Koalition“ gestarteten Regierung massiv geschadet haben. Die unbestreitbar zahlreichen Erfolge der Bundesregierung treten in der medialen Aufmerksamkeit in den Hintergrund. Diese Missgriffe müssen dringend abgestellt werden, wenn diese Regierung auch über die Wahlperiode hinaus noch bestehen will. Ebenso darf man das eigene Lager nicht durch Unberechenbarkeit und Beliebigkeit überstrapazieren. Berlin sollte sich hier ein Beispiel an der erfolgreichen Arbeit der christlich-liberalen Koalition in Hessen nehmen. Wir besprechen in unserer Koalitionsrunde am Montagabend alle das Land berührende Projekte intensiv, bis wir eine gemeinsame Lösung gefunden haben. So entsteht ein Bild der Einigkeit. Das politische Tagesgeschäft darf sich nicht an aktuellen Umfragewerten orientieren. Lebendige Diskussion nach innen, Einigkeit und Geschlossenheit nach außen und Verlässlichkeit und Mut bei unpopulären Themen sind die Voraussetzungen für den politischen Erfolg einer Koalition.