Digitalisierung und Datenschutz

13.04.2015

GREILICH/HAHN: Digitalisierung und Datenschutz versöhnen – Bürger sollen Möglichkeiten des digitalen Fortschritts nutzen können und dabei Herr ihrer Daten bleiben

Der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag, Wolfgang GREILICH, und der datenschutzpolitische Sprecher sowie Vorsitzende des Unterausschusses Datenschutz, Jörg-Uwe HAHN, haben ein Konzeptpapier entworfen, welches die Eckpfeiler für den gesellschaftlichen Digitalisierungsprozess beschreibt, die dringend notwendig sind, um die Datenschutzpolitik in Deutschland an die neuen Entwicklungen und Herausforderungen der Digitalisierung anzupassen. Anlässlich der Vorstellung des Papiers am heutigen Tage in Wiesbaden erklärt Wolfgang GREILICH: „Wir leben in Zeiten einer unaufhaltsam fortschreitenden Digitalisierung in allen Lebensbereichen – sei es die Kommunikation zwischen den Bürgern oder staatlichen Institutionen, die Informationswege oder Produktionsabläufe: In der Schule greift langsam die Einbindung multimedialer Inhalte und Informationswege mehr Raum; Verkehrswege und –mittel werden zunehmend vernetzt und digital überwacht; die öffentliche Verwaltung sieht sich einem stetig wachsendem Drang nach transparenter Information über Projekte und ihr eigenes Handeln ausgesetzt; auch kleine und mittelständische Unternehmen schließen internationale Verträge, ohne mit den Vertragspartnern an einem Tisch sitzen zu müssen.

Aus dieser digitalen Entwicklung ergibt sich jedoch ein erhebliches Spannungsverhältnis: Auf der einen Seite ist klar zu erkennen, dass Bürgerinnen und Bürger diese unendlichen Möglichkeiten der Digitalisierung interessant finden und die Chancen in ihrem Alltag nutzen wollen, um hierdurch mehr Komfort und Lebensqualität zu schaffen. Auf der anderen Seite herrscht ein gewisser Skeptizismus, weil die Digitalisierung auch dazu führt, dass Daten aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich erhoben und genutzt werden. Gerade mit Blick auf die Geheimdienstskandale und private Datenkraken haben die Menschen in Deutschland die Sorge, zum gläsernen Bürger zu werden und haben das Vertrauen, dass Politik die richtigen Rahmenbedingungen schafft und vor Datenmissbrauch schützt, verloren.

Wir Freie Demokraten wollen dazu beitragen, diesen Konflikt so zu lösen, dass die Menschen die Chancen, die sich durch die Digitalisierung bieten, nutzen und einen neuen Optimismus gegenüber den Errungenschaften des technischen Fortschritts entwickeln können. Denn die Digitalisierung bietet neue Freiheiten, welche den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland – trotz zarter Pflänzchen in einigen Lebensbereichen – im Großen und Ganzen noch weitgehend vorenthalten werden, weil die Rahmenbedingungen vor allem in der Datenschutzpolitik noch nicht an die neuen Realitäten angepasst sind.

Um dies endlich voranzutreiben und nicht mehr länger den in der Digitalisierung führenden Ländern aus Fernost, dem Baltikum oder Skandinavien hinterherzuhinken, bedarf es zunächst eines Paradigmenwechsels bezüglich der Verfügungsgewalt an höchstpersönlichen Daten: Personenbezogene Daten sind danach als persönliches Eigentum der Bürgerinnen und Bürger zu verstehen: Dies bedeutet zum einen, dass er eigentumsrechtlich grundsätzlich die alleinige Verfügungsgewalt innehat; dies heißt beispielsweise konkret, dass nicht der Arzt „Eigentümer“ von Patientendaten (Röntgenaufnahmen, Blutbildern etc.) wird, sondern der Bürger selbst. Wo Datenerhebung schon nicht verhindert werden kann oder wo sie mit Blick auf den Nutzen nicht weiter verhindert werden sollte, ist zur Durchsetzung dieses Eigentumsrechts absolute Transparenz darüber erforderlich, wer höchstpersönliche Daten erhebt, wer sie einsieht oder sonst wie nutzt. Nur dann kann sich der Betroffene bei widerrechtlicher Datenerhebung und –verwendung auch erfolgreich wehren.

Zum zweiten wollen wir ein intuitives, für jedermann zugängliches System zur breiten gesellschaftlichen Nutzung der Digitalisierung schaffen. Die digitalen Leistungen des Staates, sei es der Informationszugang zu öffentlichen Dokumenten, die Antragsstellung für Dienstleistungen wie die Kfz-Anmeldung oder die Steuerverwaltung sind nach wie vor zu kompliziert, zu versteckt, auf zu viele verschiedene Portale verteilt oder schlicht digital noch nicht verfügbar. Über ein zentrales Online-Bürgerportal, von dem aus der Nutzer auf alle digitalen Dienstleistungen einfach zugreifen kann, könnte er seine persönlichen Daten verwalten, Anträge stellen, Steuererklärungen abgeben und individuelle Datenschutzeinstellungen vornehmen. In dieses Bürgerportal könnten zudem auch private digitale Dienstleistungen integriert werden, wie Banking, Versicherungen, Shoppingapplikationen.

Zum dritten sollte durch die Ausweitung der elektronischen Funktionen des Personalausweises und der Fortentwicklung zu einer ID-Karte dieser künftig nicht mehr nur der Identifikation, sondern generell als Zugangsmittel zu dem zentralen digitalen Bürgerportal dienen. Um die größtmögliche Transparenz und Kontrolle des Bürgers über Zugriffe auf seine Daten zu gewährleisten, soll das Bürgerportal nicht nur dem Zugriff auf eigene oder von Seiten des Staates zur Verfügung gestellte Daten dienen; auch wenn ein Bediensteter, Beamter oder Dritter im Rahmen seiner Berufsausübung oder dienstlichen Tätigkeit auf fremde Daten zugreift, bezüglich derer er eine Zugriffsberechtigung hat, sollte dies über das System erfolgen. Zentraler Punkt zur Durchsetzung der Herrschaft des Bürgers über die Daten ist nämlich, dass jeder Zugriff auf die Daten für den Bürger individuell nachprüfbar protokolliert wird, und zwar mit dem klaren Hinweis, wer zu welchem Zeitpunkt auf welche Daten zugegriffen hat. So hat es der Bürger in der Hand, die Berechtigung des Zugriffs zu prüfen und Missbrauch mit den Mitteln des Zivilrechts wie auch des Strafrechtes zu verfolgen.

Entscheidend für die Nutzbarmachung der Digitalsierung für die gesamte Gesellschaft ist zudem, dass die Teilhabe durch den Zugang zu den Systemen sichergestellt ist. Fehlende Infrastruktur darf nicht dazu führen, dass ein Teil der Bürger vom Komfort der Digitalisierung ausgeschlossen wird. Eine moderne, leistungsfähige Breitbandversorgung sowie die flächendeckende Bereitstellung von mobilen Hochleistungsdatennetzen und W-LAN-Verbindungen an öffentlichen Plätzen und in Verwaltungsgebäuden sind damit grundlegende Vorbedingungen für den Digitalisierungsprozess.

Zu einer Gesellschaft, die einer Digitalisierung in allen Lebensbereichen offen gegenübertritt, gehört ein außerordentlich hohes Maß an individuellem Verständnis für Datenschutz sowie die Möglichkeit, dieses in der Praxis anzuwenden. Aus diesem Grund wollen wir bereits frühzeitig, das heißt im Rahmen der schulischen Bildung, den Umgang mit dem System und dem Datenschutz in den Unterricht integrieren und dazu das Schulfach Informatik in Digitalkunde fortentwickeln, in dem neben Kenntnissen zu Hard- und Software die Vermittlung von Medienkompetenz und die Beherrschung von Sicherheitstechniken und Datensparsamkeit treten.

Ein fortschrittsorientierter Umgang mit der Digitalisierung, der den Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs ernst nimmt, den Bürgern die Hoheit über die eigenen Daten zurückgibt und den Weg bereitet, die sich daraus ergebenden Möglichkeiten zu ergreifen, ist unerlässlich, um Deutschland zu einer Republik der Chancen werden zu lassen. Wir Freie Demokraten wollen, dass der Staat die notwendigen Rahmenbedingungen schafft, um seinen Bürgerinnen und Bürgern alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen, diese Chancen selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu ergreifen. Wir werden den Menschen in Deutschland diese Möglichkeiten nicht länger von vorne herein durch die Angst vor Missbrauch nehmen lassen.“