Böhmermann-Affäre
- Abschaffung des überflüssigen Majestätsbeleidigungsparagraphen sollte unverzüglich erfolgen
- Politik darf nicht vor Befindlichkeiten des chronisch beleidigten Sultans einknicken
- CDU und Grüne in Hessen sind sich einmal mehr einig, dass sie sich nicht einig sind
Anlässlich der Debatte um das Erdogan-Gedicht des Moderators Jan Böhmermann und die Strafverfolgungsermächtigung der Bundesregierung erklärte der Vorsitzende der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag, Florian RENTSCH: „Wenn etwas aus dem Fall Böhmermann klar geworden ist, dann, dass wir kein Sonderstrafrecht brauchen, um die Ehre von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu schützen. Bei der Verfolgung von möglichen Beleidigungen sollten für alle Menschen die gleichen Regeln gelten, ob ausländischer Staatspräsident oder normaler Bürger. Insbesondere der Umstand, dass die Strafverfolgung bei der „Majestätsbeleidigung“ von einer Ermächtigung durch die Bundesregierung abhängig ist, ist mit einem modernen Rechtsstaat und dem Grundsatz der Gewaltenteilung kaum zu vereinbaren. Grundsätzlich scheint dies auch niemand mehr ernsthaft in Frage zu stellen – der Justizminister will den § 103 StGB abschaffen, die Bundeskanzlerin auch, der Bundestag und auch der Bundesrat und auch CDU und Grüne in Hessen – nur eben noch nicht jetzt. Die Gründe hierfür sind mindestens so bedenklich, wie sie offensichtlich sind: Die Böhmermann-Affäre ist keine Debatte um die Frage, was Satire darf, ob es sich bei dem Gedicht um Satire handelt oder ob es sich um verbotene Schmähkritik handelt. Es geht derzeit nur darum, das Gesicht des türkischen Staatspräsidenten zu wahren, um den zweifelhaften Flüchtlingsdeal nicht zu gefährden.“
Rentsch weiter:
„Wir dürfen unsere freiheitlichen Grundwerte nicht durch jemanden zur Disposition stellen lassen, der es selbst mit Menschenrechten und vor allem der Meinungsfreiheit alles andere als genau nimmt: Karikaturisten, die sich über den türkischen Staatschef satirisch lustig machen, werden dafür in der Türkei drangsaliert und inhaftiert; Journalisten, die sein Vorgehen in den überwiegend kurdischen Gebieten der Osttürkei oder die Rolle der Türkei im Syrienkonflikt beleuchten, werden vor Gericht gestellt; unliebsame Redaktionen werden geschlossen, Fernsehsender staatsseitig übernommen, ausländische Journalisten nicht mehr ins Land gelassen. Das richtige Signal wäre es daher, ihm nicht auch noch besondere Werkzeuge an die Hand zu geben, die er zur Provokation einer diplomatischen Krise nutzen kann – denn nur durch die Existenz des § 103 Strafgesetzbuch konnte ein Vorgang, der ansonsten unzählige Male vor deutschen Gerichten landet, zu einer Staatsaffäre werden. Dieses Zeichen könnte die schwarz-grüne Koalition mit der Zustimmung zu einer entsprechenden Initiative im Bundesrat von insgesamt sechs Bundesländern, die bereits vorliegt, setzen – alleine der Mut hierzu fehlt ihr offensichtlich. Stattdessen stellen CDU und Grüne ein weiteres Mal im Landtag fest, dass sie sich nicht einig sind.“