Bau-Booster für Hessen
Mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, seit der Corona-Pandemie anhaltenden Lieferkettenproblemen, Baupreisinflation und dem Ende der Nullzinspolitik wurde der Boom der Baubranche abrupt beendet. Viele Jahre ohne nennenswerte Inflation und mit günstigem Geld haben darüber hinweggetäuscht, dass wir politisch mit immer mehr Regulierung, Vorschriften und langsamen Verfahren ein investitionsfeindliches Klima geschaffen haben. Die Fehler der Vergangenheit fallen uns jetzt auf die Füße, dem Neubau droht der Kollaps. Zahlreiche Neubauprojekte im frei finanzierten sowie im geförderten Wohnungsbau wurden bereits auf Eis gelegt beziehungsweise nicht neu begonnen. Laut Statistischem Landesamt wurden im Jahr 2022 knapp 10 Prozent weniger Baugenehmigungen für neue Wohnungen erteilt als im Vorjahr. Die Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V. rechnet in einer Studie aus dem Januar 2023 für das laufende Jahr mit einem Rückgang der Neubauten von 30-50 Prozent bei Einfamilienhäusern. Auch bei Mehrfamilienhäusern seien drastische Rückgänge zu erwarten, weil sich die gestiegenen Zins- und Baukosten am Mietmarkt nicht mehr durchsetzen lassen.
Dem wegbrechenden Neubau steht ein eklatanter Mangel an Wohnraum gegenüber. In Hessen fehlen, je nach Auswertung, mindestens 360.000 Wohnungen bis zum Jahr 2040. Um den Bedarf in Hessen zu decken ist laut Wohnbedarfsprognose des Instituts für Wohnen und Umwelt (IWU) aus dem Jahr 2020 eine Baufertigstellungstätigkeit von 21.000 Wohneinheiten pro Jahr notwendig. Diese Zahl wurde auf dem Höhepunkt des Baubooms nur knapp erreicht, für die kommenden Jahre lassen die Prognosen der Branche aber eine drastische Verfehlung der Ziele erwarten: Hessen befindet sich in einer Baukrise.
Über 85 Prozent des Wohnungsbestandes in Hessen befinden sich in Besitz privater Eigentümer. Die privaten Investitionen in den hessischen Wohnungsmarkt belaufen sich auf über 7 Milliarden Euro pro Jahr. Bei der Schaffung von neuem Wohnraum sind private Investoren deshalb der mit Abstand wichtigste Partner.
Hohe Mieten sind in erster Linie Ausdruck von Knappheit. Günstigere Preise lassen sich aber nicht staatlich verordnen, sie sind alleine durch eine Ausweitung des Angebots erreichbar. Wir Freie Demokraten wollen dafür sorgen, dass Wohnen kein Luxus wird. Dazu schlagen wir ein Bündel an schnell umsetzbaren Maßnahmen vor.
1. GEBÄUDEKLASSE „E“ – E WIE EINFACH
Der Wohnungsbau in Deutschland und in Hessen unterliegt einer unüberschaubaren Masse von Normen und Vorschriften. Diese Regulierung macht Bauen komplex und immer teurer. Um Freiheit für innovatives Bauen zu schaffen, schlagen wir die Schaffung einer Gebäudeklasse „E“ – e wie einfach oder Experiment – in der Hessischen Bauordnung vor. Unter Berücksichtigung vorher definierter Mindeststandards sollen Planung und Bau von Gebäuden mit reduzierter Einhaltung von Normen ermöglicht werden. Damit wird der hessische Wohnungsbau für innovative Versuche geöffnet, die dazu beitragen, nachhaltige Gebäude zu bezahlbaren Kosten zu bauen.
2. BAUGENEHMIGUNGSVERFAHREN DIGITALISIEREN UND BESCHLEUNIGEN
Um die Baugenehmigungsverfahren zu beschleunigen, muss der gesamte Prozess der Baugenehmigung überall in Hessen – nicht nur in einzelnen Pilotprojekten – digital möglich sein. Sämtliche Schritte von der Einreichung des Bauantrags über die Kommunikation mit der Behörde bis hin zur Erteilung der Baugenehmigung sollen digital stattfinden. Neben der Kommunikation mit den Bauherren müssen auch die verwaltungsinternen Prozesse schnellstmöglich digitalisiert werden. Die Genehmigungsbehörden müssen damit mit ausreichend Mitteln ausgestattet werden.
3. INVESTITIONSHINDERNISSE ABSCHAFFEN
Um zu verhindern, dass Mieten immer weiter steigen muss der Staat sämtliche Maßnahmen unterlassen, die Investitionen verhindern. Eigentumsfeindliche Eingriffe wie der Umwandlungsvorbehalt in Städten und Gemeinden mit angespannten Wohnungsmärkten machen Investitionen in neuen Wohnraum unattraktiver. Auch Mietpreisbremse und Kappungsgrenze tragen nicht zur Entstehung neuen Wohnraums bei. Schlimmstenfalls verhindern sie sogar dringend benötigte Investitionen in den hessischen Wohnungsbau. Damit sind die genannten Instrumente auch nicht geeignet, mittelfristig bezahlbare Mieten sicherzustellen. Um private Investitionen zu stimulieren ist es sinnvoll, dass der Staat aufhört, in Eigentumsrechte und Preisbildungsprozesse des Marktes einzugreifen.
4. SCHLUSS MIT STAATLICHEN KOSTENTREIBERN
Die Baukosten steigen seit vielen Jahren kontinuierlich an, die Teuerung im Baubereich liegt weit oberhalb der allgemeinen Inflation. Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig, der Staat ist aber an den enormen Preissteigerungen nicht unbeteiligt. Immer mehr Vorgaben, Anforderungen und Vorschriften haben den Staat selbst zu einem Kostentreiber gemacht. Egal ob das Verbot von Öl- und Gasheizungen oder das Verbot von großen Glasflächen: Der Politik fallen immer noch Gesetze ein, die das Bauen – wenn auch unbeabsichtigt – teurer machen. Diese Art der Politik können wir uns in der aktuellen Situation nicht mehr leisten. Wir wollen deswegen jedes Gesetz und jede neue Verordnung einer Folgekostenabschätzung unterziehen, die darlegt, welche Mehrkosten sich für Bauprojekte in Hessen ergeben. Regelungen, die sich als baukostentreibend erweisen, müssen künftig ausbleiben.
5. AUSWEISUNG VON BAULAND BESCHLEUNIGEN
In den Ballungsräumen ist Bauland typischerweise knapp, aber nicht sämtliche Bedarfe lassen sich durch Nachverdichtung lösen. Obwohl der Druck auf den Wohnungsmarkt bereits immens ist, war Bauland in der Vergangenheit oft der limitierende Faktor. Versuche, die Kommunen bei der Ausweisung neuen Baulands zu fördern, wie der Große Frankfurter Bogen, haben nicht wie gewünscht funktioniert. Wir schlagen deshalb vor, finanzielle Anreize zur Ausweisung neuen Baulands im Kommunalen Finanzausgleich (KFA) zu organisieren.
6. DACHGESCHOSSE AUSBAUEN
Besonders in den Ballungsräumen ist es notwendig, kurzfristig nutzbare Potenziale zur Schaffung neuen Wohnraums zu heben. Wir wollen den nachträglichen Ausbau von Dach- und Kellergeschossen voranbringen. Dazu wollen wir den Ausbau von Dachgeschossen in die Liste der genehmigungsfreien Vorhaben (§ 63 HBO) aufnehmen. Dadurch soll der Ausbau von Dachgeschossen zu Wohnzwecken grundsätzlich ohne Genehmigung möglich sein, sofern statische und konstruktive Sicherheit gewährleistet ist. Mit diesem Schritt zur Entbürokratisierung leisten wir einen Beitrag, damit schnell und kostengünstig neuer Wohnraum entsteht.
7. HEIMISCHE ROHSTOFFE NUTZEN
Atomstrom aus Frankreich, Fracking-Gas aus den USA: es ist ein deutsches Phänomen, eigene Ressourcen nicht nutzen zu wollen. Im Baubereich wollen wir alle in Hessen verfügbaren Rohstoffe nutzen, die dazu beitragen, günstiger und ökologischer zu bauen. Dazu zählt, den Abbau von Sand und Kies im Bannwald auch in Zukunft zu ermöglichen, damit kostspielige und ökologisch unsinnige Transportwege vermieden werden. Wer eine hessische Holzbauinitiative mit Leben füllen will, statt sie nur auf dem Papier zu beschließen, kann nicht gleichzeitig immer mehr Staatswald aus der Bewirtschaftung nehmen. Wir wollen deswegen das Einschlagmoratorium für alte Buchen beenden und aus der FSC-Zertifizierung des Staatswaldes und der damit verbundenen Stilllegung von 10 Prozent der Flächen aussteigen.
Positionspapier „Bau-Booster für Hessen (PDF), Stand 16.03.2023