Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Anspruch und Wirklichkeit klaffen oftmals auseinander – das wurde selten so deutlich, wie in der ersten Plenarwoche des neuen Jahres. Während sich beispielweise der Innenminister im Landtag trotz der Herausforderungen durch den Flüchtlingszustrom für ein sicheres Hessen feiern lässt, berichten Medien über einen angeblichen „Maulkorb-Erlass“ innerhalb der hessischen Polizeibehörden. Während sich Volker Bouffier mit der eigenen Flüchtlingspolitik auch im Kampf gegen rechtspopulistische Parteien gut gewappnet sieht, fällt ihm der eigene Koalitionspartner für seine Verhandlungen zum Asylpaket II auf Bundesebene in den Rücken.
Sicher leben – Zusammenhalt gewährleisten?
- Rede von Wolfgang Greilich im Video (externer Link)
- Rede von Florian Rentsch im Video (externer Link)
- Link zur Pressemitteilung
Kurz vor der Regierungserklärung mit dem Thema „Sicher leben – Zusammenhalt gewährleisten“, in der sich Innenminister Beuth für die Polizeiliche Kriminalstatistik und die hohe Aufklärungsquote der hessischen Polizei lobte, veröffentlichte die Bild-Zeitung einen Bericht, wonach über eine Vielzahl von Übergriffen und Straftaten im Zusammenhang mit Flüchtlingen keine Informationen seitens der jeweiligen Polizeibehörden an die Öffentlichkeit gegeben worden sein sollen. Dabei hatten wir in der letzten Sitzung des Innenausschusses Beuth genau dazu befragt. Vehement hatte er verneint, dass es einen „Maulkorb“ innerhalb der hessischen Polizeibehörden gebe. „Wenn gar tatsächlich, wie von der BILD-Zeitung behauptet, die genannten Vorgänge aus geheim eingestuften Lageberichten des LKA stammen, dann nährt dies erhebliche Zweifel an den Ausführungen des Ministers im Innenausschuss des Landtags vor zwei Wochen“, betonte Wolfgang Greilich in seiner Rede und forderte vom Innenminister eine abschließende und umfassende Aufklärung in dieser Sache. „Der Innenminister muss für eine offene und nachvollziehbare Art der Kommunikation auch bei heiklen Sachverhalten sorgen, sonst befördert er Legendenbildungen und schürt das Gefühl der Bevölkerung, nicht umfassend informiert zu werden. Nicht wer die notwendigen Fragen in sachlicher Art und Weise stellt und Probleme offen anspricht, sondern wer fortgesetzt und offenbar systematisch Informationen zurückhält, der leistet rechten Kräften wie jenen Vorschub, die sich den Schießbefehl an deutschen Grenzen zurückwünschen. Es ist nun an der Landesregierung und zuvorderst am Innenminister, endlich offen zu kommunizieren und die entstandenen Irritationen auszuräumen.“
Erst in der kurzfristig einberufenen Sondersitzung des Innenausschusses am Mittwochabend nahm Beuth Stellung, wies jedoch jegliche Vorwürfe der Bild-Zeitung zurück und kündigte Ermittlungen gegen den „Maulwurf“ innerhalb der hessischen Polizeibehörden wegen Geheimnisverrats an.
Nicht „rumeiern“, sondern entschieden handeln
Auch die Flüchtlingspolitik der Großen Koalition, die sich nach langem Hin und Her auf das Asylpaket II geeinigt hatte, war Tagesordnungspunkt. Das Asylpaket II enthält eine Reihe von Maßnahmen, die wir als Freie Demokraten bereits seit Monaten gefordert hatten: etwa die Begrenzung des Familiennachzugs, restriktivere Regeln etwa bei Verletzung von Meldepflichten, die Einführung von besonderen Aufnahmezentren und Schnellverfahren und die Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten auf die Maghreb-Länder. Doch diesen Kompromiss, für den sich Ministerpräsident und CDU-Bundesvize Bouffier in Berlin massiv eingesetzt hat, wollen die Grünen nicht mittragen. Ob Tunesien, Marokko und Algerien also zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden, entscheidet sich nicht allein in Berlin, sondern vor allem in Wiesbaden. „Es wäre ein fatales Signal, wenn sich Schwarz-Grün erneut zu keiner klaren Positionierung durchringen könnte und mit einer wachsweichen Enthaltung den Ministerpräsidenten im Regen stehen lassen würde“, appellierte Florian Rentsch an die schwarz-grüne Koalition. „Dass Hessen mittlerweile sämtliche Rekorde in Bezug auf Enthaltungen im Bundesrat gebrochen hat, ist ein bitterer Befund, der sehr viel über die tatsächliche Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit dieser Koalition verrät. Entsprechend besorgniserregend ist nun die Tatsache, dass bei der Abstimmung um das Asylpaket II im Bundesrat die hessische Stimme über Annahme oder Ablehnung entscheiden könnte. Rentsch forderte die Fraktionen von CDU und Grüne auf, nicht länger „rumzueiern“. Denn „rumeiern“ – laut Duden bedeutet das „ohne klare Linie handeln, sich unklar äußern (und deshalb nichts erreichen)“ – beschreibt das Abstimmungsstimmungsverhalten der schwarz-grünen Koalition in vielen Bundesratsentscheidungen, vor allem in denen, die Entscheidungen in der Flüchtlingspolitik des Bundes betreffen.
Bedauerlicherweise konnte sich die schwarz-grüne Koalition – auch auf unsere Aufforderung hin – auch an diesem Plenardonnerstag zu keinem klaren Bekenntnis durchringen. Nun bleibt nur zu hoffen, dass sie im Bundesrat mit der Zustimmung Hessens ein eindeutiges Zeichen setzen wird. Gerade die Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten ist angesichts der geringen Schutzquote in den nordafrikanischen Ländern ein logischer Schritt. Der Schlingerkurs der Union, die dauernden Verzögerungen bei jeder noch so kleinen Sachentscheidung und der mangelnde große Plan hinter dem Handeln in der Flüchtlingskrise führen dazu, dass mittlerweile 80 Prozent der Menschen in unserem Land nicht mehr daran glauben, dass die Politik die Lage im Griff hat. Das und nicht das Benennen von Problemen stärkt den rechten Rand.
Schuleignung bleibt bedeutungslos
Wir halten es schlicht für ungerecht, wenn Gymnasien bei der Vergabe ihrer Plätze Schüler bevorzugen müssen, die nach Einschätzung der Grundschule für das Gymnasium nicht geeignet sind, während Kinder mit einer Gymnasialempfehlung an andere Schulen verwiesen werden. Genauso ist es bedauerlicherweise aber beispielweise in Frankfurt passiert. „Dort – und nur dort – wo aufgrund kommunalpolitischer Fehlentscheidungen wie in Frankfurt oder aufgrund von unverschuldeten Engpässen im Gymnasialangebot im Einzelfall nicht alle Schüler ihre Wunschschule besuchen können, wollen wir, dass neben den bereits im Schulgesetz verankerten Kriterien auch die Frage der Eignung des einzelnen Schülers in die Aufnahmeentscheidung der aufnehmenden Schule einfließen kann“, begründete Wolfgang Greilich den von uns eingebrachten Entwurf zur Änderung des Hessischen Schulgesetzes.
Laut Gesetz sind Wohnortnähe, Verkehrsverhältnisse, familiäre Aspekte oder bestimmte Sprachenfolgen ausschlaggebend für die Aufnahme an einer Schule, auch an den Gymnasien. Ob jedoch eine Empfehlung für ein Gymnasium vorliegt oder nicht, spielt keine Rolle. Deshalb haben wir dem Landtag den Vorschlag unterbreitet, das Gesetz um die Eignung für den gewählten Bildungsgang zu ergänzen. Dabei soll der Anspruch auf die Wahl des gymnasialen Bildungsgangs weiterhin unabhängig von der Grundschulempfehlung bestehen bleiben. Für den Fall aber, dass ein Gymnasium mehr Anmeldungen als Plätze zu verteilen hat und deshalb konkret über die Auswahl einzelner Schüler zur Aufnahme in die Schule entscheiden muss, soll künftig neben den bereits festgelegten Kriterien auch berücksichtigt werden können, ob eine Gymnasialempfehlung vorliegt oder nicht. Eine Anhörung Anfang Dezember hatte deutlich gezeigt, auf diese Wiese die Wahlfreiheit der Eltern gestärkt werden kann, wie Wolfgang Greilich in der Debatte nochmals betonte: „Beschnitten wird das Elternwahlrecht nicht durch das zusätzliche Kriterium der Eignung, sondern höchstens von Schulträgern, die es wie in Frankfurt versäumt haben, für ein bedarfsgerechtes Schulangebot zu sorgen.“
Bedauerlicherweise haben die anderen im Landtag vertretenen Fraktionen unseren Gesetzentwurf abgelehnt. Den Kindern, die das Gymnasium besuchen möchten und eine entsprechende Empfehlung ihrer Grundschule haben, bleibt also weiterhin nur die Hoffnung , dass künftig genügend Plätze an ihrer Wunschschule angeboten werden können oder schlussendlich das Los für sie entscheidet.
- Gesetzentwurf der FDP-Fraktion für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Schulgesetzes – Drucksache 19/2081
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Schwarz-Grün gefährdet Welterbe
Zwei Stätten hat die UNESCO bisher von der Liste des Welterbes gestrichen: Der Bau der Waldschlößchenbrücke kostete dem Dresdner Elbtal den Titel. Das Wildschutzgebiet der Oryxantilope im Oman fiel der Öl-Förderung zum Opfer. Jetzt setzt die Hessische Landesregierung den Welterbe-Status des Oberen Mittelrheintals, ein Gebiet von 500 Quadratkilometern, wegen vier Windrädern aufs Spiel. „Damit droht Hessen ein Schaden von historischem Ausmaß, auch im weltweiten Vergleich. Die Kulturlandschaft Oberes Mittelrheintal wurde als erste deutsche Kulturlandschaft überhaupt in die Liste des Welterbes aufgenommen und ist von herausragender Bedeutung für unser Land, für unsere Kultur und natürlich auch für den Tourismus in der gesamten Region“, mahnte Florian Rentsch in seiner Rede an.
Die Windräder, die in Lorch im Rheingau entstehen sollen, würden letztlich also Auswirkungen auf die gesamte Region zwischen Koblenz und Bingen haben. Eine Sichtachsenstudie, die im Auftrag des Zweckverbandes „Welterbe Oberes Mittelrheintal“ – in dem die Stadt Lorch, der Rheingau-Taunus-Kreis und das Land Hessen Mitglieder sind – zeigt eindeutig auf, dass der Bau der geplanten Windkraftanlagen ein sehr hohes Konfliktpotential darstellt und den Welterbe-Status stark gefährdet. Die UNESCO droht deshalb mit der Aberkennung des Titels, sollte an den Windkraftplänen festgehalten werden. „Im Fall Lorch geht es also nicht darum, ob man für oder gegen Windkraft ist, sondern ob für den Windwahn der schwarz-grünen Landesregierung alles, auch UNESCO-Welterbe, geopfert werden soll“, so Rentsch.
Selbst das rot-grün regierte Rheinland-Pfalz, dessen Landschaftsbild von Windrädern geprägt ist, nimmt den Appell der UNESCO ernst, hat den Bau aller Windkraftanlagen in ihrem Teil des Welterbes untersagt und kritisiert die hessischen Pläne scharf. Mit einem Antrag haben wir die Landesregierung aufgefordert, alles zu unternehmen, um den Bau von Windkraftanlagen im Kernbereich sowie in der Pufferzone des UNESCO-Welterbes zu verhindern und den Welterbe-Status nicht zu gefährden – doch Schwarz-Grün zeigt sich von all dem unbeeindruckt und hält weiterhin an ihren Plänen fest.
Keine Lösung für K+S in Sicht
Weil sich Umweltministerin Hinz nicht rechtzeitig um eine Übergangsregulierung für die Erlaubnis zur Abwasser-Versenkung für das Unternehmen kümmerte, hat sie einen vorübergehenden Produktionsstopp für K+S, einen der wichtigsten Arbeitgeber für die gesamte Region Osthessens, zu verantworten. Die Folge: Das Unternehmen musste 1.750 Beschäftigte in den Zwangsurlaub schicken – und das kurz vor Weihnachten. Erst auf unsere Aufforderung in der letzten Plenarsitzung hin, konnte eine Ausnahmegenehmigung erteilt und die Produktion wieder aufgenommen werden. Doch gegen diese Ausnahmegenehmigung klagt nun der BUND. Und auch eine langfristige Lösung scheint noch lange nicht in Sicht, denn auch die Option einer so genannten ‚Oberweser-Pipeline‘ handelt Schwarz-Grün aus wahlkampftaktischen Gründen vor der Kommunalwahl nur noch als Option. Aus diesem ließ Jürgen Lenders die Situation von K+S auch diesmal wieder auf die Tagesordnung des Plenums setzen: „Bisher war es stets Bestandteil der Festlegungen, dass man möglichst die Menge der zu versenkenden Abwässer reduzieren wolle. Nun aber den Eindruck zu erwecken, dass man noch prüfe und sehen wolle, ob man auf die Pipeline verzichten könne, ist alles andere als seriös. Es steht zu erwarten, dass man in Kürze dann letztlich doch feststellt, dass man die Pipeline dann schließlich bauen müsse, um die Ziele im Rahmen des Raumordnungsverfahrens zu erreichen.“
Um seine Wirtschaftskraft und die Arbeitsplätze in der Region zu erhalten, braucht das Unternehmen klare Rahmenbedingungen. Jürgen Lenders forderte die Ministerin auf, sich endlich um eine dauerhafte Lösung zu bemühen: „Die Ministerin verkennt dabei, dass es sich hier um eines der größten Unternehmen in der Region handelt, welches nicht in unerheblichem Maße Steuern zahlt und tausende Menschen in Hessen direkt oder indirekt für das Unternehmen arbeiten und ihren Lebensunterhalt entsprechend verdienen. Daher muss die Ministerin sofort damit beginnen, eine Mediation in der Region zu initiieren, an der Unternehmen, Anwohner, Mitarbeiter, Verbände und Politik beteiligt sein müssen, damit ein Ergebnis unter Beteiligung aller Interessensgruppen möglich wird.“
Gemeinsam gegen den Rechtspopulismus
Der Umgang mit rechtspopulistischen Kräften wie der AfD war Thema am Donnerstag. Erst wenige Tage zuvor hatten die Vorsitzende Petry und ihre Stellvertreterin mit ihrem Wunsch nach einem Schießbefehl gegen Flüchtlinge an der Grenze gehetzt. Die im Landtag vertretenen Parteien verurteilten die hetzerischen Parolen aufs Schärfste. In seiner Rede erinnerte Florian Rentsch nochmals an die gemeinsame Aufgabe, der Partei, die mittlerweile nichts mehr mit der einst rechtskonservativen Partei um Bernd Lucke zu tun hätte, den Nährboden durch mehr Transparenz zu nehmen: „Das was wir erleben ist, dass die AfD an vielen Stellen versucht mit Darstellungen von Sachverhalten, die Halbwahrheiten oder gar keine Wahrheiten beinhalten, Menschen zu verunsichern und ihnen dann suggerieren, sie hätte Antworten auf Probleme, die so nicht bestehen, aber auch auf Probleme, die bestehen. Diese Verschwörungstheorien werden letztendlich gespeist aus Intransparenz und wir sind gefordert als Demokraten, diesen Verschwörungstheorien den Boden zu nehmen!“ Aus diesem Grund forderte er auch, sich der Konfrontation mit dieser Partei in den bevorstehenden Wahlkämpfen nicht zu scheuen: „Wir sollten keine Chance auslassen, auch in Debatten mit der AfD, nicht nur über die AfD, diese inhaltlich zu stellen und das sollten wir auch angehen. Stattdessen müssen wir ehrliche Alternativen aufzeigen.“
Bildungsort Kita – Ausbau vor Kostenfreiheit
Chancengleichheit in der frühkindlichen Bildung zu schaffen – das ist das Ziel einer Initiative der SPD. Dafür will sie künftig eine kostenfreie Kindertagesbetreuung anbieten. Die Fraktion um Thorsten Schäfer-Gümbel möchte die Gebühren für Kitaplätze bis 2020 stufenweise abschaffen und brachte einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Landtag ein. René Rock begrüßte die Forderung der Sozialdemokraten, warnte aber gleichzeitig davor, den zweiten vor dem ersten Schritt zu tun: „Wir wissen heute, dass die Bildungsprozesse der frühen Kindheit den weiteren Bildungsweg unserer Kinder ganz entscheidend beeinflussen. Investitionen in eine qualitativ gute Frühförderung führen auf lange Sicht dazu, dass später weniger Mittel eingesetzt werden müssen, um Versäumtes zu reparieren. Insofern halten wir den Ansatz für richtig, Kitas ebenso wie Schule und Hochschule als Bildungsort anzusehen und in Zukunft ebenfalls kostenfrei zu stellen. Es bleibt jedoch noch viel zu tun, bevor der Kita-Bereich als Ort frühkindlicher Bildung bezeichnet werden kann. Zwar hat sich in den letzten Jahren viel getan – vom massiven Ausbau der Kinderbetreuungs-einrichtungen bis hin zur zusätzlichen Förderung von Einrichtungen, die nach dem Bildungs- und Erziehungsplan arbeiten. Hier gibt es aber auch weiterhin viel zu tun: So muss das Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen ausgeweitet und ein schlüssiges Förderkonzept für die Null- bis Sechsjährigen erarbeitet und etabliert werden.“ Wir sind deshalb der festen Überzeugung, dass zunächst in den quantitativen und qualitativen Ausbau der Kinderbetreuung investiert werden sollte und erst in einem zweiten Schritt, wenn das Ziel „Bildungsort Kita“ erreicht ist, kostenfreie Betreuungsplätze zur anzubieten.