Zweijähriges Bestehen der schwarz-grünen Koalition in Hessen

19.01.2016
  • Schwarz-Grün in Hessen keine Blaupause für Koalitionen auf Länder- und Bundesebene
  • Regierungshandeln von Union und Grünen bleibt Nachweis schuldig, Herausforderungen unserer Zeit tatsächlich gerecht zu werden
  • Überbetonung der Harmonie soll Fehlen eines wirklichen Plans für die kommenden drei Jahre kaschieren

WIESBADEN – Anlässlich des zweijährigen Bestehens der schwarz-grünen Koalition in Hessen zieht der Vorsitzende der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag, Florian RENTSCH, Bilanz: „Davon, dass Schwarz-Grün nach neuesten Aussagen angetreten ist, um die Welt zu verbessern, spürt man in Hessen bislang sehr wenig: Die Kluft zwischen dem Anspruch von Union und Grünen, die sich beinahe wöchentlich zum bundesweiten Vorreiter in einem bestimmten Politikbereich ausrufen, und der tatsächlichen Realität des politischen Handelns, das viel zu oft ambitionslos ausfällt und auf lauwarmen Kompromissen basiert, ist gewaltig. Auch wenn das politisch gewollte Bündnis sich selbst gerne als Blaupause für Koalitionen auf Länder- und Bundesebene sieht, ist es in den vergangenen zwei Jahren den Nachweis schuldig geblieben, dass schwarz-grünes Regierungshandeln mit Weitsicht, Mut und politischem Gespür den Herausforderungen unserer Zeit tatsächlich gerecht wird. Diese Feststellung gilt auch für die aktuelle Flüchtlingspolitik der Regierung Bouffier: Zwar ist davon auszugehen, dass der Aktionsplan der Landesregierung ein größeres Chaos in unserem Land vorerst abmildern wird, jedoch haben sich Union und Grüne nicht durch das Abstimmen struktureller Regelungen und Maßnahmen oder Initiativen auf Bundesebene als Krisenmanager profiliert, sondern schlicht sehr viel Geld in die Hand genommen, das Hessen glücklicherweise dank Rekordsteuereinnahmen zur Verfügung hat. Auf diese Weise lässt es sich vielleicht bewerkstelligen, eine Zeit lang der Flüchtlingskrise in Hessen hinterherzuregieren – für mehr reicht es jedoch nicht.“

Weiter erklärte Rentsch:

„Die dauerhafte ungefragte Überbetonung der Harmonie sowie die blumige Ausschmückung alltäglicher politischer Arbeitsprozesse ist ein Indiz dafür, wie fragil das schwarz-grüne Selbstverständnis selbst nach zwei Jahren offenbar noch ist. Es ist zudem sehr bedenklich, dass CDU und Grüne in den Interviews und bei den Pressestatements anlässlich des zweijährigen Bestehens der Koalition bis auf die bekannten Stehsätze und die ohnehin beschlossenen Maßnahmen keinen wirklichen Plan für die kommenden drei Jahre präsentieren konnten. Eine Politik, die Wirtschaftswachstum mehr als Bedrohung statt als Chance versteht, die unsere Grundschulen und Gymnasien zum Steinbruch ihrer Umverteilungsphantasien macht und den Ausbau der Infrastruktur verhindert statt fördert, wird dem immensen Potential unseres Bundeslandes nicht gerecht.

Daher fordern die Freien Demokraten für die kommenden drei Jahre klare Richtungsentscheidungen, um das Land auf Kurs zu halten:

  • Verkehr: Al-Wazir hat in den vergangenen zwei Jahren den ideologischen Kampf gegen den Ausbau der hessischen Infrastruktur und das Auto als Verkehrsmittel, den er in der Opposition begonnen hat, auch in seiner Funktion als Minister unbeirrt fortgesetzt. Einem größeren Engagement um Hessens Straßen steht schlicht der fehlende politische Wille von CDU und Grünen im Weg: So werden gerade mal 640 Kilometer der hessischen Landesstraßen von Schwarz-Grün bis 2022 saniert, obwohl nach ihren eigenen Angaben bereits jetzt 3.300 Kilometer in einem sehr schlechten oder schlechten Zustand sind. Die Summe von durchschnittlich 55 Millionen Euro pro Jahr, die die Landesregierung bis 2022 in die Landesstraßen investieren möchte, reicht nicht annähernd aus, um wenigstens den aktuellen Zustand zu erhalten. Wir werden Union und Grüne aber nicht aus der Verantwortung lassen und uns weiter für stärkere Investitionen in die Landesstraßen unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten einsetzen.
  • Bildung: In weniger als zwei Jahren ist es Schwarz-Grün gelungen, den Schulfrieden in Hessen aufzukündigen. Neben dem krachend gescheiterten Bildungsgipfel tragen daran vor allem die Verschlechterungen bei der Lehrerzuweisung für die hessischen Grundschulen und Gymnasien die Hauptschuld. Wir setzen diesem ideologischen Gegeneinander-Ausspielen unterschiedlicher Schulformen ein klares Plädoyer für die hessischen Gymnasien entgegen, die nicht zum Steinbruch der Bildungspolitik werden dürfen. Entsprechend werden wir auch in den kommenden Jahren gegen eine weitere Schlechterstellung kämpfen und uns im Sinne einer positiven Weiterentwicklung der Bildungspolitik in unserem Land für die Prinzipien der Schulvielfalt und Schulwahlfreiheit stark machen.
  • Wirtschaft: Die Landesregierung muss die Mahnung der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände, mehr Initiative für Hessens Wirtschaft zu zeigen und keine neuen Belastungen auf den Weg zu bringen, ernst nehmen. CDU und Grüne haben insbesondere in der selbst forcierten Debatte um die Zukunft des Frankfurter Flughafens einen bemerkenswerten Mentalitätswandel in der hessischen Wirtschaftspolitik vollzogen, als man massiv auf das Unternehmen einwirkte und ihm einen Kurs vorschreiben wollte. Für uns hingegen steht fest, dass es die Aufgabe der Politik ist, dafür Sorge zu tragen, dass Unternehmen in Hessen die bestmöglichen Rahmenbedingungen vorfinden – und sich ansonsten aus unternehmerischen  Entscheidungen herauszuhalten. Das Ziel muss folglich eine gezielte Förderung und Stärkung der hessischen Wirtschaft sein, damit der Standort Hessen im bundesweiten und internationalen Vergleich weiterhin attraktiv bleibt.
  • Energie: Durch den maßlosen Ausbau der Erneuerbaren Energien hat die schwarz-grüne Koalition das Land Hessen direkt in eine energiepolitische Sackgasse geführt: Die Belastungen für Unternehmen und Bürger steigen stetig, weshalb die ersten hessischen Unternehmen bereits ins Ausland abwandern. Zugleich schwindet innerhalb der hessischen Bevölkerung die Akzeptanz für den von schwarz-grün beschlossenen zügellosen Zubau von Windkraftanlagen und die Stromtrasse SuedLink immer weiter. An einer marktwirtschaftlichen Reform des unwirtschaftlichen Erneuerbaren-Energien-Gesetzes führt aktuell kein Weg vorbei, um die Bezahlbarkeit von Strom für Bürger und Mittelstand sicherzustellen. Für die Zeit bis ein funktionierendes energiepolitisches Gesamtkonzept erarbeitet und in Kraft gesetzt wurde, fordern wir ein Ausbaumoratorium für neue Windkraftanlagen.
  • Finanzen: Wir erwarten von der Landesregierung, dass sie angesichts der enormen Herausforderungen der Flüchtlingskrise gerade jetzt in Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen den Haushalt fit für die Zukunft macht. Stattdessen herrscht jedoch derzeit ein absoluter Reformstopp. Doch die derzeitige konjunkturelle Lage wird nicht ewig anhalten und daher ist es dringend geboten, Vorsorge für die Zukunft zu schaffen. Dies geht nur mit einem ordentlichen Konzept statt schwarz-grüner Konzeptlosigkeit. Die Freien Demokraten setzen im Gegensatz zur schwarz-grünen Koalition auf strukturelle Einsparungen und werden in den kommenden Jahren in einem „Aktionsplan Staatsmodernisierung“ konsequent entsprechende Einsparpotentiale identifizieren. Für uns bleibt die Schuldenbremse und der vereinbarte Abbaupfad hin zu einer Nullverschuldung auch vor dem Hintergrund der Herausforderungen der Flüchtlingskrise nicht verhandelbar.
  • Innen: Die Art und Weise sowie das Ausmaß der sexuellen Übergriffe, bei denen am Silvesterabend gezielt von Männergruppen Jagd auf junge Frauen gemacht wurde, stellt eine neues erschütterndes Phänomen in unserem Land dar. Dass die Täter mit aller Härte verfolgt, ermittelt und ohne Rücksicht auf ihre Herkunft oder ihren Status für ihre abscheulichen Taten bestraft werden müssen, ist selbstverständlich. Die Tatsache, dass sich die sexuellen Übergriffe am Silvesterabend nicht bloß in Köln, sondern – zwar in einer anderen Dimension, aber nach ähnlichem Muster – auch in Frankfurt und anderen deutschen Großstädten ereignet haben, mahnt uns, aktuell sehr wachsam zu sein, dass sich Gewalttaten gegen Frauen nicht ausbreiten. Es ist daher notwendig, dass künftig insbesondere bei Großereignissen wie beispielsweise Karneval, Konzerten und Partys im Rahmen des Hessentags sowie dem Mainuferfest in Frankfurt gezielt Maßnahmen zur Verhinderung derartiger Gewalttaten ergriffen werden und die Präsenz vor Ort dementsprechend an der potentiellen Gefährdungslage ausgerichtet wird. Nach Köln sind wir gewarnt: Wir dürfen in Hessen daher nicht die gleichen Fehler begehen und die Situation unterschätzen.