Schlechtes Zeugnis für Schwarz-Grün
Die letzte Plenarwoche im Hessischen Landtag vor der Sommerpause war nicht nur geprägt von teils hitzigen Diskussionen, sie offenbarte auch wieder einmal Schwachstellen der Landesregierung und der der sie tragenden Fraktionen von CDU und Grünen: Schwarz-Grün arbeitet offenbar ein ums andere Mal an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger vorbei und hat kurz vor Beginn der hessischen Sommerferien nur ein schlechtes Zeugnis verdient. Sei es Energieminister Tarek Al-Wazir, der in seiner Regierungserklärung kaum ernsthaft auf die Sorgen der Menschen vor steigenden Energiepreisen und ausbleibenden Gaslieferungen einging, oder Angela Dorn, die als Ministerin einfach weggeschaut hat, obwohl es frühzeitig Hinweise auf Antisemitismus bei der documenta gab. Ebenso wenig hat die Landesregierung ihre Hausaufgaben in Bezug auf die Grundsteuerreform gemacht. Anstatt den Grundstückseigentümerinnen und -eigentümern bereits vorhandene Daten zur Verfügung zu stellen, macht sie die Menschen zu Gehilfen der Finanzverwaltung und fordert von ihnen eine bürokratisch aufwändige Grundsteuererklärung. Zu guter Letzt hat die Landesregierung auch noch die Einführung eines Kita-Landeselternbeirats auf die lange Bank geschoben.
Staat muss Versorgungskrise verhindern
Wäre die kurz vor den hessischen Sommerferien gehaltene Regierungserklärung von Hessens Wirtschafts- und Energieminister Tarek Al-Wazir eine Schularbeit gewesen, dann hätte wohl drunter gestanden: Thema verfehlt! Denn während die Sorgenfalten bei den Menschen im Land angesichts stark steigender Energiepreise und Angst vor ausbleibenden Gaslieferungen immer tiefer werden, hat Al-Wazir über weite Teile seiner Rede lediglich über die Klimakrise und den Weg zur Treibhausgas-Neutralität gesprochen. Entsprechend enttäuscht zeigte sich René Rock, Fraktionsvorsitzender und energiepolitischer Sprecher der Freien Demokraten im Hessischen Landtag, in seiner Rede in der an die Regierungserklärung anschließenden Debatte: „Der Minister hat an den Problemen der Bürgerinnen und Bürger vorbeigeredet und diese völlig aus den Augen verloren“, stellte Rock fest. Die Preis- und Versorgungskrise müsse Thema der Debatte im Landtag sein – und nicht die Ankündigung des Ministers, dass im Gasmangel oder Notstand auch eine Chance liegen könne. Schließlich fürchteten die Menschen eine existenzielle Versorgungskrise, der der Staat entgegenwirken müsse. Dementsprechend forderte Rock den Minister auf, sich kooperativer zu zeigen und mit Blick auf die Sicherstellung der Energieversorgung voranzugehen. „Hessen braucht einen Krisenstab, dem unter anderem Energieversorger und Kommunen angehören und der die Aufrechterhaltung der Infrastruktur koordiniert. Außerdem muss ein Gaspakt geschlossen werden, der aufzeigt, wer im Falle eines Falles am Netz bleibt und wer nicht“, verdeutlichte Rock und forderte in diesem Zusammenhang auch das Ablegen ideologischer Scheuklapppen. „Jetzt müssen alle Alternativen auf den Tisch. Dazu gehört auch, die stillgelegten Atomkraftwerke in Reserve zu halten“, sagte der Fraktionsvorsitzende.
Während die Landesregierung wesentliche Antworten auf die drängenden Fragen dieser Tage schuldig geblieben ist, haben die Freien Demokraten mit einem Dringlichen Antrag den Ernst der Lage deutlich gemacht und die Regierung aufgefordert, die Gasversorgung in Hessen sicherzustellen sowie rechtzeitige Vorkehrungen zu treffen.
- Rede von René Rock im Video (externer Link)
- Dringlicher Antrag Fraktion der Freien Demokraten Gasversorgung in Hessen sichern. Vorbereitungen rechtzeitig treffen – Drucksache 20/8827
Ein Weg von Pleiten, Pech und Pannen
Nicht nur in der Energiepolitik, auch bei der Umsetzung der Grundsteuerreform hat die Landesregierung enttäuscht. Zum wiederholten Mal machten die Freien Demokraten, die selbst einen Entwurf für ein Hessisches Grundsteuergesetz vorgelegt hatten, die Grundsteuer zum Gegenstand einer Plenardebatte. In der von der FDP gesetzten Aktuellen Stunde kritisierte Marion Schardt-Sauer, haushaltspolitische Sprecherin der Fraktion, die Landesregierung scharf für deren Umsetzung der Grundsteuerreform: „Schwarz-Grün hat es geschafft, die Rolle von Staat und Bürger umzudrehen und den Bürger zum Dienstleister des Staates und zu Gehilfen der Finanzverwaltung zu machen“, stellte sie mit Blick auf die nun von Grundstückseigentümerinnen und -eigentümern auszufüllenden Grundsteuererklärungen fest. Schließlich haben die betroffenen Bürgerinnen und Bürger häufig mit einem Bürokratieproblem zu kämpfen. Schardt-Sauer verwies auf rund 2, 8 Millionen Akten, die es zu den Grundstücken in Hessen gibt. „In den Bewertungsstellen ist alles Relevante dazu zusammengetragen. Doch leider sind diese Daten nicht digitalisiert – ein trauriger Standard in Hessen.“ So müssten die Betroffenen nun alle Daten noch mal zusammenstellen, nachdem ihnen vier nichtssagende Papierseiten zugeschickt worden seien. „Das ist keine nachhaltige Vorgehensweise.“
Anders als in Rheinland-Pfalz gibt es in Hessen bislang keine Ausfüllhilfe für die Grundsteuererklärung. „Wir Freie Demokraten hatten in unserem Gesetzentwurf zur Grundsteuerreform explizit eine von der Oberfinanzdirektion zu erstellende Ausfüllhilfe vorgesehen. Das wäre eine Dienstleistung für die Bürgerinnen und Bürger gewesen. Schwarz-Grün hat sich aber für eine andere Variante und damit für einen Weg von Pleiten, Pech und Pannen entschieden“, erinnerte Schardt-Sauer, auch in Bezug darauf, dass nach einer Datenpanne Schreiben teils an falsche Personen geschickt wurden. Ihre Forderung nach Digitalisierung von Daten und einer Ausfüllhilfe haben die Freien Demokraten nun in einem Antrag erneuert. „Die versäumte Digitalisierung muss schnellstmöglich nachgeholt werden“, erklärte Schardt-Sauer. Sie resümierte: „Es war seit Jahren bekannt, dass eine Grundsteuerreform kommt. Es wäre genug Zeit gewesen, sich vorzubereiten, den Bestand zu verifizieren und zu digitalisieren. So würde ein moderner, leistungsfähiger Staat handeln. Die Umsetzung der Grundsteuerreform in Hessen ist leider kein Beispiel für einen modernen Staat.“
- Rede von Marion Schardt-Sauer im Video (externer Link)
- Dringlicher Antrag Fraktion der Freien Demokraten Staat muss als Dienstleister der Bürgerinnen und Bürger auftreten – Fehler der Grundsteuerreform aufarbeiten – Drucksache 20/8829
Antisemitismus auf der documenta: Ein Skandal mit Ansage
Die documenta 15 in Kassel ist von einem Eklat überschattet, der nach Überzeugung der Freien Demokraten ein Skandal mit Ansage ist. Dort ist Kunst mit antisemitischem Inhalt ausgestellt worden, obwohl es bereits seit Januar zahlreiche Hinweise gegeben hatte und nicht nur die Freien Demokraten mehrfach auf das Problem hingewiesen hatten. Die FDP-Fraktion hatte diese Vorwürfe in einer Sondersitzung des Fachausschusses des Landtags thematisiert, von der zuständigen Ministerin aber keine konkreten Antworten bekommen. „Angela Dorn hat einfach weggeschaut, obwohl es viele Hinweise auf Antisemitismus bei der documenta gab. Hätte sie die Vorwürfe ernster genommen, hätte man schon damals das Ausmaß israelfeindlicher Positionen erkennen können“, erklärte Dr. Stefan Naas, kulturpolitischer Sprecher der Freien Demokraten im Hessischen Landtag, jetzt in der Landtagsdebatte. Die Freien Demokraten hatten den Eklat bei der für Kassel, Hessen und Deutschland so wichtigen Kunstschau zum ihrem Setzpunkt, also zum Schwerpunktthema, der jüngsten Plenarrunde gemacht:. Naas erklärte: „Die documenta 15 ist die organisierte Verantwortungslosigkeit. Keiner ist verantwortlich. Das ist das Konzept. Wenn eine Veranstaltung mit einem Etat von über 40 Millionen Euro größtenteils öffentlicher Mittel funktionieren soll, muss aber klar sein, wer für was letztlich die Verantwortung trägt.“ Ebenso stellte er fest: „Die documenta hat durch den Antisemitismus-Skandal schweren Schaden genommen. Dafür trägt die zuständige Ministerin Angela Dorn Mitverantwortung.“
Dass auf der documenta öffentlich Antisemitismus ausgestellt wurde, sei beschämend und schockierend. „Das hätte nicht passieren dürfen, aber es ist passiert“, sagte Naas und richtete sich direkt an die Ministerin für Wissenschaft und Kunst. Wenn Angela Dorn es nicht schaffe, Ordnung in die documenta zu bekommen, werde es auch für die Ministerin langsam eng, prophezeite er. Er forderte nicht nur eine Aufarbeitung der Vorfälle, sondern bekräftigte auch seine Forderung nach einer Abberufung der documenta-Generaldirektorin Sabine Schormann. „Die Generaldirektorin ist für den katastrophalen Umgang mit dem Eklat verantwortlich. Sie hat schlichtweg versagt. Sie kann ihn nicht aufarbeiten“, machte Naas klar, nachdem es tatsächlich einen entsprechenden Vorschlag gegeben hatte. Zwei Tage nach der Plenardebatte kam dann nach einer Sitzung des documenta-Aufsichtsrats die Nachricht, dass der Vertrag mit Sabine Schormann kurzfristig aufgelöst werde. Ein Schritt, den Stefan Naas als „überfällig“ bezeichnete.
Mit Blick auf die Zukunft erklärte Naas: „Es wird Zeit für das Land, endlich eine neue Struktur für die documenta zu finden. Es kann nicht sein, dass Millionen an Landesgeld in eine Ausstellung fließen, ohne dass Verantwortlichkeiten klar geregelt sind und das Land zusammen mit dem Bund mehr Einfluss bekommt.“
Freie Demokraten machen Tempo für Kita-Landeselternbeirat
Einen langen Atem erfordert in Hessen die Einführung eines Landeselternbeirats für Kindertagesstätten: Seit langem setzen sich die Freien Demokraten für ein solches Gremium ein. „Die Schaffung eines Landeselternbeirats für Kindertagesstätten stärkt nicht zuletzt die Bedeutung und Anerkennung frühkindlicher Bildung“, ist René Rock überzeugt. In der jüngsten Plenarrunde des Landtags hat seine Fraktion einen erneuten Vorstoß unternommen, um den Druck auf Schwarz-Grün zu erhöhen und Tempo für die Einführung eines Kita-Landeselternbeirats zu machen. Die Freien Demokraten haben einen Dringlichen Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht, der in erster Lesung beraten wurde: „Es ist wichtig, dass jetzt etwas passiert, damit ein Landeselternbeirat schnellstmöglich gewählt werden kann und die Eltern von Kita-Kindern eine starke Stimme auf Landesebene haben“, erklärte der Fraktionsvorsitzende und Sprecher für frühkindliche Bildung. Der Grund für den Dringlichen Gesetzentwurf: Ihm sei „der Geduldsfaden gerissen“, wie Rock freimütig bekannte. Denn obwohl die Koalition im Februar dieses Jahres gegenüber der FAZ angekündigt hatte, noch vor der Sommerpause einen Gesetzentwurf vorlegen zu wollen, war das nicht passiert. Dementsprechend legte die FDP selbst etwas vor.
„Hessen ist eines von nur zwei Bundesländern, die noch keinen Kita-Landeselternbeirat haben“, erinnerte Rock. „Wie die Eltern von Schülerinnen und Schülern brauchen auch die Mütter und Väter von Kita-Kindern eine demokratisch legitimierte Vertretung auf Landesebene. Wer eine Stimme hat, kann auch teilhaben, wenn es um die Verteilung von Mitteln geht“, stellte Rock fest. Ebenso hätten die Entscheidungen über Kita-Schließungen in der Corona-Krise gezeigt, wie wichtig eine Beteiligung der Eltern sei. Die Freien Demokraten sind überzeugt: Die Familien in Hessen wären vermutlich besser durch die Corona-Krise gekommen, wenn sich die Eltern von Kita-Kindern auf breiter Basis an den Entscheidungen hätten beteiligen können. Zu oft herrschte das Gefühl vor, dass über die Köpfe derer hinweg entschieden wird, die die Lasten zu tragen haben.
Rock erinnerte in seiner Plenarrede daran, dass die Freien Demokraten bereits zwei Gesetzentwürfe für die Einrichtung eines Kita-Landeselternbeirats vorgelegt hatten, zuletzt gemeinsam mit der SPD. „Immer hat es seitens der Koalition geheißen, es sei zu früh“, sagte Rock. Ebenso haben die Freien Demokraten Schwarz-Grün nach deren Ankündigung im Februar eine Zusammenarbeit angeboten, bislang aber keinen Vorschlag der Koalitionsfraktionen zu sehen bekommen. Gleichwohl erneuerte Rock im Parlament sein Angebot an die Fraktionen der demokratischen Mitte, einen Kita-Landeselternbeirat gemeinsam auf den Weg zu bringen.