Abweichender Bericht der FDP zum UNA 19/1

22.06.2016
  • Abschlussbericht von CDU und Grünen mit zentralen Ergebnissen der Ausschussarbeit nicht vereinbar
  • Ministerin Puttrich trägt persönliche Verantwortung für entscheidende Fehler in der Stilllegungsverfügung

Da aus Sicht der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag der von Berichterstatter Frank-Peter Kaufmann (Bündnis 90/Die Grünen) vorgelegte Bericht in wesentlichen Punkten die Erkenntnisse, die der Ausschuss in seinen über zwei Jahren intensiver Arbeit gewonnen hat, unzutreffend darstellt, haben die Freien Demokraten einen eigenen abweichenden Bericht vorgelegt (siehe Anlage). Hierzu erklärte der Obmann der Freien Demokraten im Untersuchungsausschuss, René ROCK: „Für uns ist es nicht hinnehmbar, dass Aussagen und Geschehnisse bewusst von der schwarz-grünen Mehrheit in den falschen Kontext gesetzt und in nicht vertretbarer Art und Weise einseitig interpretiert werden. Statt die eigentliche Aufgabe eines Untersuchungsausschusses zu leisten, nämlich objektive Aufklärung der Sachzusammenhänge zu betreiben, verfolgen Union und Grüne mit dem Bericht ein sehr durchschaubares Ziel:  So soll die seinerzeit im Zuge der Umsetzung des Moratoriums falsch getroffenen politischen Entscheidungen im Nachhinein schöngeredet und vor allem die Verantwortung für zweifelsfrei festgestellte Fehler alleine dem Bund zugeschoben werden. Aus diesen Gründen hielt es die FDP-Fraktion für zwingend erforderlich, einen eigenen abweichenden Bericht vorzulegen, der die wesentlichen Erkenntnisse des Ausschusses aufarbeitet und die fehlerhaften Schlüsse des Abschlussberichts korrigiert.“

Rock nennt als zentrale Erkenntnisse des FDP-Berichts zum UNA 19/1:

  1. Umweltministerin Lucia Puttrich hat persönlich und entgegen der fachlichen Einschätzungen aus dem eigenen Ministerium sowie dem Justizministerium entschieden, auf eine Anhörung von RWE zu verzichten. Sie hat die Fachabteilung von der inhaltlichen Bearbeitung des Bescheides entbunden und in der Folge nur noch als „qualifiziertes Schreibbüro“ genutzt. Die Dokumentation warnender Stellungnahmen wurde aktiv vermieden oder in einem Fall ein Vermerk gar in den Papierkorb befördert. Die letztlich fehlerhafte Stilllegungsverfügung wurde in alleiniger Verantwortung der Staatsministerin Puttrich in ihrem Ministerbüro erstellt.
  2. Alleine der Umstand, dass auf eine Anhörung der RWE Power AG verzichtet wurde, hat schon für sich genommen und unabhängig von der Frage der materiellen Ausgestaltung des Bescheids zur Rechtswidrigkeit dessen geführt. Deshalb macht die RWE Power AG nunmehr vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit Schadenersatzansprüche von insgesamt 235 Millionen Euro gegen das Land Hessen geltend – auch wenn noch höchst fraglich ist, ob RWE tatsächlich ein Schadenersatz zusteht und wie hoch dieser gegebenenfalls ausfallen wird.
  3. Die Verantwortung für die Grundentscheidung, ein Moratorium durchzuführen, sowie die inhaltliche Ausgestaltung der Stilllegungsverfügung werden unzutreffender Weise vollumfänglich und ausschließlich dem Bund zugeschrieben – dabei haben die wesentlichen Entscheidungen stets unter Beteiligung der Vertreter der hessischen Landesregierung stattgefunden. Es gibt zwar Anzeichen, dass der Bund das Verfahren weitestgehend gestaltet hat – jedoch nicht dafür, dass es eine Weisung an das Land oder die Übernahme der Sachkompetenz durch den Bund gab.
  4. Der Ausschuss konnte nicht klären, ob es eine Zusage seitens des Bundes zur Übernahme des Haftungsrisikos gegeben hat; jedenfalls hat es keine förmliche und ordnungsgemäß dokumentierte Vereinbarung, Erklärung oder Zusage einer Haftungsübernahme gegeben, die Rechtsicherheit für das Land Hessen herzustellen vermag. Damit ist es dem Ausschuss nicht gelungen, die widersprüchlichen Aussagen von Ministerpräsident Bouffier („Bund hat zugesagt, die Länder nicht im Regen stehen zu lassen“) und Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel („Über mögliche Schadenersatzansprüche ist nicht gesprochen worden“) aufzuklären.

Ohne jeden Zweifel war der Brief des Ministerpräsidenten an den damaligen RWE-Vorstandsvorsitzenden, in welchem er diesem indirekt nahe gelegt hat, auf ein Wiederanfahren von Biblis zu verzichten, kein rechtsförmlicher Bescheid, auf den sich RWE nunmehr berufen könnte; allerdings hat er – auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs – hierdurch zumindest Argumente für den Schadenersatzprozess geliefert, dadurch mittelbar Haftungsrisiken für das Land Hessen gesetzt und steht damit hierfür auch in der politischen Verantwortung.

Rock erklärte zusammenfassend:

„Für uns steht fest, dass das seinerzeit von einem breiten politischen Konsens getragene so genannte Moratorium in Hessen handwerklich äußerst mangelhaft umgesetzt worden ist. Diese fehlerhafte Umsetzung liegt im Wesentlichen im Verantwortungsbereich der damaligen Hausspitze des Umweltministeriums. Die Frage, ob RWE deswegen letztlich einen Schadenersatz hat, in welcher Höhe dieser ausfällt und ob das Land Hessen, der Bund oder womöglich beide haften müssen, war nicht Gegenstand des Untersuchungsausschusses, sondern wird durch die zuständigen Gerichte entschieden werden. Durch ihr Verhalten haben das Umweltministerium und der Ministerpräsident jedoch nicht dazu beigetragen, dass frühzeitig klare Verhältnisse geschaffen sowie bestehende und bekannte Risiken wenigstens minimiert wurden.“