Wo angepackt werden muss

12.12.2022

Nein, von vorweihnachtlicher Harmonie und Besinnlichkeit konnte in der letzten Sitzungsrunde des Landtags im Jahr 2022 keine Rede sein. Schließlich stand die Generaldebatte zum Doppelhaushalt 2023/24 auf der Tagesordnung. Traditionell wird die Generaldebatte zur politischen Grundsatzdiskussion und zur Abrechnung mit dem politischen Mitbewerber genutzt. Entsprechend großen Raum haben die Haushaltsberatungen in dieser jüngsten Plenarwoche eingenommen. Darüber hinaus wurden weitere wegweisende Themen diskutiert, bei denen ein Anpacken dringend erforderlich ist und auf deren Bedeutung die Freien Demokraten seit langem hinweisen: die Notwendigkeit eines flächendeckenden Informatikunterrichts, die Einrichtung eines Landeselternbeirats für Mütter und Väter von Kita-Kindern sowie die Ergreifung von Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel, der längst schon zum Arbeitskräftemangel geworden ist. Für die Fraktion der Freien Demokraten endete die Sitzungsrunde mit einem Abschied: Zum letzten Mal saß der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und innenpolitische Sprecher Stefan Müller in den Reihen der Abgeordneten. 

Die Zeit von Schwarz-Grün in Hessen ist abgelaufen

Der Haushalt ist das Königsrecht des Parlaments: So nehmen die Etatberatungen stets eine besondere Rolle in den Plenardebatten ein. Das galt in diesem Jahr umso mehr, weil der Doppelhaushalt 2023/24 der letzte in der 20. Legislaturperiode des Landtags zu verabschiedende Etat ist. Egal ob in der Generaldebatte der Fraktionsvorsitzenden am ersten Plenartag oder in der von den Fachsprecherinnen und Fachsprechern geführten Einzelplandebatte am darauffolgenden Tag, die Freien Demokraten arbeiteten die vielen Schwachstellen des Haushaltsentwurfs der Landesregierung deutlich heraus und machten klar, dass Schwarz-Grün weder einen klaren Kurs noch die Ausgaben im Blick hat, dafür aber Ministerien aufbläht. Es werde Zeit, Hessen mit Fortschritt und Innovationen wieder in die Spur zu bringen und Schwarz-Grün zu beenden, denn die amtierende Landesregierung habe keine Antworten auf die drängenden Fragen der Zeit, sagte FDP-Fraktionschef René Rock in der sogenannten Elefantenrunde der Fraktionsvorsitzenden. „Hessen braucht eine Regierung, die für eine funktionierende Landesverwaltung sorgt. Schwarz-Grün jedoch lässtStraftäter aus der Untersuchungshaft raus, schlampt bei Lebensmittelkontrollen, hat ein Kultusministerium, das den Unterrichtsausfall nicht kennt und verschleppt die Einführung der E-Akte in der Justiz“, stellte Rock fest. Schwarz-Grün steigere die Ausgaben, senke aber die Investitionen, obwohl von Kitas über Breitbandausbau und Infrastruktur bis zum Klimaschutz dringender Handlungsbedarf bestehe. „Die Zeit des Stillstands in Hessen muss beendet werden. So kann und darf kein Land geführt werden“, betonte Rock.

Der Fraktionsvorsitzende formulierte den Anspruch der Freien Demokraten, Hessen modern zu gestalten und wieder an die Spitze der deutschen Länder zu bringen. Die Freien Demokraten haben daher Infrastruktur und Wirtschaft, Digitalisierung, Bildung sowie einen modernen und leistungsfähigen Staat als Schwerpunkte für ihre Haushaltsanträge definiert. „Wir wollen Geld bereitstellen für ein Wasserstoffprogramm und die Sicherung der Energieversorgung, und wir wollen zusätzliche Investitionen in den Bau von Landesstraßen und Radwegen. Wir wollen die Digitalisierung in der Verwaltung, Informatikunterricht und den Einsatz Künstlicher Intelligenz an Schulen vorantreiben, die Erzieherausbildung vergüten und die hessische Polizei stärken“, erklärte Rock. „Das alles sind Schritte, um Hessen nach vorne zu bringen. Wir Freie Demokraten wollen Hessen in die Zukunft führen. Die Zeit von Schwarz-Grün ist abgelaufen.“ 

Schulen brauchen flächendeckenden Informatik-Unterricht statt Fake-Fach

In dritter und damit finaler Lesung wurde in der Dezember-Plenarrunde über das novellierte hessische Schulgesetz beraten. Nach Ansicht der Freien Demokraten hat die Landesregierung mit der von ihr vorgelegten Novellierung Chancen vertan und Wichtiges, vor allem einen flächendeckenden verpflichtenden Informatik-Unterricht, nicht aufgenommen. „Das von der Landesregierung nur an wenigen Schulen versuchsweise eingeführte Fach Digitale Welt ist lediglich ein Fake-Fach, das viel zu kurz greift. Es braucht ein Pflichtfach Informatik, das in den Klassen fünf und sechs beginnt und dann weiter ausgerollt wird. Die Kerncurricula dafür liegen seit Jahren in der Schublade“, erklärte Moritz Promny, bildungspolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion und warb – vergeblich – um Zustimmung zu einem Dringlichen Antrag der Freien Demokraten, Informatik zum Pflichtfach zu machen. Er erinnerte in seiner Rede daran, dass Informatik in einigen anderen Bundesländern bereits als Pflichtfach eingeführt wurde und auch die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz die Einführung empfiehlt. Zwar sei die Frage der Lehrkräfte die Achillesferse bei der Einführung des Informatikunterrichts, die Landesregierung habe aber die Instrumente, um das Problem zu lösen. „Der Kultusminister kann die Aus- und Weiterbildungskapazitäten erhöhen, attraktive Fortbildungsmöglichkeiten schaffen, und er kann ein Konzept sogenannter fliegender Informatiklehrkräfte erstellen, die durch hybride und digitale Modelle an mehreren Schulen eingesetzt werden können“, erklärte Promny. „Es gibt keinen hinreichenden Grund, Informatik nicht flächendeckend und verpflichtend einzuführen. Es wird Zeit, dass der Kultusminister sein Zaudern aufgibt.“

Kita-Landeselternbeirat: Bislang nur Etappenziel erreicht

Nach jahrelanger politischer Diskussion bekommt Hessen endlich einen Kita-Landeselternbeirat. Wäre es nach den Freien Demokraten gegangen, könnte ein solches Gremium schon lange gewählt und aktiv sein, doch erst in der jüngsten Sitzungsrunde des Landtags wurde die finale Entscheidung zur Einrichtung eines solchen Beirats gefällt. „Nach vielen Jahren wird endlich eine Entscheidung im Sinne der Eltern getroffen. Wir Freie Demokraten haben seit langem immer wieder darauf hingewiesen, wie wichtig ein solches Gremium ist, denn auch die Mütter und Väter von Kita-Kindern müssen eine demokratisch legitimierte Vertretung auf Landesebene bekommen. Wir haben mehrere Gesetzentwürfe dazu vorgelegt, teilweise gemeinsam mit der SPD. Doch Schwarz-Grün musste erst zum Jagen getragen werden – und hat schließlich einen Gesetzentwurf vorgelegt, der zu kurz springt“, erläuterte René Rock, Fraktionsvorsitzender und Sprecher für frühkindliche Bildung der Freien Demokraten im Hessischen Landtag, in der Plenardebatte. Mit dem Beschluss werde ein Schritt in die richtige Richtung gemacht, aber das Ziel sei noch nicht erreicht. Aus diesem Grund hatten die Freien Demokraten mit Änderungsanträgen Nachbesserungen gefordert: „Wir sind überzeugt, dass Elternvertretungen auch auf kommunaler Ebene sichergestellt werden müssen. Eine Kann-Regelung, wie sie Schwarz-Grün eingebracht hat, reicht hier nicht aus, denn es steht zu befürchten, dass sich nur wenig ändert und Eltern diese Interessenvertretung vorenthalten wird“, erklärte Rock. Darüber hinaus soll die neue Landeselternvertretung mit Unterstützung des zuständigen Ministeriums jährlich einen Bericht über die Erfüllung des Rechtsanspruchs auf Betreuung erarbeiten. „Es ist wichtig, hier einen Überblick zu bekommen und zu sehen, wo noch Nachholbedarf besteht.“

Freie Demokraten schlagen Maßnahmen gegen den Arbeitskräftemangel vor

Das Lieblingsrestaurant hat die Öffnungszeiten eingeschränkt, der Handwerksbetrieb ist auf Monate ausgebucht, von der angespannten Personalsituation in Kitas und in der Pflege ganz zu schweigen: Vor diesem Hintergrund hat Dr. Stefan Naas, wirtschaftspolitischer Sprecher der Freien Demokraten im Hessischen Landtag, im Plenum des Landtags vor einer Bedrohung des Wohlstands infolge des Fach- und Arbeitskräftemangels gewarnt und die Landesregierung zum Gegensteuern aufgefordert: „Arbeitskräfte fehlen an allen Ecken und Enden: Es ist kein reiner Fachkräftemangel mehr – es gibt einen katastrophalen Arbeitskräftemangel in nahezu allen Bereichen, dessen Auswirkungen jeder im Alltag zu spüren bekommt“, sagte Naas und verwies auf eine Berechnung der Boston Consulting Group, wonach für jede fehlende Arbeitskraft 86.000 Euro Wirtschaftsleistung pro Jahr verloren gehen. Die Freien Demokraten hatten Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel daher zu ihrem Setzpunkt, das heißt zum Schwerpunkt, der jüngsten Sitzungswoche gemacht.

„Es ist richtig, dass die Ampel-Koalition auf Bundesebene jetzt nach jahrelanger Blockade der Union ein modernes Einwanderungsrecht schafft. Darüber hinaus sind in Hessen politische Weichenstellungen erforderlich, um dem Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken“, erklärte Naas und forderte eine Zentrale Ausländerbehörde für Hessen in Verantwortung des Landes, die sich professionell und digital mit den Fragen des Ausländerrechts beschäftigt. „Die Ausländerbehörden in den Kommunen kollabieren förmlich unter der Masse an Arbeit. Das führt dazu, dass zum Beispiel der Aufenthaltstitel einer wechselwilligen Fachkraft nicht rechtzeitig angepasst wird und die Person ausreisen muss. Das sind eklatante Missstände, die Hessen unattraktiv für Kräfte aus dem Ausland machen.“ Sorgen bereitet den Freien Demokraten zudem die Situation der Berufsschulen: „Wenn Standorte in der Fläche verloren gehen, dann wird es für den Handwerker immer schwieriger, überhaupt noch Auszubildende zu finden. Deshalb braucht es gut ausgestattete Berufsschulen, an denen auch digital und hybrid unterrichtet werden kann“, erklärte der wirtschaftspolitische Sprecher. Naas schlug außerdem einen Fonds des Landes vor, mit dem professionelles Anwerben von Fachkräften gefördert werden kann: „Es gibt private Dienstleister, die sich auf das Anwerben von Fachkräften aus Nicht-EU-Ländern spezialisiert haben und die den gesamten Prozess vom Spracherwerb bis zur oftmals erschreckenden Bürokratie abwickeln. Während es sich für den einzelnen Handwerker häufig finanziell nicht lohnt, einen Dienstleister zu beauftragen und zu bezahlen, weil die angeworbene Fachkraft möglicherweise bald zum nächsten Arbeitgeber abwandert, kann das Land hier sinnvoll finanziell unterstützen, um überhaupt zusätzliche Arbeitskräfte nach Hessen zu holen.“

Stefan Müller verabschiedet sich aus dem Landtag

Zum Abschluss der jüngsten Sitzungswoche des Hessischen Landtags gab es Worte des Dankes, Geschenke und lang anhaltenden Applaus für Stefan Müller: Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und innenpolitische Sprecher der Fraktion der Freien Demokraten hatte zuvor angekündigt, sein Mandat als Abgeordneter des Hessischen Landtags zum Ende dieses Jahres niederzulegen, weil sich für ihn die Möglichkeit zu einer beruflichen Veränderung ergeben habe, die ihn sehr reize. Er wurde daher nun im Plenum offiziell von Landtagspräsidentin Astrid Wallmann verabschiedet. Stellvertretend für die Parlamentarierinnen und Parlamentarier stellte sie die Fairness und Sachlichkeit Müllers heraus. Ähnlich äußerte sich Innenminister Peter Beuth, mit dem sich Müller zahlreiche politische Auseinandersetzungen geliefert hatte.

FDP-Fraktionsvorsitzender René Rock dankte Stefan Müller für seine großartige Arbeit für die Fraktion. „Stefan Müller ist ein hervorragender Innenpolitiker mit profunder Sachkenntnis, der ein ums andere Mal die Schwächen der Landesregierung messerscharf aufgezeigt hat. Er ist ein Mann der besonnenen Äußerungen, dessen Wort umso mehr Gewicht hat“, hatte Rock betont, als Müller seinen Abschied angekündigt hatte. Der Jurist Stefan Müller aus Heidenrod hat dem Landtag von Ende Januar 2009 bis 17. Januar 2014 sowie seit 1. August 2018 insgesamt rund neuneinhalb Jahre angehört. Dazwischen war er Fraktionsgeschäftsführer der Freien Demokraten. Für Stefan Müller wird Thomas Schäfer aus Maintal in den Hessischen Landtag nachrücken.