Verlorene Corona-Einmütigkeit
Eigentlich sollte der Hessische Landtag in dieser Woche zu seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause zusammenkommen, doch die Corona-Krise und ihre Folgen lässt den Abgeordneten keine Pause. In der vorangegangenen Sitzungswoche hatte die Landesregierung dem Landtag neben einem zweiten Nachtragshaushalt den Vorschlag unterbreitet, ein kreditfinanziertes Sondervermögen aufzulegen – in der Erwartung, dass alle Fraktionen diesem im Eilverfahren zustimmen. Doch auch in insgesamt sechs Gesprächen, die zwischen der Regierung und SPD und FDP stattgefunden hatten, konnten weder die Vertreter von CDU und Grünen noch Finanzminister Michael Boddenberg den Oppositionsfraktionen überzeugende Gründe für deren notwendige Zustimmung liefern. Schließlich würde eine Kreditaufnahme in dieser Größenordnung die Ausnahme von der in der Hessischen Verfassung verankerten Schuldenbremse bedeuten. Freie Demokraten und SPD wollen die Krise deshalb mit einem weiteren Nachtrags- und nicht über einen Schattenhaushalt bewältigen. Die noch zu Beginn der Corona-Krise vorhandene Einmütigkeit des Landtags war schließlich mit der Einbringung eines weiteren schwarz-grünen Gesetzes zur Abschaffung der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit gänzlich verloren.
CDU begeht Wortbruch
Selten waren sich Landesregierung bzw. Regierungskoalition und die Opposition so uneinig wie bei der Frage, in welcher Höhe, in welcher Form und in welchem Zeitrahmen der hessische Staat die wirtschaftlichen und sozialen Folgen seiner Schutzmaßnahmen gegen das Corona-Virus durch geeignete Finanz- und Investitionshilfen abmildern soll. So kam es am Dienstag dieser Sitzungswoche zu einer heftigen Auseinandersetzung, als die aus CDU und Grünen bestehende Landesregierung das Vorhaben startete, die erforderliche Mehrheit für die Ausnahme von der in der Hessischen Verfassung verankerten Schuldenbremse abzuschaffen. Schließlich benötigt Schwarz-Grün die Zustimmung von zwei Dritteln der Landtagsabgeordneten, um neue Schulden für das 12-Milliarden-Sondervermögen aufzunehmen.
Die Opposition kritisierte das Vorgehen von CDU und Grünen scharf. Der Fraktionsvorsitzende der Freien Demokraten, René Rock, warf der Landesregierung vor, wegen fehlender Argumente kurzfristig die Spielregeln ändern zu wollen. Faktisch werde die Schuldenbremse für die gesamte Regierungszeit ausgesetzt. Sein Ärger galt dabei insbesondere dem ehemaligen Koalitionspartner: „Der politische Kniefall vor den Grünen ist ein Sündenfall und das Ende einer seriösen, soliden und generationengerechten Politik. Mit ihrer Entscheidung begeht die CDU Wortbruch gegenüber der Verfassung, gegenüber ihrer früheren Politik und gegenüber den hessischen Wählerinnen und Wählern.“
Um die Krise und ihre Folgen schnell und konsequent mildern zu können, hatten Freie Demokraten gemeinsam mit den Sozialdemokraten den Vorschlag unterbreitet, in 2020 4,5 Milliarden Euro für Corona-Maßnahmen zur Verfügung zu stellen. „Der Landesregierung geht es nicht darum, sinnvolle Hilfe zu finanzieren. Schwarz-Grün geht es allein darum, die Gunst der Stunde zu nutzen, um – finanziert durch einen gigantischen Schuldenberg – eigene politische Projekte durchzudrücken, die mit dem Corona-Virus rein gar nichts zu tun haben“, ärgerte sich Rock. Schließlich sehen nicht nur die Oppositionsfraktionen, sondern auch der Landesrechnungshof und der Bund der Steuerzahler die Bildung eines „Sonderschuldenfonds“ sehr kritisch. In der kommenden Woche werden die Beratungen und damit die Auseinandersetzungen um das Sondervermögen fortgesetzt.
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„Der Kranich muss fliegen“
Selbst den Frankfurter Flughafen hat das Corona-Virus mit enormer Wucht erwischt. Wo sonst Flieger im Sekundentakt starten und landen, waren Maschinen über Wochen hinweg in Parkposition gebracht worden. In der Folge ist insbesondere die Lufthansa in den Sinkflug geraten, sogar aus dem DAX geflogen. Wochenlang wurde in Berlin über ein staatliches Rettungspaket verhandelt, das schließlich am Donnerstag dieser Woche von den Aktionären des Traditionsunternehmens angenommen wurde.
Die Situation der Lufthansa haben die Freien Demokraten zum Gegenstand ihrer Aktuellen Stunde gemacht, die ebenfalls an diesem Donnerstag im Hessischen Landtag beraten wurde. Schließlich hat die Krise Einfluss auf den gesamten Luftverkehrsstandort Hessen. „Ein Großteil der hessischen Wirtschaft steht auf dem Spiel. Es geht um zigtausende Arbeitsplätze“, warnte Dr. Stefan Naas in seiner Rede. Der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Fraktion verwies darauf, dass hier ein profitables Unternehmen unverschuldet in Not geraten sei. „Die Lufthansa ist Teil der hessischen DNA, sie ist ein starkes Unternehmen und hat, ebenso wie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, unsere Solidarität und Hilfe verdient“, konstatierte Naas. Aus Sicht der Freien Demokraten ist die Beteiligung des Staates an der Lufthansa ein Irrweg, der schnell beendet werden muss.
Vielmehr sei das Land in gefordert, die Rahmenbedingungen so zu formen, dass der Lufthansa ein Neustart ermöglicht werde. Dazu zählen bessere Start- und Landerechte und -tarife, der Einsatz synthetischer Kraftstoffe in industriellen Mengen, die Abschaffung der Luftverkehrssteuer und die Verbesserung der Sicherheitskontrollen sowie schließlich die Lockerungen der Reisebeschränkungen in Frankfurt. Nur so könne Frankfurt der größte Verkehrsknotenpunkt in Europa und die Lufthansa die größte Airline in Deutschland bleiben.
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Keine Vorlesung darf illegal sein
Angesichts der Corona-Krise mussten auch die Hochschulen ihre Lehr- und Studienangebote von einem auf den anderen Tag digital organisieren. Dabei wurden dringende Mängel bei der Digitalisierung der hessischen Hochschulen deutlich. Anlässlich ihres Setzpunkts forderten die Freien Demokraten die Landesregierung daher auf, die Hochschulen beim Ausbau der digitalen Lehre langfristig finanziell und konzeptionell zu unterstützen. Die Digitalisierung müsse zu einem Schwerpunkt hessischer Hochschulpolitik werden, forderte Dr. Matthias Büger. Die Möglichkeiten, Vorlesungen im Live-Stream zu übertragen oder aufzuzeichnen und Video-Konferenzen abzuhalten, seien enorm wichtig geworden. So stelle die digitale Lehre im Fernstudium, bei Auslandsaufenthalten, beim Nacharbeiten von Stoff oder auch bei weiten Wegen zur Uni eine Entlastung dar. Ebenso könnten digitale Gremiensitzungen und Prüfungen ermöglicht werden.
Die Digitalisierung und der damit verbundene Strukturwandel der Hochschulen bietet eine Vielfalt zusätzlicher Möglichkeiten und Chancen, die die Freien Demokraten ergreifen wollen. Probleme zeigten sich dabei vor allem bei der Bereitstellung von Lizenzen, leistungsfähigem Internet und der technischen Ausstattung von Vorlesungssälen und Seminarräumen. „Dieser Crashkurs in Digitalisierung war und ist für die Hochschulen eine Herausforderung“, stellte der hochschulpolitische Sprecher der Fraktion der Freien Demokraten im Hessischen Landtag fest. Seine Fraktion beantragte deshalb, im Nachtragshaushalt ausreichend Mittel für die Digitalisierung der Lehre bereitzustellen. Die für das Jahr 2020 vorgesehenen Mittel des Digitalpakts in Höhe von acht Millionen Euro seien bei weitem nicht ausreichend. Auch die in Aussicht gestellte Corona-Kompensation von drei bis vier Millionen Euro sei zu wenig, so Büger. „Schließlich benötigen die Hochschulen eine vorausschauende Förderung jenseits des Corona-Krisenhorizonts. Wir sollten die digitale Lehre des Sommersemesters wissenschaftlich evaluieren, strategische Konzepte für digitales Lehren und Lernen und Qualifizierungskonzepte für Lehrende entwickeln“, schlug Büger abschließend vor.
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- Antrag der Fraktion der Freien Demokraten „Digitale Lehre an hessischen Hochschulen stärken“ – Drucksache 20/2999
- Link zur Pressemitteilung
Kita-Regelbetrieb schnellstmöglich aufnehmen
Während seit 22. Juni auch die Grundschulen wieder für alle Schülerinnen und Schüler geöffnet haben, dürfen noch immer nicht alle Kinder wieder zurück in die Kitas. Nach den Plänen der Landesregierung gilt noch bis Anfang der Sommerferien das sogenannte Betretungsverbot. Das stößt nicht nur bei vielen Eltern auf Unverständnis. „Es kann niemand ernsthaft begründen, weshalb unsere Kinder zwar in die Grundschule, aber nicht in die Kita gehen dürfen“, ärgerte sich René Rock im Rahmen der Debatte zur Kindertagesbetreuung am Dienstag. Der Fraktionsvorsitzende und Sprecher für frühkindliche Bildung der Freien Demokraten warnte davor, dass ein Großteil der Kinder knapp vier Monate lang keine Kita besucht habe. „Hier geht es um das Recht der Kinder auf Bildung und um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Beides müssen wir rasch wieder gewährleisten, wenn wir von der Krise wieder in die Normalität zurückkehren wollen“, so Rock.
Rock forderte die Landesregierung zum wiederholten Male auf, umgehend eine Wiederaufnahme des Regelbetriebs unter Corona-Bedingungen zu organisieren. Dazu gehörten die Erarbeitung und regelmäßige Anpassung eines Musterhygieneplans, regelmäßige Tests von Erzieherinnen und Erziehern sowie ein pädagogisches Musterkonzept, das die Kitas dabei unterstütze, die Rückkehr in die „neue Normalität“ kindgerecht zu begleiten. „Wir müssen alles tun, damit die Corona-Krise nicht zur Bildungskrise wird. Zudem haben viele berufstätige Eltern in der Corona-Krise ihren Urlaubsanspruch aufgebraucht. Wir benötigen daher auch Regelungen für die Schließzeiten in den Sommerferien“, betonte Rock abschließend.
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