Schwache Leistungen der Landesregierung: Ein Minister schwänzt, einer muss nachsitzen 

27.03.2023

Hessens Wohnungsbau schwächelt, was gerade vor dem Hintergrund fehlenden Wohnraums höchst besorgniserregend ist. Auch in der Schulpolitik gibt es einige Probleme zu lösen, vom Lehrkräftemangel bis zu sanierungsbedürftigen Schulbauten. Aus diesem Grund haben die Freien Demokraten sowohl ihre Forderung nach einem Bau-Booster als auch den Bildungsgipfel von Bundesministerin Bettina Stark-Watzinger zu Themen in der jüngsten Sitzungsrunde des Hessischen Landtags gemacht. Beim Bildungsgipfel hatte Hessens Kultusminister Alexander Lorz nämlich lieber blau gemacht als teilzunehmen. Ein fatales Zeichen, wie die Freien Demokraten meinen. Ein anderes Mitglied der Landesregierung muss nach Überzeugung der FDP noch nachsitzen: Innenminister Peter Beuth. Seine Regierungsmehrheit hat nicht nur ein fragwürdiges Versammlungsgesetz durch den Landtag gebracht, das die Freiheit einschränkt. Beuth ist bislang auch einen verfassungskonformen Gesetzentwurf für die Nutzung der von der Polizei genutzten Analyse-Software Hessendata schuldig geblieben, und auch die Beamtenbesoldung ist in Hessen nach wie vor verfassungswidrig. Hessens Polizei hat aber mehr als Lob und Anerkennung verdient, wie die Freien Demokraten in der Debatte zur Regierungserklärung des Innenministers deutlich machten: Wie sie muss sich auch der Innenminister als ihr Dienstherr an Recht und Gesetz halten.

Freie Demokraten fordern Booster für den Wohnungsbau

„Dem Wohnungsbau in Hessen droht der Kollaps“ – das befürchtet Dr. Stefan Naas, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und wohnungsbaupolitischer Sprecher der Freien Demokraten im Hessischen Landtag. Steigende Baukosten, Lieferkettenprobleme und Arbeitskräftemangel sowie weitere Faktoren erschweren den so dringend erforderlichen Bau von zusätzlichem Wohnraum. Und das, während bis zum Jahr 2040 mindestens 360.000 Wohnungen in Hessen fehlen. Vor diesem Hintergrund haben die Freien Demokraten einen Bau-Booster gefordert und den Wohnungsbau zu ihrem Schwerpunktthema der jüngsten Plenarwoche des Landtags gemacht. Nicht der öffentliche Wohnungsbau werde die Wende bringen, sondern der private, erklärte Naas in der Plenardebatte, nachdem er in der Woche zuvor bereits ein Positionspapier zur Entfesselung des Wohnungsbaus öffentlich vorgestellt hatte.

Naas forderte ein ganzes Bündel an Maßnahmen, die den privaten Wohnungsbau voranbringen sollen: „Hessen muss schneller werden, sowohl beim Erteilen von Baugenehmigungen als auch bei der Ausweisung von Bauland. Ein vollständig vorliegender Bauantrag muss nach zwei Monaten automatisch als genehmigt gelten, und für Kommunen, die Bauland mobilisieren, muss es Anreize im Kommunalen Finanzausgleich geben.“ Darüber hinaus müssten Mietpreisbremse, Kappungsgrenze und Umwandlungsverbot fallen. „Die Mietpreisbremse hat Investitionen ausgebremst, aber nicht die Mieten. Gegen steigende Mieten hilft nur mehr Wohnungsbau, um das Angebot zu vergrößern“, erläuterte der wohnungsbaupolitische Sprecher. Zu guter Letzt nahm er in seiner Rede auch den Staat in die Pflicht, der aufgrund immer neuer Regulierungen und Vorschriften längst selbst zum Kostentreiber geworden ist. „Holz gewinnt als Baustoff an Bedeutung, aber hessische Sägewerke beklagen einen akuten Rohstoffmangel. Ein Grund dafür liegt in der Entscheidung der Landesregierung, immer mehr Flächen des Staatswaldes aus der Nutzung zu nehmen.“ Auch die Rohstoffe Sand und Kies müssten von weit her importiert werden, seit sie nicht mehr in Hessen abgebaut werden dürfen. „Das ist weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll“, konstatierte Naas.

Wie für die Polizei, so auch für den Minister: Recht und Gesetz gelten für alle

Die Sicherheitspolitik im Allgemeinen und die unlängst veröffentlichte polizeiliche Kriminalstatistik im Speziellen waren Thema der Regierungserklärung, die Innenminister Peter Beuth am ersten Tag des März-Plenums im Landtag abgab. Dass Hessens Polizistinnen und Polizisten sehr gute Arbeit leisten und dafür Anerkennung verdient haben, darin sind sich der Minister und der innenpolitische Sprecher der Freien Demokraten im Hessischen Landtag, Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn, einig. Aber: „Die hessische Polizei braucht mehr als Lob und Anerkennung – nämlich eine funktionierende und zeitgemäße Ausstattung sowie gute Arbeitsbedingungen“, forderte denn auch Hahn in seiner Rede zur Regierungserklärung, in der er auf einige Versäumnisse der schwarz-grünen Landesregierung einging.

Konkret nahm Hahn Bezug auf die genutzte Datenanalyse-Software Hessendata und auf die Bezahlung der Polizistinnen und Polizisten. „Minister Beuth nimmt es mit der Verfassungstreue offenbar nicht so genau. Gerichte haben bekanntlich festgestellt, dass sowohl die Nutzung der Hessendata-Software als auch die Beamtenbesoldung nicht verfassungskonform sind“, erinnerte Hahn und forderte Beuth erneut auf, schnell einen verfassungskonformen Gesetzentwurf zur Nutzung einer Datenanalyse-Software vorzulegen. Andernfalls gingen im Oktober die Lichter aus, denn dann dürfe Hessendata in der bisherigen Form gar nicht mehr genutzt werden. Jetzt komme es auf ein zügiges Handeln der Landesregierung und des Landtags an, der ein neues Gesetz spätestens im September beschließen müsse. In Bezug auf die trotz Nachbesserungen immer noch verfassungswidrige Beamtenbesoldung erklärte Hahn: „Mit nicht angemessener Bezahlung lässt sich kein wettbewerbsfähiger öffentlicher Dienst schaffen. Dass die Bezahlung vieler Polizistinnen und Polizisten weiter verfassungswidrig ist, beschädigt das Vertrauen der Bediensteten. Gerade die Polizei, von der zu Recht eine Führungs- und Fehlerkultur gefordert und erwartet wird, fragt sich, ob die Bindung an Recht, Gesetz und Werte nur für sie gilt, oder ob der Innenminister als Dienstherr sich auch damit identifiziert.“

Schwarz-grünes Versammlungsgesetz schränkt Freiheit ein

Zu den zahlreichen Gesetzen, die in der jüngsten Plenarrunde im Hessischen Landtag beraten wurden, gehörte auch eines, das schon vorab heftige Diskussionen und Proteste ausgelöst hatte: das Versammlungsfreiheitsgesetz. Die schwarz-grüne Koalition hat das Gesetz schlussendlich mit ihrer Mehrheit durchgebracht, überzeugen konnte sie jedoch nicht. Thomas Schäfer, Mitglied im Innenausschuss des Landtags, erteilte dem von der Landesregierung vorgelegten Gesetz im Landtag eine Absage: „Wir Freie Demokraten kritisieren, wie die Landesregierung das Versammlungsfreiheitsgesetz ausgestaltet hat. Wichtige Anregungen zu nötigen Änderungen wurden nicht berücksichtigt“, erklärte Schäfer. So sei der Begriff Versammlungsfreiheitsgesetz irreführend, da das Gesetz de facto die Versammlungsfreiheit einschränke. Darüber hinaus forderte Schäfer, dass die Behördenzuständigkeit bei Versammlungen klar geregelt sein müsse: „Durch die Unklarheit im Gesetzentwurf werden die bestehenden Kompetenzstreitigkeiten zwischen Polizei und Ordnungsbehörden beibehalten“, vermutete Schäfer. Im Gesetz der Landesregierung sei außerdem geregelt, dass die Polizei bei Demonstrationen Bilder zur Übersicht anfertigen dürfe, wenn es für den Einsatz erforderlich sei. „Das geht zu weit. Solche Bilder sollen nur in Einzelfällen angefertigt werden oder wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass die öffentliche Sicherheit gefährdet ist“, sagte Schäfer. Das Speichern dieser Aufnahmen lehnen die Freien Demokraten ab.

Hessens Kultusminister schwänzt den Bildungsgipfel

Die Herausforderungen an die Bildungspolitik sind groß, die Leistungsbereitschaft des hessischen Kultusministers Alexander Lorz ist hingegen eher klein. Dass Lorz nicht zum Bildungsgipfel von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger nach Berlin gefahren ist, hat die Freien Demokraten im Hessischen Landtag mehr als enttäuscht. Sie haben das Fernbleiben des Ministers in ihrer aktuellen Stunde im Landtagsplenum aufgerufen und sein Verhalten scharf kritisiert. „Der Kultusminister hat nichts anderes gemacht als zu schwänzen: Er ist nicht zum Gipfel gefahren, weil er offenkundig keine Lust hatte“, sagte Lisa Deißler, die für die Freien Demokraten im für Bildungsfragen zuständigen Kulturpolitischen Ausschuss des Landtags mitarbeitet. „Blaumachen ist ein fatales Zeichen in Zeiten fehlender Lehrkräfte, eines zunehmenden Bedarfs der Schülerschaft an Psychologen und Sozialarbeitern, überforderter Schulleitungen und eines enorm hohen Vertretungsbedarfs sowie in Zeiten, in denen es in Schulen reinregnet und die Toiletten defekt sind. Während die Bildungspolitik in Berlin Bund, Länder, Kommunen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammenbringen will, hat Hessens Kultusminister die ausgestreckte Hand der Bundesbildungsministerin ausgeschlagen“, erklärte Deißler. Dabei müssten die genannten Akteure die Probleme in der Bildung angesichts der Dimension endlich gemeinsam angehen. „Sie müssen dringend gemeinsame Ziele und klare Schwerpunkte formulieren“, forderte Deißler. 

Sie erinnerte daran, dass Lorz im Jahr 2015 selbst einen Bildungsgipfel veranstaltet hatte, bei dem nicht mal ein Abschlussdokument zustande gekommen war. „Herr Lorz hat das Scheitern damals auf Opposition und Verbände geschoben und gesagt, er habe die Hände ausgesteckt; eine ausgestreckte Hand müsse aber auch ergriffen werden. Nun hat Lorz selbst die Chance zur Mitwirkung verpasst. Parteipolitische Spielchen waren ihm offenbar wichtiger als eine Verbesserung der Bildungslandschaft“, stellte Deißler fest.