Neues Jahr, alte Probleme

05.02.2021

Auch im neuen Jahr bleiben die Probleme – auch die, mit denen sich das hessische Parlament in seiner ersten Sitzungswoche 2021 befassen sollte – die alten. Noch immer bestimmen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben sowie die Debatten im Hessischen Landtag. Neben einer Regierungserklärung des Ministerpräsidenten zum weiteren Vorgehen in der Corona-Krise standen die Fragen nach möglichen Lockerungen sowie die Verabschiedung des Landeshaushalts für 2021 auf dem Programm. Noch vor Beginn der ersten Sitzung am Dienstag erinnerte der Landtag im Rahmen einer Gedenkfeier an die Opfer des rassistisch motivierten Anschlags in Hanau vor knapp einem Jahr. 

Notruf 110 muss immer erreichbar sein

Nur wenige Tage vor der geplanten Gedenkfeier im Landtag, berichteten Medien, dass am Abend des Terroranschlags in Hanau der Polizei-Notruf 110 zeitweise nicht erreichbar gewesen sein soll. Demnach soll nur ein Beamter für die Notrufannahme im Hanauer Stadtgebiet eingeteilt gewesen und nur zwei Leitungen geöffnet gewesen sein. Eine Weiterleitung soll es nicht gegeben haben. 

Im Rahmen der von seiner Fraktion beantragten Debatte zum Thema forderte der innenpolitische Sprecher der Freien Demokraten im Hessischen Landtag eine umfassende Aufklärung des Problems. „Wir wollen wissen, wie es zu dieser Entscheidung gekommen ist und warum im Bereich des Polizeipräsidiums Südosthessen bis heute keine dem Stand der Technik entsprechende Annahme von Notrufen organisiert wurde“, sagte Stefan Müller. 

„Wer in Gefahr ist, muss sich darauf verlassen können, dass er einen Notruf sicher absetzen kann und gehört wird.“  

Stefan Müller, innenpolitischer Sprecher Freie Demokraten im Hessischen Landtag

Die Freien Demokraten fordern seit vielen Jahren eine Digitalisierungsoffensive und moderne und technologisch hochwertige Ausstattung für die hessische Polizei. Die Ankündigung des Innenministers, noch im Februar ein Weiterleitungskonzept vorzulegen, komme wieder nur nach erheblichem öffentlichen Druck und viel zu spät, kritisierte Müller. Sie zeige aber auch, dass eine Weiterleitung der Notrufe grundsätzlich möglich sei, diese aber über Jahre hinweg versäumt worden war. „Die Notrufnummer 110 muss jederzeit erreichbar sein, dafür gibt es auch technische Möglichkeiten“, forderte Müller. „Wer in Gefahr ist, muss sich darauf verlassen können, dass er oder sie einen Notruf sicher absetzen kann und gehört wird.“  

Bouffier soll Perspektiven aufzeigen 

Mit seiner Regierungserklärung, die der Ministerpräsident mit dem Titel „Gemeinsam die Corona-Krise meistern“ überschrieben hatte, zeichnete Volker Bouffier das Vorgehen der Landesregierung in der Corona-Krise auf. Dabei gab er nur bedingt Hoffnung auf eine schnelle Lockerung der gegenwärtig geltenden Regelungen. Er kündigte einen Stufenplan an, der derzeit erarbeitet und bei der nächsten Bund-Länder-Konferenz mit der Bundesregierung und den Regierungen der anderen Länder beraten werden würde. Dieser sehe schrittweise Lockerungen abhängig von der Inzidenz vor.

In der sich anschließenden Debatte kritisierten die Oppositionsfraktionen die noch immer fehlende konkrete Öffnungsperspektive und das starre Festhalten an der 7-Tage-Inzidenz. Der Vorsitzende der Freien Demokraten stellte den bloßen Fokus auf das Virus in Frage und forderte einen Paradigmenwechsel. „Wir sollten nicht nur über das Virus, sondern über die Menschen reden. Ihnen sollten wir keine Angst machen, sondern ihnen Hoffnung und Zuversicht schenken“, forderte René Rock. Die hessischen Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Unternehmen hätten sich überwiegend vorbildlich verhalten, sich an Regeln gehalten und kreative Lösungen entwickelt, betonte er. Im Gegensatz zum Staat. Dieser würde nach wie vor nicht funktionieren. Schulen seien schlecht vorbereitet und ausgestattet worden, Gesundheitsämter noch immer überlastet und Altenheime würden weiter im Stich gelassen. 

Rock verwies auf die Dauer der Krise. Ein Jahr Corona bedeute ein Jahr Gesundheitskrise, ein Jahr Bildungskrise, ein Jahr Wirtschaftskrise sowie ein Jahr Herausforderung für den Schutz der Grundrechte. „Es ist selbstverständlich, dass wir die Pandemie bewältigen und die Gesundheit der Menschen schützen. Aber Schulen, Wirtschaft, ja die gesamte Gesellschaft als solche, brauchen dabei Perspektiven. Das Leben geht weiter, und deshalb können wir soziales Leben nicht dauerhaft unterbrechen. Es ist Zeit, aufzuzeigen, wie wir die Maßnahmen lockern können“, mahnte Rock. 

Freie Demokraten wollen Schule verlässlich gestalten 

Eine Perspektive fordern insbesondere auch Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrkräfte. Seit vor den Weihnachtsferien ist der Präsenzunterricht in Hessen ausgesetzt, seither sind die Schulen für die meisten Jahrgangsstufen de facto geschlossen. Erst in der letzten Landtagssitzung im Dezember, als die hessenweite Corona-Inzidenz bei rund 150 gelegen hatte, hatte sich der Ministerpräsident im Landtag für offene Schulen ausgesprochen. Jetzt, wo die Inzidenz für Hessen im Durchschnitt bei unter 100 liegt, stehen Distanzunterricht und Homeschooling auf dem Stundenplan – und das obwohl die meisten Betroffenen eigentlich damit gerechnet hatten, nach den Weihnachtsferien in ein Wechselmodell zu gehen. „Mal wieder gab es keine Vorbereitungszeit, diffuse Ansagen und verlorene Bildungschancen“, mahnte Moritz Promny in der Landtagsitzung am Mittwoch. Er kritisierte die schwarz-grüne Landesregierung für ihre mangelnde Verlässlichkeit im Schulbereich. Zurecht forderten nun auch Eltern klare und einheitliche Konzepte mit verpflichtenden Standards. „Schulen brauchen in der Corona-Krise vor allem eins: Planbarkeit“, sagte der bildungspolitische Sprecher der Fraktion der Freien Demokraten im Hessischen Landtag. 

Um Planbarkeit für Schülerinnen und Schüler, Eltern und Schulen zu erzielen, haben die Freien Demokraten einen Gesetzentwurf ausgearbeitet, der in dieser Woche in erster Lesung beraten wurde. Darin schlagen sie vor, das Infektionsgeschehen an den Schulen speziell in den Blick zu nehmen und auszuwerten und auf dieser Grundlage einen aussagekräftigen Schwellenwert speziell für das Schulwesen zu entwickeln. Schließlich sei bekannt, dass sogenannte Mikro-Hotspots die Inzidenz stark beeinflussen würden. „Es ergibt keinen Sinn, dass Kinder nicht in die Schule gehen dürfen, weil beispielsweise ein Altenheim im gleichen Landkreis zum Mikro-Hotspot geworden ist“, erklärte Promny. Mit ihrem Vorstoß wollen die Freien Demokraten erreichen, die Schulorganisation in Pandemiezeiten grundsätzlich zu regeln. Für jede Veränderung des Infektionsgeschehens brauche es passende Maßnahmen der Schulorganisation, um das Recht auf Bildung zu gewähren.  

Hessen braucht mehr Mut zur Gentechnik

Mit der Entwicklung eines Corona-Impfstoffs binnen weniger Monate, hat ein Mainzer Start-up eine Perspektive aufgezeigt, wie die Corona-Pandemie eingedämmt werden kann und den Menschen Hoffnung auf Rückkehr zur Normalität gegeben. Um möglichst schnell möglichst vielen Menschen ein Impfangebot machen zu können, hat Biontech ein Werk im hessischen Marburg übernommen. Nachdem zunächst die Umrüstung der vorhandenen Produktionsanlage durch das Land Hessen genehmigt werden musste, kann das Unternehmen nun Impfstoff auch in Hessen produzieren.

Die Freien Demokraten hatten bereits vor mehreren Monaten darauf hingewiesen, dass entsprechende Genehmigungen schnell erteilt werden müssten und forderten den Abbau von Bürokratie und eine Verkürzung von Genehmigungsfristen. Ein typisches Genehmigungsverfahren nach Bundes-Immissionsschutzgesetz dauere mindestens sieben Monate, im vereinfachten Verfahren in der Regel drei Monate. „Schon diese normalen Verfahren dauern zu lange. In einem Lockdown, der unsere Volkswirtschaft täglich Milliarden kostet, können wir uns diese Bürokratie nicht leisten. Wir brauchen nicht nur eine vorläufige Zulassung der Anlagen-Errichtung, sondern auch des Produktionsbeginns“, machte der wirtschaftspolitische Sprecher der Freien Demokraten Stefan Naas deutlich.

In ihrem Antrag forderten die Freien Demokraten zudem mehr Mut zur Gentechnik in Hessen. „Die Rettung vor der aktuellen Geißel der Menschheit haben wir der Gentechnik zu verdanken“, sagte Naas. Er warf den Grünen vor, mit der Angst vor Gentechnik, Politik zu machen. Mit ihrer Initiative wollen die Freien Demokraten den Pharma- und Forschungsstandort Hessen stärken, der sowohl eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren als auch eine Modernisierung des EU-Gentechnikrechts verdient habe.

Solide Haushaltspolitik statt Sondervermögen

Fast 400 Änderungsanträge hatte die Opposition zum Gesetzentwurf der Landesregierung für den Haushalt 2021 eingereicht, der in dieser Sitzungswoche verabschiedet wurde. Während sich Schwarz-Grün wieder mal am vielkritisierten Sondervermögen und neuen Schulden bediente, legten die Freien Demokraten einen Haushaltsentwurf vor, der das Land besser für die Zukunft aufstellen sollte. Die Freien Demokraten fordern in ihren Änderungsanträgen unter anderem stärkere Anstrengungen in den Bereichen Bildung und Digitalisierung sowie zusätzliche Mittel zur Steigerung der Attraktivität der Innenstädte. Ebenso wollen sie in Qualität und Quantität der Kinderbetreuung investieren und die Erzieher-Ausbildung durch Einführung einer Ausbildungsvergütung attraktiver machen.

Der am Mittwoch im Landtag beschlossene Haushalt sieht Gesamteinnahmen von rund 29,03 Milliarden Euro und Gesamtausgaben von gut 29,8 Milliarden Euro vor. „Der schwarz-grüne Haushalt hat kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. Schwarz-Grün kann einfach nicht solide wirtschaften“, stellte die Finanzpolitikern der Freien Demokraten mit Blick auf einen ständig wachsenden Schuldenberg enttäuscht fest. „Wir Freie Demokraten haben mit unseren Haushaltsanträgen aufgezeigt, dass solides Wirtschaften und kluge Investitionen mit einer deutlich niedrigeren Neuverschuldung und auch ohne das sogenannte Sondervermögen, das in Wahrheit ein Schuldentopf ist, möglich sind“, sagte die die haushaltspolitische Sprecherin der Fraktion der Freien Demokraten stolz. Solides Haushalten bedeute aber, mit weniger zur Verfügung stehenden Einnahmen zielgerichtet und wirkungsvoll zu handeln. Schardt-Sauer verwies auf den klassischen Kaufmann, der in seinen Sparstrumpf schaue, ob noch etwas da sei, ehe er einen Kredit aufnehme. „Hessens Sparstrumpf ist die allgemeine Rücklage. Wir haben vorgeschlagen, jetzt aus dieser Rücklage 650 Millionen Euro zu entnehmen. Dann hätte es auch keine Zuführung aus dem Sondervermögen gebraucht“, erklärte die Finanzpolitikerin.