Neues Jahr, alte Herausforderungen

04.02.2022

Zum ersten Mal 2022 kam in dieser Woche der Hessische Landtag zusammen, um über aktuelle Herausforderungen zu beraten. Doch diese waren nicht alle neu. An vorderster Stelle stand die Verabschiedung des Landeshaushalts, mit der zugleich auch das verfassungswidrige Sondervermögen abgewickelt wurde. Außerdem wurde über die bisherigen Lehren aus der Corona-Pandemie diskutiert: Hier ging es zum einen um den Schutz in den Kindertagesstätten, zum andern um die Chancen digitaler Bildung. Schließlich wurden auch neue Ideen wie die Einführung eines ‚German Tech-Festivals‘ beraten. 

Mehr Fortschritt für Hessen wagen

Nachdem im Herbst der Hessische Staatsgerichtshof das schwarz-grüne Sondervermögen für verfassungswidrig erklärt hatte und anschließend die Beratungen verschoben werden mussten, wurde in dieser Sitzungswoche endlich der Landeshaushalt für 2022 verabschiedet. Insgesamt knapp 600 Änderungsanträge waren gestellt worden – mehr als 50 kamen allein von den Freien Demokraten. „Wir haben einen Weg zu mehr Innovation und mehr Fortschritt für Hessen aufgezeigt“, fasste Marion Schardt-Sauer die Initiativen ihrer Fraktion zusammen. Ihr Ziel: ein moderner und leistungsfähiger Staat, ein starker Wirtschaftsstandort durch eine innovative Marktwirtschaft und die Einhaltung des Aufstiegsversprechens durch beste Bildung. „Doch während die Landesregierung im vergangenen Jahr nicht müde wurde, einen überparteilichen Zusammenhalt in der Corona-Krise zu beschwören, hat sich Schwarz-Grün leider nicht mit den Anträgen der Opposition auseinandergesetzt“, kritisierte die haushaltspolitische Sprecherin der Freien Demokraten. „Schwarz-Grün hatte die Chance, mit uns eine Wende in der frühkindlichen Bildung einzuleiten, Innovationsbeschleuniger zu werden und wichtige Schritte zu einem modernen Staat anzugehen. Doch leider konzentrieren sich die Landesregierung und die Koalition auf grüne Prestigeprojekte und versuchen, ihre Ministerien für Nullsummenspiele immer weiter aufzublähen. Hier wurden Chancen vertan, aus der Krise zu lernen.“ Stattdessen versuche die Landesregierung trotz sprudelnder und wachsender Steuereinnahmen ein weiteres Mal, die Schuldenbremse zu umgehen. In diesem Zusammenhang verwies Schardt-Sauer auf 500 Millionen Euro, die Schwarz-Grün als ‚globale Corona-Vorsorge‘ in den Haushalt eingepreist hatten. „Das ist nichts anderes als das Sondervermögen im Kleinen – eine hübsche kleine Schatzkiste für Schwarz-Grün.“ Mit ihren Anträgen hatten die Freien Demokraten gezeigt, dass es auch in Krisenzeiten möglich sei, einen verfassungskonformen Haushalt aufzustellen, die Menschen zu unterstützen und das Land voranzubringen. 

Testnachweispflicht für Kitas einführen

Die Omikron-Welle trifft vor allem die Kitas hart, wie auch eine jüngst veröffentlichte Umfrage des Hessischen Rundrunks verdeutlichte. Demnach sind in zahlreichen hessischen Kommunen bereits Gruppen geschlossen worden. Auch zeigte sich, dass die Quarantäne-Regelungen unterschiedlich gehandhabt werden. Dies gilt auch für Testungen. Während Bundesländer wie Bayern oder Bremen eine Testpflicht für Kitas eingeführt haben, setzt das Land Hessen nach wie vor auf freiwillige Tests. „Von der Schule bis zum Altenheim werden Menschen überall vor dem Corona-Virus geschützt und engmaschig getestet. Nur bei den Jüngsten in den Kitas sieht das immer noch anders aus“, kritisierte René Rock anlässlich der von seiner Fraktion beantragten Debatte über eine Testpflicht für Hessens Kitas. „Ob und wie oft Corona-Tests vorgenommen werden, hängt vom Wohnort und dem Vorgehen in der jeweiligen Kita ab.“ Der Fraktionsvorsitzende der Freien Demokraten beklagte, dass Tests auf freiwilliger Basis offenbar nicht ausreichend seien, um die Ausbreitung des Corona-Virus zu verlangsamen und dem Gesundheitsschutz von Kindern, Familien sowie Erzieherinnen und Erziehern Rechnung zu tragen. „In nunmehr zwei Jahren Pandemie sind Kinder viel zu oft die Leidtragenden gewesen“, bedauerte Rock und begründete damit auch seine Forderung nach der Einführung einer Testpflicht.

Der Vorschlag der Freien Demokraten sieht vor, dass in der Regel nicht in der Kita, sondern drei Mal pro Woche zu Hause getestet wird. Damit wollen sie zum einen den Tagesablauf in den Einrichtungen erleichtern, zum anderen dem Umstand gerecht werden, dass sich vor allem kleinere Kinder lieber von den Eltern als vom Kita-Personal testen lassen. Den Kita-Trägern solle ein Vordruck zur Verfügung gestellt werden, auf dem die Erziehungsberechtigten mit einer Unterschrift das negative Testergebnis ihrer Kinder bestätigen. Die Tests sollen den Eltern zur Verfügung gestellt werden. Auch der Nachweis einer Bürgerteststelle soll anerkannt und geimpfte oder genesene Kinder von der Testpflicht ausgenommen werden. Ausnahmen von der Testung zu Hause sollen möglich sein, wenn es bereits ein einrichtungsspezifisches Testkonzept gibt – zum Beispiel, wenn die Kinder an sogenannten Lolli-Pool-Testungen teilnehmen. 

Darüber hinaus beklagte Rock, dass die Landesregierung in Bezug auf Kita-Testungen die Verantwortung von sich schieben und immer wieder auf die Kommunen verweisen würde. Seiner Überzeugung nach brauche es außer einer Testnachweispflicht als verbindliche Lösung auch eine komplette Kostenübernahme der Kita-Testungen durch das Land. „Es ist offenkundig, dass eine 50-prozentige Kostenübernahme nicht ausreicht. Die Kommunen oder privaten Träger, die die andere Hälfte tragen müssen, haben bislang nur einen Bruchteil der zur Verfügung stehenden Landesmittel verwendet.“

Chancen der digitalen Bildung nutzen

Während in einigen wenigen Schulen in Hessen die Chancen digitaler Bildung bereits genutzt werden, diskutierte der Hessische Landtag über einen von CDU und Grünen vorgelegten Antrag zum Thema. „Während wir hier noch über bestellte Endgeräte diskutieren, hat sich die Welt längst weitergedreht“, kommentierte Moritz Promny den Vorstoß der Regierungsfraktionen. „Jahrelang die Zahl der gelieferten Tablets zu vermarkten, kann nicht das Ziel sein. Wir wollen gute digitale Bildung an unseren Schulen und keine Tablets, die im Keller verstauben.“ In der Debatte forderte der bildungspolitische Sprecher der Freien Demokraten eine Fortbildungsoffensive für Lehrkräfte. Darüber hinaus brauche es progressive Ansätze wie die Einrichtung einer Projektgruppe für den Einsatz künstlicher Intelligenz im Schulunterricht sowie Unterstützung bei der Umsetzung neuer Raumkonzepte und Flexibilität bei Stundentafeln. „All das fehlt bei Schwarz-Grün“, kritisierte Promny, dessen Fraktion sich für den gezielten Einsatz künstlicher Intelligenz in der digitalen Bildung einsetzt. Künstliche Intelligenz biete die große Chance, Schülerinnen und Schüler beim individuellen Lernen und in ihrer Selbstständigkeit zu fördern und ihre eigenen Potenziale noch besser zu entfalten. Auch könnten Lehrkräfte bei zeitraubenden Routineaufgaben unterstützt und entlastet werden, zum Beispiel bei der Korrektur von Hausaufgaben, Tests und Klausuren. 

Promny machte sich außerdem dafür stark, Strukturen wie klassischen Frontalunterricht nach strenger Stundentafel zu hinterfragen. „Wir haben bereits Schulen in Hessen, die digitale Vorreiter sind und ihre Pädagogik auf neuartige Formate angepasst haben; die Wände für Gruppenarbeitsflächen herausreißen und Teppichboden für eine bessere Lernatmosphäre verlegen. Die Schülerinnen und Schüler machen dort Musik, sprayen Graffiti, spielen Theater und verknüpfen das alles mit digitalem Lernen. Solche Unterrichtsformate sind es wert, nicht nur an wenigen Schulen eingesetzt zu werden. Lernen Sie doch einfach von bereits vorhandenen Strukturen. Lernen sie von Schulleitungen und Lehrkräften, die sich bereits auf den Weg gemacht haben“, forderte Promny abschließend. So könnten Bildungsgerechtigkeit und individuelle Förderung tatsächlich erreicht werden. 

Fintech-Standort stärken

Frankfurt soll zum führenden Fintech-Standort Kontinentaleuropas werden. Diese Erwartung formulierte der Hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir 2016 bei der Eröffnung des Tech-Quartiers, einem Frankfurter Coworking-Space für Start-ups. Doch während Fintechs innerhalb der Start-up-Branche in Deutschland im vergangenen Jahr die größten Zuwächse hatten, bleibt Hessen hinter den Erwartungen zurück. Beim E&Y-Start-up-Barometer 2022 landet Hessen beim Finanzierungsvolumen der Fintechs hinter Berlin, Bayern und Hamburg auf Rang vier. Auch der Start-up-Monitor von PWC aus dem Jahr 2021 belegt, dass lediglich 6,5 Prozent der angemeldeten Start-ups ihren Hauptsitz in Hessen haben. 

„Der Finanzplatz Frankfurt soll nicht nur Wachstum finanzieren, sondern auch selbst zu einem Wachstumsmotor werden“, erklärte Oliver Stirböck die Initiative seiner Fraktion für eine Fintech-Offensive für Frankfurt. Nach Ansicht der Freien Demokraten wäre Frankfurt prädestiniert, führender Fintech-Standort Deutschlands oder – infolge des Brexits – gar Kontinentaleuropas zu sein. Mit einem ‚German Tech-Festival‘ möchte Stirböck technologiebasierte, innovative Finanzunternehmen nach vorne bringen. „Eine solche Veranstaltung wäre ein Leuchtturm-Festival für die Fintech-Branche in Deutschland und würde Hessen zu einer Begegnungsplattform für Gründerinnen und Gründer, die Banken-, Finanz-und Versicherungswirtschaft sowie Investorinnen und Investoren von internationaler Bedeutung machen“, erläuterte der Sprecher für den Finanzplatz Frankfurt. Das bereits bestehende Fintech-Festival in Singapur könne zum einen Vorbild sein, zum anderen wäre die Förderung eines Auftritts von hessischen Unternehmen in Singapur ein wichtiges Signal. „Die Teilnahme bietet Unternehmen eine große Chance, international sichtbar zu sein und Netzwerke zu bilden, die hessischen und deutschen Fintech-Unternehmen bisher verwehrt bleiben.“