In die Pflicht genommen

17.10.2022

Ein ums andere Mal agieren die schwarz-grüne Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen zögerlich und zaudernd: Da konnte es in der jüngsten Sitzungswoche des Hessischen Landtags leider kaum noch überraschen, dass der vorgelegte Haushaltsentwurf für 2023/24 phantasielos ist, dass sich die vor allem die Christdemokraten der Einführung eines kommunalen Wahlrechts ab 16 Jahren verweigern und dass sich Schwarz-Grün nicht traut, eine Garantie für die Fortsetzung des Sprachprogramms in Kindertagesstätten zu geben. Umso wichtiger ist es, dass die Freien Demokraten ihre Aufgabe als Oppositionsfraktion ernst nehmen und die Landesregierung immer wieder in die Pflicht nehmen. Letzteres gilt auch für das Justizministerium, in dem der neue Minister Roman Poseck jetzt die Scherben zusammenkehren muss, die seine Vorgängerin Eva Kühne-Hörmann hinterlassen hat. Poseck hat zum Auftakt der Plenarwoche seine erste Regierungserklärung gehalten – und von der FDP Aufforderungen bekommen, was für die hessische Justiz zu tun ist.

Hessens Justiz braucht ein Leitbild

Zum ersten Mal seit seinem Amtsantritt im Frühsommer dieses Jahres hat der neue hessische Justizminister Roman Poseck jetzt eine Regierungserklärung im Hessischen Landtag gehalten. Der neue Justizminister bemühe sich engagiert und redlich, die Scherben seiner Vorgängerin Eva Kühne-Hörmann zusammenzukehren , deren Ablösung auch die Freien Demokraten gefordert hatten. „Einiges begrüßen wir ausdrücklich“, betonte Marion Schardt-Sauer, rechtspolitische Sprecherin der Freien Demokraten im Hessischen Landtag, in ihrer Rede zur Regierungserklärung. Ein gutes Zeichen sei die Einrichtung einer Stabsstelle für das Projekt E-Akte. Die Stelle wurde mit einem erfahrenen Richter des OLG besetzt und ist direkt der Staatssekretärin zugeordnet. „Das ist ein wichtiger Baustein“, erklärte Schardt-Sauer. Außer der unter Eva Kühne-Hörmann verschleppten Einführung der E-Akte im Besonderen, für die ein neuer Projektplan für das weitere Vorgehen erforderlich sei,  und der nur langsam vorankommenden Digitalisierung der Justiz im Allgemeinen sehen die Freien Demokraten weitere Baustellen: Schardt-Sauer nannte hier die im Vergleich zu anderen Bundesländern unterdurchschnittlichen Besoldung für Richter, Staatsanwälte, Geschäftsstellenmitarbeiter, Rechtspfleger und Strafvollzugsbedienstete sowie den Personalmangel. Die Anstrengungen, die aktuell in Bezug auf den Personalausbau in allen Bereichen der Justiz unternommen würden, seien zwar zu begrüßen, jedoch gelte hier leider das alte Lied: zu wenig, zu spät.

Schardt-Sauer forderte den Minister auf, ein Leitbild für die hessische Justiz aufzustellen. „Das Ziel muss sein, dass Hessens Justiz vom Hausmeisterposten bis zur Richterstelle der attraktivste und erstrebenswerteste Arbeitsplatz überhaupt wird. Dafür braucht es aber eine Strategie.“ In den vergangenen Jahren sei in der Justiz einiges „liegengeblieben“, so dass die Zahl der Baustellen, die Eva Kühne-Hörmann ihrem Nachfolger hinterlassen habe, groß sei. „Die Justiz in Hessen ist in keinem guten Zustand“, stellte Schardt-Sauer fest.

Freie Demokraten fordern Ausgabencheck

Marion Schardt-Sauer hat nicht nur ein kritisches Auge auf die Arbeit im Justizministerium, sondern auch auf das, was Hessens Finanzminister Michael Boddenberg macht und vorlegt. In ihrer Funktion als haushaltspolitische Sprecherin der Freien Demokraten im Hessischen Landtag hat Schardt-Sauer jetzt den Entwurf der schwarz-grünen Landesregierung für den Doppelhaushalt 2023/24 als „phantasielos und am Bedarf der Menschen vorbeigehend“ bezeichnet. Der Etat-Entwurf wurde im Plenum in erster Lesung beraten und wird die Gremien auch in den kommenden Monaten beschäftigen. „Hessen braucht eine Finanzpolitik, die sich zu soliden Finanzen sowie zu generationengerechten Haushalten bekennt und geeignete Maßnahmen zur Bekämpfung der Inflation ergreift. Doch obwohl die Leistungen der Bürgerinnen und Bürger sowie die Aktivitäten der Wirtschaft Jahr für Jahr die Steuereinnahmen erhöhen, hat man in Hessen in noch höherem Maße die Ausgaben erhöht“, kritisierte Schardt-Sauer. Leider werden die Steuergelder nämlich nicht für nachhaltige Investitionen, zum Beispiel in Bildung, Innovation und digitale Infrastruktur, ausgegeben. „Das Steuergeld wird schlicht verplempert, oder es landet in ideologischen Projekten“, erinnerte Schardt-Sauer.

Ein Beispiel sei die Aufblähung der Verwaltungsapparate in den Ministerien. „Seit Beginn von Schwarz-Grün 2014 hat die Anzahl der Beamten und Tarifbeschäftigten in den Ministerien sprunghaft zugenommen. Bei den Beamten handelt es sich um ein unglaubliches Plus von 40,2 Prozent“, verdeutlichte Schardt-Sauer. In Zeiten der Krise, in denen sich viele Menschen große Sorgen machten, wie sie Sach- und Energiekosten stemmen sollen, und in denen das Fortbestehen von Teilen des Mittelstands mit einem Fragezeichen versehen ist, sei der Ausbau des Ministerialapparats verantwortungslos.  „Der Staat muss gerade beim Sparen beispielhaft vorangehen und alle Aufgaben, alle Ausgaben einem Ausgabencheck unterziehen. Dann könnte Hessen deutlich besser durch die Krise kommen.“

Schardt-Sauer nutzte ihre Haushaltsrede auch, um ein weiteres Mal auf die Bedeutung der Schuldenbremse hinzuweisen. „Nach einer Volksabstimmung hat die Schuldenbremse Eingang in die Verfassung gefunden. Es ist der Wille der hessischen Bürgerinnen und Bürger, dass die Schuldenbremse Verfassungsrang hat“, erläutert Schardt-Sauer. „Was es braucht, ist eine ausgeprägte Schuldenallergie, denn Schulden sind nur die Ultima Ratio – und zwar nur für Existenzsicherung, Systemsicherung und Zukunftsinvestitionen.“

Landesregierung bleibt Garantie für Sprachkita-Förderung schuldig

Bildung fängt nicht erst in der Schule, sondern bereits in der Kindertagesstätte an. Davon sind die Freien Demokraten überzeugt, und so setzen sie sich mit entsprechendem Nachdruck für frühkindliche Bildung ein. Aktuell sorgen sich Einrichtungen und Eltern um den Fortbestand der Errungenschaften des bundesweiten Förderprogramms zum frühkindlichen Spracherwerb. Die Freien Demokraten haben die Sprachförderung daher zu ihrem Setzpunkt, also zum Schwerpunktthema der jüngsten Sitzungswoche im Landtag gemacht. Fraktionsvorsitzender René Rock forderte die Landesregierung auf, nach Auslaufen des Bundesprogramms die Fortsetzung der Sprachförderung in hessischen Kitas zu garantieren und frühkindliche Bildung mit der notwendigen Priorität zu behandeln. „In Hessen gibt es 534 Sprach-Kitas, deren wichtige Arbeit fortgesetzt werden muss. Die Strukturen des auslaufenden Sprach-Kita-Programms des Bundes müssen daher zwingend erhalten bleiben und in die Verantwortung des Landes gegeben werden. Schwarz-Grün muss jetzt die Garantie geben, dass das Programm mit originären Landesmitteln fortgeführt wird“, erklärte Rock, der auch Fachsprecher seiner Fraktion für frühkindliche Bildung ist. Doch obwohl die Landesregierung und die Fraktionen die Bedeutung frühkindlicher Sprachförderung betonten, blieb Schwarz-Grün das Garantieversprechen schuldig.

Rock erklärte in seiner Rede, was die Sprachförderung so bedeutend macht: „Sprache ist ein wichtiger Bestandteil der Persönlichkeitsentwicklung. Sprache ist letztlich der Schlüssel schlechthin zum Bildungserfolg.“ Sprachförderung müsse bereits in der Kindertagesstätte beginnen, weil Benachteiligungen schon bei Kindern ab drei Jahren festzustellen seien und sich über die Zeit verstärkten. Die Förderung der Sprachkompetenz sei dabei nicht nur für Kinder mit Migrationshintergrund von Bedeutung, sondern auch für Kinder aus benachteiligten Familien, denn sowohl eine nichtdeutsche Herkunftssprache als auch sozioökonomische Benachteiligungen wirkten sich oft negativ auf den Bildungserfolg aus. „In einem Einwanderungsland wie Hessen sollte ein besonderer Schwerpunkt auf Mehrsprachigkeit gelegt werden“, erläuterte Rock.

Unterstützung für die hart arbeitende Mitte

Landauf, landab machen sich die Menschen Sorgen angesichts steigender Preise. Viele fragen sich, wie sie buchstäblich über den Winter kommen. Das Geld wird weniger wert, die Preise gehen in die Höhe. Die Freien Demokraten haben die Inflation sowie die erforderlichen Entlastungen der Bürgerinnen und Bürger aus diesem Grund zu ihrer Aktuellen Stunde in der jüngsten Sitzungswoche im Landtag gemacht. Dr. Stefan Naas, wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion, hat die Landesregierung in seiner Rede aufgefordert, das Inflationsausgleichsgesetz im Bundesrat zu unterstützen. „Die Inflation hat zu einem sprunghaften Anstieg der Verbraucherpreise geführt. Sie zerstört das Vertrauen in die Zuverlässigkeit eines Staates. Deswegen sind Inflationsraten von fast zehn Prozent brandgefährlich für unsere Demokratie. Wir sehen bereits heute, wie Radikale aller Strömungen die Ängste der Menschen für sich einspannen wollen“, erklärte Naas und veranschaulichte das Problem der sogenannten kalten Progression: „Von einem Einkommen in Höhe von 40.000 Euro im vergangenen Jahr bleiben Ende dieses Jahres real lediglich 36.000 Euro Kaufkraft. Wenn der Staat diese 36.000 Euro reale Kaufkraft jetzt besteuert, als wären es 40.000 Euro, dann verteilt der Staat Einkommen aus den Taschen der Bürgerinnen und Bürger in das Staatssäckelchen um.“

Naas räumte auch gleich mit Mythen auf, die das linke politische Lager bedient: Es sei wichtig, dass Bundesfinanzminister Christian Lindner auch gegen Widerstände das Inflationsausgleichgesetz vorgelegt habe. „Entgegen aller Erzählungen von Linken und Grünen betrifft die Abschaffung der kalten Progression nicht nur Reiche, und das Gesetz macht auch niemanden reich. Vielmehr entlastet es 48 Millionen Bürgerinnen und Bürger, nämlich die arbeitende Mitte, sprich all die Menschen zwischen Grundsicherung und Reichtum. Der Maurer, die Chefärztin, der Bürokaufmann und die Ingenieurin: Sie alle gehören zur arbeitenden Mitte, die dieser Tage Entlastung bitter nötig hat.“ Naas fordert die Landesregierung darüber hinaus auf, sich für eine automatische Anpassung des Einkommensteuertarifs an die Teuerungsrate einzusetzen. „Eine Anpassung des Einkommensteuertarifs ist eine Frage der Gerechtigkeit. Eine automatische Anpassung wäre ein dauerhafter Schutz gegen kalte Progression.“

Die Jugend braucht eine stärkere Stimme – FDP für Kommunalwahlrecht ab 16

„Wir brauchen einen Aufbruch in der Jugendpolitik“ – davon ist Lisa Deißler überzeugt. Als jüngste Abgeordnete der Fraktion der Freien Demokraten im Hessischen Landtag hat sich Deißler in der jüngsten Sitzungsrunde des Landtags klar für ein Kommunalwahlrecht ab 16 Jahren ausgesprochen. Gerade der Landtag beweise, dass mehr junge Menschen der Politik gut täten, liege das Durchschnittsalter der Abgeordneten doch über dem der Bevölkerung, sagte Deißler als Vertreterin der unterrepräsentierten Gruppe der unter 30-Jährigen. „Wir brauchen eine Politik, die den Jugendlichen eine stärkere Stimme bei politischen Entscheidungen gibt. Durch die Zulassung der Jugendlichen zur Kommunalwahl erreichen wir mehr Generationengerechtigkeit. Wir ermöglichen ihnen, ihre Anliegen besser zu vertreten und schaffen Teilhabe. Die Ausweitung des Wahlrechts ist stets Zeichen des gesellschaftlichen Fortschritts“, erklärte Deißler. Schließlich dürfe nicht vergessen werden, dass Jugendliche in diesem Alter auch arbeiten, Steuern und Sozialabgaben zahlen und als Konsumenten am Wirtschaftsleben teilnehmen. Wer 16-Jährigen das Kommunalwahlrecht verweigere, nehme diese Generation nicht ernst.

Im Landtag wurde ein entsprechender Gesetzentwurf für ein kommunales Wahlrecht ab 16 Jahren in dritter Lesung abschließend beraten. Der Gesetzentwurf hätte auch eine Mehrheit gefunden, hätten die Grünen nicht aufgrund der Koalitionsdisziplin im Interesse ihres christdemokratischen Partners gegen ihre Überzeugung abgestimmt. „Da waren den Grünen andere Inhalte schlicht wichtiger“, stellte Deißler enttäuscht fest.