Die Krisen bewältigen
Nein, die Krisen sind über die Sommerpause nicht verschwunden. So verübt Russland weiterhin seinen brutalen Angriffskrieg auf die Ukraine. Für uns bedeutet das zum einen, Solidarität zu zeigen mit den Menschen in der Ukraine, die für unsere Werte von Frieden, Freiheit und Demokratie eintreten, während sie mitunter um ihr Leben bangen. Zum anderen bekommen auch die Bürgerinnen und Bürger Hessens die Folgen des Krieges zu spüren, weil die Energiepreise steigen und sie sich sorgen, wie sie über den Winter kommen. Da lag es nah, dass der Ukraine-Krieg und seine Folgen auch in der ersten Sitzungswoche des Hessischen Landtags nach der Sommerpause zu intensiven Debatten führten. In diesen ging es nicht nur um Solidarität und Energiekosten, sondern auch um eine Nachfolgeregelung für das 9-Euro-Ticket; jenes Flatrate-Angebot, das die Bundesregierung für Juni bis August zur Nutzung des ÖPNV auf den Weg gebracht hatte, um die Menschen finanziell zu entlasten. Hessens Schülerinnen und Schüler wiederum leiden mitunter noch immer unter den Folgen der Corona-Krise. Umso enttäuschender, dass Kultusminister Alexander Lorz in seiner Regierungserklärung zur Schulpolitik kaum Erhellendes mitzuteilen hatte und sich in Schönrednerei übte.
Hessens Schulen sind noch immer in der Kreidezeit
Traditionell hält der Kultusminister nach den Sommerferien eine Regierungserklärung im Plenum des Landtags. Eltern, Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler hätten sicher gern eine ehrliche Bestandsaufnahme und die Ankündigung von Verbesserungen gehört, aber sie wurden enttäuscht: „Die Lage an den hessischen Schulen ist prekär: Es werden massiv viele Lehrkräfte fehlen, und der Kultusminister macht keine Anstalten, dieses Versäumnis anzugehen. Dazu kommt, dass es keine pädagogischen Innovationen gibt und der Status quo nur verwaltet wird. Was Alexander Lorz pressewirksam vermarktet, sind nichtssagende Schaufensterprojekte“, stellte denn auch Moritz Promny, bildungspolitischer Sprecher der Fraktion der Freien Demokraten im Hessischen Landtag, ernüchtert fest. „Es wäre an der Zeit, einmal aufzuwachen“, forderte er von Lorz.
In die 134-Prozent-Zuweisung, die der Minister gern in Bezug auf die Lehrerversorgung erwähne, seien alle Zuschläge mit eingerechnet, die die Schulen für sehr zeitintensive Zusatz-Aufgaben bekämen. „Aber die Zuweisung steht nicht vor einer Klasse und hält Unterricht. Das kann nur eine Lehrkraft. Viele Schulen sind heilfroh, dass sie die Grundunterrichtsversorgung abdecken können. Dafür müssen sie schon Pensionäre rekrutieren, Kurse in der Oberstufe zusammenlegen sowie Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger akquirieren“, stellte Promny fest und benannte Möglichkeiten, dem Mangel an Lehrkräften gegenzusteuern: „Mit einer Verlängerung des Studiums für das Grundschullehramt macht man das Studium attraktiver, und mit vereinfachten Möglichkeiten von Quereinstieg und Weiterbildung begeistert man auch Menschen ohne zweites Staatsexamen für den Beruf oder ausgebildete Lehrkräfte für weitere Fächer.“ Zudem darf es nach Ansicht der Freien Demokraten keine Sommerferienarbeitslosigkeit für Lehrkräfte mehr geben. „Damit wird das Risiko verringert, dass sie sich in dieser Zeit etwas anderes suchen.“
Promny benannte in seiner Rede als Grundlage für ein modernes Bildungssystem die Digitalisierung. „Schülerinnen und Schüler wachsen heutzutage in einer Welt auf, in der Digitalisierung allgegenwärtig ist. Kaum treten sie jedoch über die Schwelle der Schule, sind sie in der Kreidezeit“, erklärte der bildungspolitische Sprecher und verwies exemplarisch auf die lange Zeit verschleppte Einführung eines Videokonferenzsystems für die Schulen. Darüber hinaus fordern die Freien Demokraten einen flächendeckenden Informatik-Unterricht anstelle des nur als „Testballon“ eingeführten Schulfachs Digitale Welt, das für Promny nichts anderes als ein „Fake-Fach“ ist. „Informatische Bildung ist Teil von Allgemeinbildung. Sie ist grundlegend für die Chancengerechtigkeit, für mehr Gleichberechtigung von Frauen und Männern, und sie ist essenziell für unseren Wirtschaftsstandort. Alle Kinder müssen informatische Bildung genießen“, forderte Promny.
Harter Kampf für die Freiheit
Just an dem Tag, an dem der russische Aggressor Putin die Teilmobilmachung verkündet hatte, debattierte der Hessische Landtag über die Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Oliver Stirböck, europapolitischer Sprecher der Freien Demokraten im Hessischen Landtag, hob dabei die Rolle Europas hervor: „Die Ukraine-Krise zeigt, dass wir in Deutschland zu klein dazu sind, die großen geopolitischen Konflikte alleine lösen zu können. Die Lösung heißt Europa, denn Europa hat eine magische Anziehungskraft: Die EU bietet Frieden, Freiheit, Demokratie – jene Werte, für die die Ukraine kämpft“, betonte Stirböck und warb für einen EU-Beitritt des osteuropäischen Landes. Aktuell müsse der Westen der Ukraine die Waffen liefern, die sie benötiget. „Wie notwendig das ist, beweist nicht zuletzt die Teilmobilmachung in Russland“, betonte der europapolitische Sprecher. „Perspektivisch sollten wir alles dafür tun, dass die Ukraine nach dem Krieg Teil der EU wird.“
Der Angriffskrieg auf die Ukraine hat auch Folgen für die Energieversorgung: „In diesem Winter droht der Blackout, drohen Menschen zu frieren oder ihre Stromrechnung nicht mehr begleichen zu können. Wir sollten daher keine Energieträger ausschließen und jede Möglichkeit nutzen, um die Versorgung sicherzustellen und die Kosten niedrig zu halten“, forderte Stirböck. Deshalb müssten Kernkraftwerke weiter genutzt werden: „Es ist nicht ethischer, französischen Atomstrom zu importieren oder gefracktes Gas aus den USA, als dieses selbst zu produzieren.“
Die hohen Energiepreise und die von den politischen Rändern befeuerte Sorge vor einem „heißen Herbst“ beschäftigten den Landtag am darauffolgenden Sitzungstag: „Die stark gestiegenen Energiepreise sind Ergebnis der Gas-Liefereinstellungen, mit denen Wladimir Putin versucht, die Staaten des Westens zu destabilisieren. Er versucht, einen Keil in die Gesellschaften zu treiben und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Handlungsfähigkeit der Regierungen zu untergraben“, machte FDP-Fraktionsvorsitzender René Rock klar. Putin stehe damit aber nicht allein: „Extremisten und Radikale versuchen, die Lage zu nutzen, um Stimmung zu machen, um aufzuwiegeln und zu hetzen. Die Linke gehört ganz offenkundig zu den politischen Kräften, die Russland und Putins Politik unterstützen. Die Rede von Sahra Wagenknecht im Bundestag vor einigen Tagen hat klar gezeigt, auf welcher Seite diese Linke steht. Ihr geht es nicht um die Menschen, die Unterstützung brauchen. Ihr geht es darum, unser Land und unsere Demokratie in Verruf zu bringen.“ Rock wies in seiner Rede ebenso darauf hin, dass wie die Linke auch die AfD den Angriffskrieg Russlands nicht als die Ursache der aktuellen Krise benannt habe. Beide Fraktionen hätten ein gestörtes Verhältnis zur Ursache der Krise, deshalb könnten sie die Krise auch nicht bewältigen, konstatierte Rock.
- Rede von Oliver Stirböck im Video (externer Link)
- Rede von René Rock im Video (externer Link)
- Dringlicher Antrag Fraktion der Freien Demokraten Demokratie und Freiheit in Europa. In der Ukraine werden sie verteidigt. – Drucksache 20/9204
ÖPNV: Nicht nur günstig, sondern auch gut
Es ist ein Thema, das viele Menschen bewegt, und das im Wortsinn: Wie kommen sie komfortabel und bezahlbar von A nach B: Das von der Bundesregierung zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger auf den Weg gebrachte 9-Euro-Ticket hat Begehrlichkeiten geweckt, dass auch weiterhin ein Flatrate-Ticket zur Verfügung steht. Für die Freien Demokraten ist aber klar: Der ÖPNV muss nicht nur günstig, sondern auch gut sein. Deshalb hat die Fraktion einen Antrag, der ein günstiges Ticket mit Entbürokratisierung und Digitalisierung der ÖPNV-Strukturen verbindet, zu ihrem Schwerpunktthema der Plenarrunde gemacht. Der verkehrspolitische Sprecher der Fraktion, Dr. Stefan Naas, forderte die Landesregierung daher auf, Lehren aus den Erfahrungen mit dem 9-Euro-Ticket zu ziehen und ihren Beitrag zur Finanzierung eines Nachfolge-Tickets zu leisten. „Das 9-Euro-Ticket hat gezeigt, dass Entbürokratisierung und Digitalisierung im Nahverkehr möglich sind: Man kann den Tarifdschungel und die Grenzen der Verkehrsverbünde überwinden, und jeder kann unkompliziert ein Ticket am Automaten, am Schalter oder online kaufen“, erklärte Naas in seinem Rede zum sogenannten Setzpunkt der FDP. Außer Entbürokratisierung und Digitalisierung nannte er zwei weitere fällige Konsequenzen: „Wir müssen weg von der Kleinstaaterei der Verkehrsverbünde, und wir müssen in Infrastruktur und Qualität des ÖPNV investieren.“ Wer wolle, dass der ÖPNV attraktiver werde, müsse in die Qualität investieren. „Um die Menschen langfristig für den ÖPNV zu gewinnen, braucht es eine bessere Infrastruktur und mehr Schienen. Deswegen muss die Nachfolgelösung des 9-Euro-Tickets mehr kosten, denn Qualität hat ihren Preis. Wenn die Qualität stimmt, sind die Menschen auch bereit, diesen Preis zu zahlen. Deshalb braucht es moderne und pünktliche Züge und flächendeckendes WLAN.“
Naas erinnerte daran, dass der Bund den Ländern 2,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt hat, damit diese das 9-Euro-Ticket bereitstellen können. „Jetzt hat der Bundesverkehrsminister angekündigt, künftig jedes Jahr 1,5 Milliarden Euro für ein Nachfolgeticket bereitzustellen. Damit erfüllt der Bund bereits seinen gesetzlichen Auftrag, er unterstützt die Länder bereits mehr als genug“, erläuterte Naas. Nun sei Hessens Verkehrsminister Tarek Al-Wazir am Zug. „Die Bereitstellung und Finanzierung des ÖPNV ist Ländersache. Wenn der Minister ebenfalls entsprechende Mittel zur Verfügung stellt, wird sich der Bund an der Finanzierung einer Nachfolgelösung für das 9-Euro-Ticket beteiligen. Das bringt Hessen voran und motiviert Menschen, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen“, sagte der verkehrspolitische Sprecher.
Auch das Engagement der Zivilgesellschaft für eine zeitgemäße Mobilität war Thema im Landtag, ging es doch um das von Bürgerinnen und Bürgern auf den Weg gebrachte Volksbegehren Verkehrswende. „Tarek Al-Wazir muss sich fragen, wie das passieren konnte: Ein Grüner ist als Verkehrsminister seit neun Jahren im Amt, und es braucht ein Volksbegehren, um die Verkehrswende voranzutreiben. Wir Freie Demokraten schließen uns nicht jeder Forderung der Initiatoren an, aber wir freuen uns über bürgerschaftliches Engagement für mehr Infrastruktur. Wir wollen keinen Feldzug gegen das Auto, aber wir müssen die Mobilität insgesamt verbessern, und zwar durch eine Förderung der Radinfrastruktur, durch eine Stärkung des Fußverkehrs, durch einen Ausbau der Schieneninfrastruktur und mehr ÖPNV im ländlichen Raum“, betonte Naas.
Endometriose in den Blickpunkt rücken
Ein Thema, das viel zu oft unbeachtet bleibt, aber viele Frauen betrifft, haben die Freien Demokraten dieses Mal zur Aktuellen Stunde gemacht. Im Hinblick auf den bevorstehenden Tag der Endometriose fordert sie eine hessische Endometriose-Strategie. „Jede zehnte Frau in Hessen leidet an Endometriose, einer gynäkologischen Erkrankung. Dennoch wird kaum dazu geforscht. Dazu kommt, dass es noch immer viel zu wenige Behandlungsmöglichkeiten gibt, und Betroffene nicht nur unter den Symptomen, sondern auch dem fehlenden Bewusstsein in der Gesellschaft leiden. Endometriose kommt häufiger vor als Diabetes Typ II, und dennoch ist sie weniger bekannt“, erklärte Wiebke Knell, frauenpolitische Sprecherin der Fraktion. Knell will nicht nur die Menstruation enttabuisieren, sondern verwies auch darauf, dass viele betroffene Frauen aufgrund ihrer Erkrankung starke Beschwerden haben; körperlich, aber auch psychisch – unter anderem, wenn sie Probleme haben, schwanger zu werden. „Das ist ein Grund, warum das Thema Endometriose stärker in den Blickpunkt gerückt werden muss“, sagte Knell in ihrer Rede. Im Durchschnitt betrage der Diagnosezeitraum mehr als sieben Jahre, und die Ursache der Erkrankung sei weiterhin unbekannt. Deshalb brauche es mehr Geld zur Erforschung der Krankheit, vor allem in Bezug auf die Ursachen. Ebenso müssten bessere Behandlungsmöglichkeiten entwickelt werden, denn aktuell könnten Betroffene nur zwischen Schmerzmitteln, einer Hormonbehandlung oder einer operativen Behandlung wählen. Knell forderte zudem ein umfassendes Screening beim Frauenarzt sowie eine flächendeckende Aufklärungskampagne. Sie ist überzeugt: „Das Thema Endometriose muss in der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten sowie in den Sexualerziehungsplänen an den Schulen stärker verankert werden.“