Moderne Arbeit ist mobil
Oliver Stirböck sitzt im Café Goethes in Offenbach, eine Latte Macchiato neben sich, das iPad vor sich. Zur gleichen Zeit hat Stefan Müller im Innenhof des Hessischen Landtags in Wiesbaden an einem Tisch des Landtagsrestaurants Platz genommen und fährt seinen Laptop hoch, während René Rock im Medienraum des Landtages ins Mikrofon spricht: Der digitalpolitische Sprecher, der innenpolitische Sprecher und der Fraktionsvorsitzende der Freien Demokraten im Hessischen Landtag sind zwar einige Meter beziehungsweise gar Kilometer voneinander entfernt, bestreiten aber in diesem Moment gemeinsam eine Pressekonferenz. Thema dieses Pressetermins ist exakt das, was Stirböck und Müller in diesem Moment auch beispielhaft demonstrieren: mobiles Arbeiten! Denn die Freien Demokraten wollen das mobile Arbeiten vorantreiben, den Beschäftigten der hessischen Landesverwaltung ein Recht auf diese Form der Arbeitsorganisation geben und haben dazu im Landtag mit einem Gesetzentwurf und einem Antrag die Initiative ergriffen.
Mobiles Arbeiten schafft Freiraum – und Freiraum bringt kreative Ideen hervor.
René Rock
„Wir Freie Demokraten leben mit unserer Fraktion 4.0 schon seit mehr als zwei Jahren vor, dass mobiles Arbeiten funktioniert. Bei uns zählt das Ergebnis: Ob unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diese Leistung am Schreibtisch in den Fraktionsräumen in der Wiesbadener Marktstraße, in ihrem Lieblingscafé, auf der Bank im Park oder bei sich zu Hause am Küchentisch erbringen, ist zweitrangig“, erklärt René Rock. Die Fraktion hat das mobile Arbeiten bereits Anfang der aktuellen Legislaturperiode auf den Weg gebracht und hatte somit zu Beginn der Corona-Pandemie, als Deutschland binnen weniger Tage gefühlt kollektiv ins Homeoffice wechselte, einen entscheidenden Vorsprung. „Wir konnten vom ersten Tag an ohne Qualitätsverlust weiterarbeiten, während anderen mitunter noch die Tablets, Laptops und Videokonferenzsysteme fehlten“, berichtet Rock stolz. Nach fast zwei Jahren Pandemie haben immer mehr Menschen zu schätzen gelernt, in ihrer Arbeitszeit nicht permanent im Büro präsent sein zu müssen. „Die Corona-Krise war für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein Booster, was die Arbeit im Homeoffice respektive mobiles Arbeiten angeht. Viele von ihnen wollen auch nach der Krise die Möglichkeit haben, sich auszusuchen, von wo aus sie arbeiten“, hat Rock festgestellt.
Die Freien Demokraten wollen mobiles Arbeiten nun überall dort ermöglichen, wo der Staat als Arbeitgeber agiert und so ein Vorbild für Unternehmen darstellen kann. „Als Liberale können und wollen wir nicht in die Dispositionsfreiheit der Unternehmer hineinregieren“, betont Oliver Stirböck, der nicht nur Digitalexperte, sondern auch Wirtschaftspolitiker ist. „Aber wenn der Staat zeigt, was in puncto Arbeitsorganisation und Arbeitskultur möglich ist, motiviert das Unternehmensspitzen nachzuziehen und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vergleichbare Angebote zu machen“, sagt Stirböck und ergänzt: „Außerdem tut sich das Land selbst einen Gefallen, wenn es das mobile Arbeiten stärkt. Nur wer sich zeitgemäß aufstellt, kann im Wettbewerb um die klügsten und kreativsten Köpfe mithalten. Überspitzt gesagt: Wer seine Beschäftigten zwingt, an fünf Tagen in der Woche in einem möglicherweise muffigen und vollgestopften Büro etwas in
einen stationären PC einzugeben, hat im Kampf um kompetente Kolleginnen und Kollegen schon verloren.“ Stirböck sieht im mobilen Arbeiten zudem einen Beitrag zu mehr Arbeitnehmersouveränität. „Es gibt den Beschäftigten mehr Flexibilität und macht Beruf und Privatleben besser vereinbar – allein schon, weil die Pendelzeiten wegfallen. Das spart Zeit und entlastet darüber hinaus die Umwelt.“
Selbst im Urlaub bin ich immer voll einsatzfähig für unsere liberale Sache.
Oliver Stirböck
Mobiles Arbeiten erfordert allerdings eine gute digitale und technische Infrastruktur: „Umfassend gelingen kann das mobile Arbeiten erst dann, wenn es landesweit eine gute und stabile Internetversorgung, will heißen eine flächendeckende Breitband-Glasfaser-Infrastruktur, gibt. Für diese kämpfen wir Freie Demokraten seit Langem. Leider hinkt Hessen diesbezüglich anderen Bundesländern hinterher – und das, obwohl Hessen eine Digitalministerin hat“, ärgert sich Stirböck. In dieses Bild passt, dass laut einer Umfrage des Kompetenzzentrums Öffentliche IT in keinem Flächenbundesland mehr Beschäftigte angegeben haben, dass sie 2020 aufgrund ihrer mangelhaften Internetverbindung nicht von zu Hause aus arbeiten konnten. Konkret waren es 14,6 Prozent. Gleichzeitig haben aber 55,9 Prozent der Befragten in Hessen angegeben,
dass sie zumindest gelegentlich von zu Hause aus ihren Job erledigen. Das ist der zweithöchste Wert bundesweit. „Das zeigt, dass der Bedarf an mobilem Arbeiten gegeben ist und es höchste Zeit wird, hier aktiv zu werden und die Voraussetzungen zu schaffen. Das bedeutet zum Beispiel, mobile Geräte und Dockingstations anzuschaffen“, sagt Stirböck.
Mobiles Arbeiten schafft Freiheit und Flexibilität. Ich habe überall und jederzeit Zugriff auf meine Unterlagen, kann auch dann arbeiten, wenn ich gerade mal nicht im Büro bin, und muss nicht haufenweise Papier mit mir herumschleppen.
Stefan Müller
Stefan Müller kennt als Innenexperte der Landtagsfraktion die Interessen, aber auch die Herausforderungen für die Landesverwaltung. Zum Beispiel müssen die Rahmenbedingungen im Hinblick auf die Datensicherheit und den Arbeitsschutz gewährleistet werden. „Mobiles Arbeiten soll nach unserer Vorstellung überall dort möglich sein, wo dienstliche Belange nicht entgegenstehen und es mit der Tätigkeit vereinbar ist. Die Sachbearbeiterin kann auch zu Hause am Laptop sitzen, aber der Pförtner des Ministeriums muss natürlich an Ort und Stelle die Augen offenhalten“, veranschaulicht Müller. Der Vorschlag der Freien Demokraten sieht konkret vor, dass die Beschäftigten bei einer Fünf-Tage-Woche zwei Tage mobil arbeiten können. Wer in Teilzeit tätig ist, soll ebenfalls 40 Prozent mobil arbeiten dürfen. Die Freien Demokraten haben bei ihrem Vorstoß, mit dem sie die Landesverwaltung zum Vorbild machen wollen, sowohl an die Beamten als auch an die Tarifbeschäftigten gedacht. Formal bedeutet das, dass sie in Bezug auf die Beamten einen Gesetzentwurf mit der Überschrift „Recht auf mobiles Arbeiten für Landesbeamte – Flexibilität und Attraktivität des öffentlichen Dienstes stärken“ vorgelegt haben. Mit einem Antrag sollen die gleichen Voraussetzungen für Tarifbeschäftigte geschaffen werden. „Wichtig ist, dass das Thema Fahrt aufnimmt und als große Chance begriffen wird. Wir Freie Demokraten sind hier gern Vorreiter – nicht nur, was unser eigenes Arbeitsmodell betrifft, sondern auch in Bezug auf die Möglichkeiten, die wir anderen geben wollen“, sagt Fraktionschef René Rock.